Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
Berlin unternommen, von denen er stets innerhalb weniger Tage zurückkehrte. Der Zeitpunkt dieser Reisen, die nur den Zweck gehabt haben dürften, die erbeuteten Juwelen in der Hauptstadt zu veräußern, fällt regelmäßig immer auf die nächste Woche nach den rätselhaften Einbruchsdiebstählen.
4. Der Verdacht des Angeschuldigten erfährt eine besondere Verstärkung durch die Ereignisse, die mit dem letzten, beim Geheimrat von Oppen verübten Diebstahl in Zusammenhang stehen. – Kurz vor Beginn des Maskenfestes betrat Graf Axel unter einem Vorwand, der sich jetzt als erfunden herausgestellt hat, mein Hotelzimmer, und dies nur in der Absicht, um in Erfahrung zu bringen, in welchem Kostüm ich auf dem Ball erscheinen würde. Woher er diese Kenntnis erhielt, vermochte ich nicht herauszubringen. Gerade dieses Interesse für meine Person ist überaus verdächtig.
5. Der Angeschuldigte hat, wie Geheimrat von Oppen mir gestern zugeben mußte, von dem Geheimfach in der Wand Kenntnis gehabt. Vor etwa vierzehn Tagen kam nämlich Graf Axel zu Herrn von Oppen und fragte diesen, ob sie sich nicht zusammen ein Safe in der in Lanken neu eingerichteten Filiale der Ostpreußischen Bank mieten wollten. Oppen lehnte ab. Er habe einen sicheren Aufbewahrungsort für seine Wertsachen. Worauf Axel Kaisenberg erwiderte, sicher seien einzig und allein die Gewölbe einer Bank. Der arglose Geheimrat wiedersprach und zeigte zum Beweise für seine Behauptung dem Angeschuldigten das durch das Bild so tadellos verdeckte Geheimfach, ja öffnete diesen sogar, wobei Axel Kaisenberg den fein gearbeiteten Schlüssel bewunderte und auch einige Minuten in der Hand behielt. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß der Angeschuldigte dabei heimlich einen Wachsabdruck von dem Schlüssel nahm und sich danach irgendwo einen Nachschlüssel hat anfertigen lassen. Wo, konnte nicht ermittelt werden.
6. Der Angeschuldigte hat hierauf offenbar den Entschluß gefaßt, die nächste Gelegenheit zu benutzen, um das Geheimfach auszuräumen. Als er nun, wie schon zu 4 erwähnt, erfuhr, daß ich den Maskenball, den er sich seiner bisherigen Methode getreu für die Ausführung ausersehen hatte, mitmachen würde, fürchtete er durch mich gestört zu werden und suchte sich daher meiner zu entledigen.
7. Den schwarzen Domino, unter dem Axel Kaisenberg seinen GigerlAnzug verbarg, als er mich aufforderte ihm zu folgen, hatte er sich heimlich aus der Herrengarderobe geholt, wo der sorgliche Gastgeber für die älteren Herrschaften, die nicht in Kostüm erscheinen wollten, fünf verschiedenfarbige Dominos hatte bereit legen lassen.
8. Axel Kaisenberg hat an dem Festabend gegen halb zwölf Uhr nachts, das Haus des Herrn von Oppen verlassen, wie einer der Diener anzugeben wußte. Er dürfte dies getan haben, um seinen Raub irgendwo zu verbergen. Bei seiner Rückkehr ist er jedoch nicht beobachtet worden.
9. Axel Kaisenberg hat sich vor einem halben Jahre von dem hiesigen Kreistierarzt Weber Chloroform verschreiben lassen, um seinen Foxterrier damit zu vergiften, den er ein möglichst schmerzloses Ende bereiten wollte. Mit Chloroform wurde ich damals für Stunden unschädlich gemacht. Sonst ist an Privatpersonen der hiesigen Gegend kein Chloroform abgegeben worden, wie der Apotheker festzustellen in der Lage war.« –
* * *
Staatsanwalt Euler hatte die Lektüre dieses eingehenden Berichtes beendet. Mehrere Punkte waren von ihm des öfteren mit anderen verglichen worden, um einen recht genauen Überblick zu gewinnen.
Als er jetzt aufschaute, lag seine Stirn in nachdenklichen Falten.
»Sie haben da in wenigen Tagen wirklich eine unglaubliche Menge Material zusammengetragen, Herr Kommissar,« erklärte er anerkennend. »Schade nur, daß in dieser Ihrer schriftlichen Zusammenstellung sich nicht ein einziger tatsächlicher Beweis befindet. Der Indizienbeweis gegen den Grafen Kaisenberg ist ja fast lückenlos, – aber es bleiben doch immer Indizien. Und Sie werden ja selbst aus Ihrer Praxis wissen, wie schwer sich darauf eine Anklage aufbauen läßt, besonders da wir hier, wo es sich um eine bisher völlig unbescholtene Person handelt, überaus vorsichtig sein müssen. Der gute Ruf eines Menschen ist leicht für immer zerstört. Darum – ganz allein übernehme ich die Verantwortung nicht, irgendwie gegen den Grafen vorzugehen, obwohl Ihr Beweismaterial ja entschieden auf ihn als den Täter hindeutet. Denn das Ineinandergreifen so vieler Ereignisse kann unmöglich ein zufälliges sein. – Ich werde daher meinem Vorgesetzten, dem Herrn Staatsanwalt am hiesigen Landgericht, noch heute Ihre schriftlichen Aufzeichnungen unterbreiten und seiner Entscheidung alles anheimstellen. – Sie haben doch für jede Ihrer Behauptungen die notwendigen Zeugen, nicht wahr?«
»So weit es sich um die zu meinen Kombinationen verwendeten Punkte handelt – natürlich.«
Euler nickte zufrieden. »Noch eins, Herr Kommissar. – Wie haben Sie es denn nur fertig gebracht, diese vielleicht später sehr wertvollen Zeugen so auszuforschen, daß sie nicht merkten, auf wessen Person Sie es bei Ihren Ermittlungen besonders abgesehen hatten? Ich denke z.B. hauptsächlich an Herrn von Oppen. Sollte der wirklich noch nicht ahnen?«
Fehlhauser zuckte die Achseln. »Möglich, daß der Geheimrat nicht mehr ganz harmlos ist. Gezeigt hat er’s nicht. Sie müssen bedenken, Herr Staatsanwalt, daß wir Kriminalbeamten so unsere eigene Art haben die Menschen auszufragen. Das, worauf es uns ankommt, hüllen wir sozusagen durch unzählige überflüssige Fragen in einen undurchdringlichen Schleier. Außerdem habe ich auch überall betont, sobald der Name Axel Kaisenberg bei meinen Gesprächen mit den verschiedenen Leuten auftauchte, daß der Graf natürlich nicht als Täter in Frage kommen könnte und daß ich einen alten gewiegten Berliner Einbrecher für den Dieb halte, der hier hin und wieder in der Provinz Gastrollen gibt.«
Euler wiegte zweifelnd den Kopf hin und her.
»Wie dann nur dieses Gerücht, von dem wir vorhin sprachen, entstanden sein kann?« meinte er sinnend. »Ich fürchte, ich fürchte, Sie rechnen zu bestimmt darauf, daß Sie Ihre wahre Meinung vor jedermann verborgen haben. Was nun, wenn der Graf sich z.B. plötzlich heimlich aus dem Staube machte? Dann hätten wir das Nachsehen!«
Der Kommissar lächelte still vor sich hin.
»Das dürfte ihm schwer fallen. Seit zwei Tagen wird Axel Kaisenberg von einem meiner Unterbeamten, den ich mir nachkommen ließ, unauffällig verfolgt – ich bin jederzeit derart über seinen Aufenthalt orientiert, daß seine Verhaftung noch in dieser Stunde erfolgen kann.« –
5. Kapitel
Eine Reisebekanntschaft und ihre Folgen
Axel Kaisenberg stand auf dem Bahnsteig des Elbinger Bahnhofs und wartete auf den DZug EydtkuhnenBerlin. Vorsichtig hielt er sich ganz am Ende des Perrons auf, da er eine hier sehr leicht mögliche Begegnung mit Bekannten vermeiden wollte. Aber er hatte Glück. Niemand war da, der später hätte berichten können, wie der einst so beliebte jüngste Kaisenberg scheu die alte Heimat, voraussichtlich für immer, verließ.
Der Zug donnerte heran. Bald hatte Axel ein Raucherabteil 1. Klasse gefunden, in dem nur ein einzelner Herr saß. Nachdem er seine Reisetasche im Gepäcknetz untergebracht, nahm er den zweiten Fensterplatz dem Fremden gegenüber ein, entfaltete eine eben auf dem Bahnsteig gekaufte Zeitung und vertiefte sich anscheinend eifrig in den politischen Teil auf der ersten Seite.
In Wahrheit las er keine Zeile. Seine Gedanken irrten unablässig zurück in die jüngste Vergangenheit, wo er vor den Schranken des Gerichts gestanden und dann als ein Ausgestoßener, Geächteter das düstere Gebäude verlassen hatte. Nicht Reue quälte ihn, nein, eine wilde Wut, ein Durst nach Rache, der so mächtig in ihm war, daß er unwillkürlich das Zeitungsblatt achtlos zusammenknüllte. Er warf es beiseite und schloß die Augen. In seinem Hirn kreiste immer nur das eine: Freigesprochen aus Mangel an Beweisen. – Hahaha! Das war überhaupt kein Freispruch! –
Was aber nun? Sollte er nach Amerika gehen und dort vielleicht als Kellner sein Glück versuchen? Unsinn! Er hatte die Abenteurerlaufbahn nun schon einmal betreten, also wollte er auch dabei bleiben. Denn die dreitausend Mark, die sein Stiefbruder ihm mitgegeben hatte, würden ja doch nicht lange reichen. Und den letzten Raub, den er bei Oppens gemacht hatte, durfte er vorläufig nicht aus dem Versteck hervorholen, wo er ihn vergraben