Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
es jetzt ehrlich zurück. „Nur, weil weder der Vater meiner Braut noch irgend ein dritter, wie ich bisher annahm, von dem Verlöbnis etwas wissen konnte, war ich im ersten Augenblick durch die Frage überrascht und fand nicht sofort eine Erwiderung. Denn ich habe mich meiner Braut, um die ich schon lange warb, erst vorgestern erklärt und wollte nur noch die schriftliche Einwilligung meiner Eltern abwarten, bevor ich mich auch ihrem Vater – eine Mutter besitzt Maria nicht mehr – anvertraute, bei dem ich eine Zurückweisung meines Antrages kaum zu befürchten brauche.“
„Danach scheint der Schreiber diesem Wisches hier doch ganz richtig informiert zu sein. Ich möchte nun einmal von Ihnen wissen: Ist es wahr, daß Jaworski auf seinem Kohlacker, der an die Königliche Forst grenzt, Schlingen für Hasen gelegt hat und uns die Krummen, die sich an den Kohlköpfen gütlich tun wollen, wegfängt? – Ich meine, haben Sie jemals Verdächtiges bemerkt oder ist der Alte vielleicht Ihnen gegenüber von anderer Seite verdächtigt worden?“
Dem Förster schoß unter dem auf ihn gerichteten, fast lauernden Blick die helle Glut ins Gesicht. Doch ohne langes Besinnen kam die Antwort:
„Jawohl, Herr Oberförster. Ich selbst habe bereits zweimal Schlingen aus dem Acker entfernt, habe auch Jaworski des öfteren gewarnt. Doch er erwiderte mir stets, daß er kein Wilddieb sei und daß er seine Drahtschlingen zu einem andern Zweck aufgestellt habe. Gestern noch sprach ich mit ihm darüber, als ich ihn im Walde zufällig traf, wo er gekauftes Brennholz abfuhr, sagte ihm auch bei dieser Gelegenheit, daß ich ihn zur Anzeige bringen müssen falls nochmals bei ihm derartiges Fanggerät gefunden würde. Ich habe aber bisher nie –“
„Sollten Sie wirklich diese lächerliche Erklärung, die Schlingen hätten einen anderen Zweck, geglaubt haben? – Welchen denn, wenn ich fragen dürfte?“ unterbrach Haase ihn ironisch.
„Ich kann darüber leider keine Auskunft geben, kann zu meiner Entschuldigung nur anführen, daß ich des öfteren in früher Morgenstunde den Kohlacker revidiert, aber nie ein Tier in der Schlinge gefunden habe. Als ich gestern nun auf den Alten sehr dringlich einredete und auch andeutete, daß es gerade für mich sehr unangenehm wäre, wenn er irgendwie mit den Gesetzen in Konflikt käme, beruhigte er mich und meinte wiederholt, er würde sich nur dem Herrn Oberförster selbst anvertrauen. Der Herr Oberförster möge ihn nur einmal gegen 8 Uhr morgens besuchen.“ – Haase zuckte nur ungläubig die Achseln.
„Ich bin wirklich neugierig, was der Alte mir für ein Märchen aufbinden will! – Nun, den Gefallen werde ich ihm aber trotzdem tun und hingehen, und zwar schon morgen. Auf dem Nachhausewege können Sie ihn ja benachrichtigen, damit ich ihn wenigstens antreffe und den Gang nicht vergeblich mache.“
Der Herr Oberförster drehte jetzt eine ganze Weile den Brief unschlüssig zwischen den Fingern hin und her, bis er wieder das Wort an seinen Beamten richtete.
„Kennen Sie diese Handschrift, Markdorf?“ fragte er dann plötzlich und reichte dem Förster das zerknüllte Papier bin.
„Nein, die Schrift ist mir ganz unbekannt.“
„So – hm! – Sie werden nämlich in diesem anonymen Schreiben in schwerster Weise verdächtigt,“ sagte Haase nach einer Pause sehr langsam.
„Ich – verdächtigt –?!“ fuhr der junge Förster auf und wollte schnell den Brief überfliegen.
„Lassen Sie nur, Markdorf, ich kann’s Ihnen auch so sagen. Man wirft Ihnen vor, daß Sie den Besitzer Kasimir Jaworski nur deswegen nicht wegen Wilddiebstahls belangen, weil Sie eben mit seiner Tochter verlobt sind. Der Briefschreiber behauptet auch, Sie hätten schon längst genügendes Belastungsmaterial gehabt, um gegen den Alten vorzugehen, aber eben aus Rücksicht auf Ihre Heiratsabsichten geschwiegen. Der Besitzer soll nämlich das Schlingenlegen schon längere Zeit, mehrere Jahre, betreiben.“
Markdorf starrte seinen Vorgesetzten eine ganze Weile fassungslos an, ehe er etwas entgegnen konnte.
„Herr Oberförster glauben diesem – elenden Denunzianten doch nicht etwa?!“ rief er entrüstet. Und als Haase nicht sofort antwortete, fuhr er mit vor Erregung zitternder Stimme fort: „Ich habe meine Pflicht bisher in keiner Weise vernachlässigt – nie, niemals. Eine solche infame Anschuldigung lasse ich daher nicht auf mir sitzen. Ich werde selbst beim Herrn Oberforstmeister eine Disziplinaruntersuchung beantragen, und die wird dann zeigen, daß mich auch nicht der kleinste Vorwurf trifft. Den alten Jaworski konnte ich gar nicht zur Anzeige bringen, denn ich habe ihn trotz meiner häufigen Patrouillengänge nie auf frischer Tat ertappt. Und die Möglichkeit war doch nicht ganz ausgeschlossen, daß er die Schlingen vielleicht für irgendwelches Raubzeug gelegt hat.“
Haase mochte doch wohl aus der so ehrlichen Empörung seines Untergebenen herausfühlen, daß dieser ein völlig reines Gewissen hatte und suchte daher einzulenken.
„Zu einer Disziplinaruntersuchung gegen Sie liegt vorläufig auch nicht der geringste Grund vor,“ meinte er daher etwas freundlicher. „Auf derartige anonyme Wische gebe ich sonst gar nichts. Aber der Briefschreiber hier, hat so viele schwerbelastende Momente angeführt, daß ich mir, um auch jede Spur eines Verdachtes von Ihnen fernzuhalten, Aufklärung verschaffen wollte. Sie werden mir auch zugeben, Markdorf, daß die Erwähnung dieses Verlöbnisses im Zusammenhang mit des alten Jaworski Neigung fürs Schlingenstellen mich doch etwas stutzig machen mußte. Und – ohne Ihrem zukünftigen Schwiegervater zu nahe treten zu wollen – ganz reinlich kommt mir diese Sache auf dem Kohlacker da nicht vor. Nun, ich werde ja sehen, wie Jaworski sich morgen aus der Affäre zieht. Sollte sich seine Unschuld herausstellen und außerdem das Landratsamt günstig über ihn berichten, so wäre ich der letzte, der gegen Ihre Verbindung mit der Tochter etwas einzuwenden hat. – So, weiter hätte ich für Sie dann nichts. Und, sorgen Sie mir dafür, daß endlich die Wilddieberei in Ihrem Revier aufhört. Irgendwie wird den frechen Kerlen doch beizukommen sein. – Ist sonst noch Dienstliches zu erledigen?“
„Nein, Herr Oberförster. – Ich wollte nur bitten, ob ich nicht den Brief mitnehmen könnte, der eine so schwere Beleidigung gegen mich als Beamten enthält. Vielleicht gelingt es mir, den Absender zu ermitteln, gegen den ich dann natürlich sofort Strafantrag stellen werde.“
„Meinetwegen – hier ist er. Ich fürchte nur, daß Sie wenig Glück haben werden. Die Handschrift zeigt so gar keine charakteristischen Merkmale, ist eben nur ganz unausgeschrieben. Es müßte denn gerade sein, daß Sie schon eine bestimmte Person im Auge haben, der Sie einen solchen Streich zutrauen. Sehen Sie immerhin zu, was sich in der Sache tun läßt. – Und nun, – guten Morgen. Vergessen Sie auch nicht, Jaworski meinen Besuch anzusagen.“ –
Markdorf war, nachdem er die Oberförsterei verlassen hatte, von dem Fahrwege in einen schmalen Fußsteig eingebogen, der querfeldein auf die kaum drei Kilometer entfernte, am Waldrande liegende Besitzung Kasimir Jaworskis zuführte. Die kalte Winterluft und die feierliche Stille in der weißen Einsamkeit, ließen seine Gedanken bald langsamer kreisen und milderten die wilde Empörung, die das für ihn so verletzende Verhör seines Vorgesetzten und die ganze unfreundliche Behandlung in ihm hervorgerufen hatte. Aber jetzt, wo er nochmals die Einzelheiten dieser ihm völlig unerklärlichen Denunziation in Ruhe durchging, erschien ihm der Sachverhalt immer verworrener. Er sann vergebens nach, wer ihn in so heimtückischer Weise verdächtigt und woher der Verfasser des Briefes besonders seine Verlobung erfahren hatte. Denn der erste selige Kuß, den er vorgestern im schweigenden Forst von der Geliebten empfing, konnte ja keine Zeugen gehabt haben. Nur die froststarrenden Eichen und ein hoch in den Zweigen krächzender Eichelhäher hatten sein junges Glück geschaut.
Als er sich dann den ziegelbedeckten, sauber gehaltenen Gebäuden der Besitzung näherte, sah er schon von weitem den Alten auf dem Hofe stehen, wie er gerade unter einer Schlittenkufe einen neuen Eisenbeschlag befestigte. Jaworski erwiderte den Gruß des ihm wohlbekannten Försters aufs herzlichste, legte Hammer und Nägel beiseite und nötigte ihn in das behaglich durchwärmte Wohnzimmer. Während er sich hier gemächlich den dicken Schafpelz auszog, den er über seiner Joppe trug, sagte er in fließendem, wenn auch etwas gebrochenem Deutsch:
„Meine Tochter ist nach der Stadt gefahren, Herr Förster, wollte aber mittags wieder zu Hause sein.“ Und mit einem prüfenden Blick