Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
einfach. – Gehen Sie, lieber Doktor, jetzt zur Kriminalpolizei und berichten Sie das, was wir von dieser Taschenlaterne wissen, die ausgerechnet am Mordtage am Tatort auftauchte, so ist tausend gegen eins zu wetten, daß die Behörde augenblicklich ihre erste Annahme, nach der nur Boto Wendland als Täter in Frage kommt, berichtigt und die Ermittlungen noch auf Hektor Brieux als denjenigen ausdehnt, der … eventuell in dem Mordzimmer in der Aufregung die Lampe vergessen haben kann, der ferner auffallenderweise seit dem Tage verschwunden ist und der – drittens und letztens – eigentlich der einzige bleibt, der infolge des Testaments des Rentiers von dessen baldigem Tode Vorteil gehabt hätte – wenn eben dieses Testament gültig gewesen wäre. – So liegt die Sache –«
Heiling schaute sinnend vor sich hin.
»Hm – ich muß Ihnen recht geben, lieber Schaper,« meinte er überzeugt. »Diese Vermutung, daß Hektor Brieux seine Hand mit im Spiel gehabt hat, würde nach alldem ohne Zweifel in dem die Untersuchung führenden Kommissar auftauchen. Das wäre durchaus verständlich, obwohl doch …«
»Ja, obwohl es anderseits wieder ausgeschlossen ist, daß der Regierungsreferendar der Täter sein kann,« unterbrach ihn Schaper erregt. »Sogar völlig ausgeschlossen, wie ich Ihnen jetzt, nachdem ich einen Tag in dem Katzen-Palais zugebracht habe, nochmals auseinandersetzen will, soweit es sich eben um neue, von mir festgestellte Momente handelt. –
Ein Eindringen in das Haus von der Schloßstraße scheidet aus. Die Haupteingangstür ist an jenem Tage wie immer fest verschlossen gewesen. Die Fenster des hochgelegenen Erdgeschosses ebenso, so daß auch von einem Einsteigen hier keine Rede sein kann, ganz abgesehen davon, daß die Schloßstraße viel zu belebt ist, um dieses Kunststück unbeobachtet ausführen zu können. –
Nun zu der zweiten Möglichkeit – dem Zugang von der Grenadiergasse. Hier trennt eine zweieinhalb Meter hohe, glatte Mauer den Park von dem öffentlichen Wege. In der Mauer befindet sich jedoch eine Gitterpforte, die zwar ebenfalls verschlossen gehalten wird, in deren Schloß der Hausmeister jedoch nicht wie beim Vordereingang den Schlüssel stecken läßt. Es wäre also nicht unmöglich, daß Brieux sich zu dieser Pforte einen Nachschlüssel besorgt hat und so in den Park eingedrungen ist. Wohlverstanden – in den Park. Denn weiter wäre er unbemerkt nicht gekommen. Sie wissen, daß der Hausmeister im vorderen Teile des Gartens dicht beim Hause beschäftigt war. Der Park ist nur schmal und, da nur einzelne Gebüschgruppen vorhanden sind, leicht zu überblicken. Gesetzt nun den Fall, Brieux hätte es fertig gebracht, sich an dem Alten ungesehen vorbeizuschleichen, so wäre ihm in der Tür des Wirtschaftseinganges von der Rückfront des Gebäudes ein unüberwindliches Hindernis entstanden. Ich will hier noch darauf aufmerksam machen, daß nur diese eine Tür vorhanden ist und daß sämtliche Fenster nach der Parkseite mit eisernen Ziergittern versehen sind. Die Tür aber hat einen pneumatischen, sehr kräftig wirkenden Schließer, außerdem noch – und das ist die Hauptsache! – eine Glocke, die beim Öffnen und Schließen sehr laut anschlägt.
Dicht neben dem Hintereingang befindet sich ferner die Küche, in der sich zu der fraglichen Zeit Frau Truschinski aufhielt. Hätte also Brieux durch die Tür in das Haus schlüpfen wollen, so würde die Glocke angeschlagen und ihn verraten haben. –
All diese Einzelheiten habe ich sehr genau nachgeprüft und durch unauffälliges Befragen der Hausmeistersleute mich überzeugt, daß es, wie gesagt, völlig ausgeschlossen ist, am Tage unbemerkt in das Katzen-Palais einzudringen.
So, Herr Rechtsanwalt, nun sollen Sie mir raten, ob ich unter diesen Umständen verpflichtet bin, der Polizei von meiner Entdeckung hinsichtlich der Taschenlaterne Mitteilung zu machen. Denn, sollte Brieux der Täter sein – ich selbst glaube nicht daran – so würde man mir später mit Recht den Vorwurf machen, daß ich ihm durch das Verschweigen dieser Tatsachen das Entkommen erleichtert hätte. Jetzt könnte die Polizei, wenn sie all ihre Hilfsmittel gebraucht und falls er wirklich geflohen sein sollte, seiner noch habhaft werden. Lassen wir aber noch Tage vergehen und rücken wir dann erst mit unserem Wissen heraus, so gestaltet sich die Verfolgung schon weit schwieriger. –
Mithin – was soll ich tun?«
Dr. Heiling zuckte ratlos die Achseln.
»Wenn Sie fest überzeugt sind, daß der Regierungsreferendar nicht der Schuldige ist, so warten Sie doch ab,« meinte er. »Vielleicht gelingt es Ihnen inzwischen, andere wichtige Beweise gegen einen Dritten herbeizuschaffen.«
Schaper trommelte ärgerlich mit den Fingern auf der Lehne des Sessels einen Sturmmarsch.
»Ich muß sichergehen,« erklärte er nach einer Weile entschlossen. »Gerade als Privatdetektiv darf ich mir nicht das geringste vergeben. Grün sind uns die Herren von der Polizei ohnehin nicht. Und sie würden schön über mich herfallen, wenn ich durch mein Schweigen der rächenden Justiz ein Opfer entziehen würde. Ich werde also doch lieber meine Kenntnisse auskramen. Besser ist besser …«
»Schließlich – was liegt auch daran,« tröstete Heiling den Detektiv. »In Ihren ferneren Nachforschungen werden sie dadurch doch nicht behindert, wenn die Polizei jetzt vielleicht gegen Brieux ebenfalls einen Steckbrief erläßt.«
»Das ist schon richtig. Aber – geben Sie gern die Früchte Ihrer Geistesarbeit gratis weg?« meinte Schaper, mit einem schlauen Lächeln.
»Das tut keiner gern,« bestätigte der Rechtsanwalt.
»Na also!«
Schaper erhob sich jetzt.
»Ich will nicht länger stören, Herr Doktor. Von Ihnen fahre ich nun also direkt nach Charlottenburg aufs Polizeipräsidium und lege meine duftende Taschenlampe vertrauensvoll in die Hände des Herrn Kommissars Bechert. Hoffentlich bringt sie ihm die Erleuchtung!«
»Halt, mein Lieber – noch eine Frage,« bat Heiling schnell. »Wie steht’s denn mit unserer Geheimschrift, und haben Sie sonst keine Entdeckung im Katzen-Palais gemacht?«
Schaper, der eben in seinen Paletot schlüpfte, erwiderte kleinlaut:
»Geheimschrift …? Der bin ich nicht gewachsen. Aus dem Wirrsal von Worten finde ich mich bisher nicht heraus – leider. –
Und Frage Nr. 2, – – aber bitte Diskretion! – ich bin jetzt dabei, mich in das Vertrauen des schwachsinnigen Sohnes der Truschinskis einzuschmeicheln. Es wäre nicht das erste Mal, daß ein Geisteskranker aus besonderen Motiven zum Mörder wird.«
Heiling hatte die Augenbrauen hochziehend aufgehorcht.
»Alle Wetter, an die Möglichkeit habe ich noch gar nicht gedacht,« entfuhr es ihm jetzt. »Was für einen Eindruck macht denn der Mensch auf Sie, Schaper?«
»Vorläufig kann ich mir kein abschließendes Urteil erlauben,« entgegnete der Detektiv ehrlich. »Jedenfalls ist dieser Max Truschinski ein außerordentlich kräftiger Bursche, dem man in dieser Beziehung schon so eine Tat zutrauen kann.«
Der Rechtsanwalt wollte noch eine Bemerkung machen, wurde aber durch den Eintritt eines seiner Bureauangestellten unterbrochen, der ihm zwei Visitenkarten überreichte.
»Die Damen warten schon eine ganze Weile. Ihre Angelegenheit soll sehr dringend sein,« bestellte der junge Mensch.
Heiling überflog die Karten. »Nanu – was hat denn das zu bedeuten,« sagte er erstaunt. »Frau Melanie v. Gerster – Anni Marschall …? – Ich lasse bitten. –
Bleiben Sie nur hier, Schaper. Da ist doch fraglos etwas passiert.«
Gleich darauf traten die beiden Damen ein – Anni Marschall mit vom Weinen geröteten Augen und völlig fassungslos, die junge Witwe dafür desto ruhiger und zielbewußter.
Nachdem man an dem Mitteltisch Platz genommen, begann Frau v. Gerster sofort, indem sie sich Heiling zuwandte:
»Wir brauchen Ihre Hilfe, Herr Rechtsanwalt. Boto Wendland ist vor einer Stunde verhaftet worden.«
Beide, Heiling sowohl wie Schaper, fuhren förmlich von ihren Stühlen hoch. Diese Nachricht hatten sie nicht erwartet.
»Wie ist denn