Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
ich in seiner ganzen Feinheit noch nicht erkenne – – vielleicht –!!«
Gunolt verabschiedete sich gleich darauf, sagte aber noch, bevor er ging:
»Ihre Schwiegereltern mußte ich notwendig darüber aufklären, daß auch Sie Ihre Schwägerin im Verdacht haben, die Anstifterin des Mordes zu sein. Es ließ sich nicht umgehen. Ich rate Ihnen daher, das Barksche Haus fürs erste zu meiden, bis auch dort die Überzeugung gesiegt hat, daß wir im Recht sind.« – –
Ich war wieder allein …
Das Barksche Haus war mir verschlossen –!! – Nun hatte ich niemanden, mit dem ich mich aussprechen konnte, mußte ich alles mit mir allein durchkämpfen …
Niemand …?! – Ich dachte an meine Mutter.
Da kam die Sehnsucht nach ein paar alten, zittrigen Händen, die über meinen Scheitel hinstreichen würden, nach einer Stimme, die leise flüsterte: »Mein Junge – mein Junge …!!«
Ein volles Jahr hatte ich die Mutter nicht mehr gesehen. Wie würde sie sich freuen, wenn ich plötzlich dort erschien … –
Die Sehnsucht wuchs. – Und weiter dachte ich an den Brief, den Mutter an Heliante geschrieben haben sollte … – Ich mußte wissen, was in diesem Brief gestanden hatte …
Das Gespenst – – das Geheimnis eines alten Geschlecht …!!
Ja – ich würde verreisen – bald – sofort!
Kaum zu dem Entschluß gelangt, wollte ich auch schon mit den Vorbereitungen beginnen.
15. Kapitel
Handtasche und Schlüssel
Vorbereitungen …?! – Was bedurfte es großer Vorbereitungen, um vier, fünf Tage von Berlin fortzubleiben …?! –
Ich bin etwas pedantisch, etwas umständlich.
Erst hatte ich an den Rohrplattenkoffer gedacht, an zwei Anzüge, reichlich Wäsche usw.
Unsinn! Die alte, gestickte Handtasche genügte. Sie war ein Geschenk der Mutter für den Sohn, der zum ersten Mal als Student ins Semester fuhr. Eine jener Handtaschen, über die man lächelt, wenn man sie mit einem Reisenden sieht. »Aus der Provinz,« denkt man …
Mutter würde sich freuen über die Handtasche. Und das Lächeln der Leute war mir gleichgültig. Doktor Alan Dogmoore darf sich schon solchen Großväterhausrat leisten …
Aber, wo ist sie nur …? – Ich suche in meinem Schlafzimmer; sie lag doch immer auf dem Kleiderschrank, ich besinne mich ganz genau …
Ich finde sie nicht. Ich gehe zu der Meißler hinüber …
»Keine Ahnung, Herr Doktor. Seit langem habe ich sie nicht mehr gesehen,« sagte sie und komm mit, um suchen zu helfen …
»Das Ding ist doch kein Hemdknopf, Herr Doktor! Wir werden’s schon aufstöbern.«
Wir kehrten das Unterste zu oberst. Alles umsonst. Schließlich sage ich: »Nun hab’ ich die Geschichte satt. Ich nehme den Rohrplattenkoffer.« – Der steht gelb und protzig mit seinen Messingbeschlägen unter dem Bett. Die Meißler zieht ihn hervor. Ich suche den Schlüssel an meinem Schlüsselring, schließe auf. Ich verwahre darin so allerlei, was mir selbst im Schreibtisch nicht sicher genug erscheint, – auch Heliantes Briefe.
Und in dem Koffer liegt auch die gestickte Handtasche –!
Die Meißler murmelt etwas von zerstreuten Gelehrten, legt mir das Nachtzeug bereit und verschwindet.
Die alte Handtasche –! – Wie ein kurzer Sack mit einem Stahlbügel. Schön ist sie ja nicht. Und das Blumenmuster zu beiden Seiten mit seinen grellen Farben dient auch nicht dazu, sie unauffälliger zu machen. – Außerdem …: Es sind Rosen darunter – rote Rosen …
Etwas klappert in der Tasche. – Ich habe sie seit Jahren nicht benutzt. Sollte ich darin etwas liegen gelassen haben, was ich vielleicht anderswo eifrig und ärgerlich gesucht habe …?!
Ach – es sind nur ein paar Schlüssel, mit einem Bindfaden zusammengebunden. Vielleicht gehören sie mir gar nicht. Ich habe die Tasche einmal der Meißler geborgt, als sie in Stettin eine Tante begraben half, von der sie etwas zu erben hoffte. Nachher hat sie noch wochenlang über die teure Reise gezetert, die Meißler, – denn die Tante hatte ihr nur ein Andenken vermacht – ein wertloses Ölbild. –
Ich muß der Meißler die Schlüssel wiedergegeben. Sie werden sicher ihr Eigentum sein. Sieben sind’s im ganzen, von verschiedener Größe.
Ich lege sie auf meinen Schreibtisch, beginne zu packen.
Dann suche ich den dunkelgrauen Wettermantel, den ich mir mal in Zürich gekauft habe; ein teures Stück, aber praktisch; auch als Reisemantel zu benützen. –
Die Meißler hat recht: Zerstreuter Gelehrter –.
Wo steckt nur wieder der Wettermantel –?! Er hing doch immer links im Kleiderschrank –!
Ich werde nervös …
Endlich!! – Unten in der Schublade des Schrankes liegt er – – total zerknüllt, hinter schmutziger Wäsche …! –
Wieder klingle ich bei der Meißler an.
Sie will den Mantel dort nicht hineingestopft haben. »Wo werd’ ich, Herr Doktor!! Ich bin die Ordnungsliebe selbst, das wissen Sie!«
»Zum Donner – ich hab’s auch nicht getan!! – Da, bügeln Sie ihn mir auf – sofort! Mein Zug geht kurz nach Mitternacht.« –
Dann sitze ich an meinem Schreibtisch und halte ein Päckchen Briefe in den Händen.
Es duftet nach Astra – ist mit rotem Seidenband umschnürt, und die Knoten sind versiegelt. Ich sehe das Wappen der Dogmoore im roten Lack. –
Unser altes Geschlecht hat ein seltsames Wappen. –
Ich schau wie gebannt auf das Wappen. Erst jetzt denke ich daran, da ich’s vor Augen habe. Der Schwertträger im Mittelschild hat ein Doppelgesicht, und darunter in punktiertem Feld sind zwei Herzen dargestellt …
Das Päckchen hat alles Interesse für mich verloren. Ich grübele über anderes nach –.
Beatrix glaubt, oder besser, will mich glauben machen, meine Seele sei krank – daher Geheimrat Merkel …! – Nun – ganz Unrecht hat sie nicht. Ich bin anders als gewöhnliche Sterbliche. Ich besitze eine krankhaft rege Phantasie. Und dann … der Regen …!! – Was würde wohl der berühmte Professor dazu sagen, wenn ich ihm das alles erzählen würde …?! – –
Eine sonderbare Angst befällt mich plötzlich. Ich springe auf, eile zum Fenster, reiß er es auf, schau mir den Nachthimmel an …
Ein lichter Sommerhimmel, Sterne, unzählige Sterne. Keine einzige Wolke. –
Ich liebe die Sterne, mehr noch als die Sonne.
Etwas ruhiger setzte ich mich wieder an den Schreibtisch, nehme Heliantes Briefe.
Auf gut Glück ziehe ich einen heraus. –
4. März
Lieber Freund!
Man macht Ihnen den Vorwurf, originell erscheinen zu wollen. Ich habe Sie verteidigt, obwohl auch ich zugeben muß, daß Ihr Verhalten letztens auf der Schönholzschen Gesellschaft mir bis heute unerklärlich geblieben ist. Ich hätte diese Angelegenheit ja auch mündlich mit Ihnen durchsprechen können. Aber von Angesicht zu Angesicht sagt sich so manches schwerer. Darf ich hier ganz offen sein? –
Vergegenwärtigen Sie sich nochmals die Szene. –
Der Schönholzsche Wintergarten ist seiner Riesenpalmen wegen berühmt. Wir sitzen zu einem Dutzend