Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
Bank unter dem vorspringenden Dach eines Häuschens dicht an einem sauber gepflegten Tennisplatz –.
Nein – ich saß nicht mit ihr, – – sie saß auf meinen Knien, hatte die Arme um meinen Hals gelegt, schaute mich an, flüsterte –:
»Allan, Liebster, – du hast so seltsame Augen. – In der Tiefe deiner Augen schimmert etwas, das mich an dir irre machen könnte –. Es ist derselbe rätselhafte Glanz, den deine Blicke damals bei Schönholz hatten – – du weißt, als das Kollier gestohlen wurde. –
Ah – sie brachte jetzt schon das Flackerlicht der Diebesaugen mit dem Schmuck in Verbindung! –
Das war eine neue Falle! –! – Aber warte, Spionin, ich – ich werde – –.
Da war der Entschluß schon da –.
Und heute nun die Ausführung, – die doch nur halb gelang. –
Ich fand mich im Klubsessel an Allan Dogmoores Fenster sitzen. – Ich trug wie immer seine Kleider. Heute sehr noble; wie einer von den Geldsäcken: Frack, Lackschuhe –.
Nicht zum ersten Male habe ich dann, um die neugierige Meißler – etwas weniger unsympathisch als die Kremk ist sie mir doch! – zu täuschen, Allan Dogmoore im Klubsessel aufgebaut –.
Seit ich weiß, daß er und ich ein Körper, wenn auch nicht ein Geist, sind, bin ich sehr, sehr schlau geworden. Ich schütze ihn und schütze dadurch mich vor Entdeckung –. Uns beide –! – Ich muß es tun, obwohl er meinetwegen zu Grunde gehen könnte. Er steht mir so fern. Nur die Angst, daß, wenn er aufhört zu existieren, auch ich für immer verschwinden würde, läßt mich an ihn denken –.
Es ist kalte Selbstsucht also –
Ich bin dann davongeschlichen, zum Hause hinaus, unter all den Vorsichtsmaßregeln wie schon so oft –.
Bei der Kremk zog ich mich um. Den Frack hatte ich nicht mehr an. Der hing über einem Kissen. – Feiner Gedanke!!
Ich handelte wie eine Maschine, fuhr im Auto bis zur Hinterpforte des Barkschen Parkes, bezahlte den Chauffeur, tat, als ob ich in eine Villa gegenüber hineingehen wollte.
Ich kletterte nachher blitzschnell über das Gitter, schlich nach dem Pavillon –.
Ich duckte mich hinter die Sträucher, hinter die Edeltannen, deren Zweige waren schwer von Tropfen. Um mich her ein gleichmäßiges Rauschen, – Regen – Regen –.
Da – von der Tür des Pavillons glitt die Gestalt eines Mannes eiligst die Treppe hinab, – blitzschnell, als flüchte der Mensch –. Sein Gesicht sah ich nicht. Er trug einen breitrandigen, hellgrauen Filzhut mit heruntergeklappter Krempe, einen dunklen, weiten Ulster, Kragen hochgeschlagen –.
Vielleicht hat er eine gebogene, große Nase gehabt, beschwören möchte ich’s nicht. Aber ich glaubte so etwas zu erkennen – glaubte –. Es ist ja auch gleichgültig. Er ist mein Freund, er hat mir die Arbeit abgenommen –.
Der Mann verschwand hinter den Sträuchern. – Er hatte mich nicht gesehen –.
Gleich darauf stand ich vor dem Pavillon, hastete die Stufen empor. Ich hatte keine Waffe mit, – nur meine Fäuste. Ich wollte sie erwürgen, damit ich ihr noch während ihres Todeskampfes zuraunen konnte: »Das ist dein Lohn, Spionin, Schnüfflerin –!«
Ich riß die Tür auf. In Dämmerlicht lag sie vor mir auf dem Boden, schön wie immer – so schön.
Ich erschrak nicht. Ich sah nur – – den Dolch in ihrer Brust –.
»Dummer Mörder!« dachte ich. »Die Waffe hier zu lassen!«
Ich trat näher, bückte mich, zog den Dolch aus der Wunde –.
Da schlug sie noch einmal die Augen auf –.
Sie erkannte mich trotz der Verkleidung –.
Ein letztes »Allan – Allan!« –
Ein letztes Lächeln –.
Dann war sie tot –.
Ich wartete noch. Aber sie regte sich nicht mehr –.
Jetzt, wo sie mir nicht mehr schaden konnte, trieb mich irgend eine mir sonst fremde weiche Regung dazu, sie zu schmücken – vielleicht dachte ich daran, daß man einen gefallenen Feind ehren soll.
So brachte ich ihr Rosen aus dem Garten, rote Rosen, drückte sie ihr in den noch warmen Finger.
Dann verließ ich den Pavillon –.
An der ersten Edeltanne drehte ich mich nochmals um.
Beatrix stand am Fuße der Treppe – Beatrix, meine Freundin –.
Ich legte warnend den Finger auf die Lippen, bat so um ihre Verschwiegenheit –.
Sie wollte auf mich zueilen –. Sie war leichenblaß geworden –.
Ich floh –.
20. Kapitel
Als der Morgen graute …
Die Blätter des Tagebuchs flattern zu Boden.
Wieder will ein Lachen über meine Lippen –. Ich kämpfe wieder dagegen an, würgte es hinab –.
Ich sammle meine Gedanken. Es gelingt. Gelingt nur deshalb, weil eine ganz, ganz schwache Hoffnung in mir lebt, daß das Tagebuch die Wahrheit enthalten könnte –.
Dann hätte ich ja Heliante nicht getötet –!
– Produkt des verbrecherischen Hirns dieses Mädchens –!
Produkt! – – Also nicht Franz Orske hatte in seinen Blättern gesprochen, sondern Beatrix –.
Konnte das sein –?!
Ich stiere in das Licht der Schreibtischlampe. – Die grüne Glocke verschwimmt, wird zu Bäumen, Sträuchern, Rasenflächen; mitten darin ein Pavillon; ein Mann im Schlapphut und Ulster eilt die Treppe hinab –.
Der Mörder – der Mörder –.
Die grüne Glocke ist wieder da –. Jetzt wird sie lichter und lichter, formt sich zum Menschenantlitz.
Es ist Gunolt. Und er sagt: »Dieses Tagebuch, das Sie natürlich auch auf höheren Befehl geschrieben haben –.«
Ich lausche und stiere sein Gesicht an.
Das Gesicht verschwindet –.
Und die schwache Hoffnung weicht weiter und weiter zurück, verschwindet ebenfalls –.
Beatrix hat diesen Mörder im Schlapphut ersonnenen –! Es ist so –! Hat ihn ersonnen, um im schlimmsten Fall von mir, den sie liebt, jede Gefahr abzuwenden –.
Der Mörder bin ich – ich –!!
Diese Erkenntnis vermag mir jedoch nichts mehr anzuhaben. Ich bin bereits innerlich zerbrochen –.
Und doch, plötzlich packt mich eine Angst. Nur nicht wahnsinnig werden, nur nicht hinein in ein Irrenhaus! Ich reiße die eine Schublade auf, in der mein Revolver liegt –.
Erlöser Tod, ich rufe dich –!
Die Waffe ist stets geladen.
Erlöser Tod – ich rufe dich –!
Ich drücke ab –.
Kein Schuß – nichts – nur das Knacken –!
Von der Tür eine Stimme:
»Lieber Doktor, ich habe leere Patronenhülsen in die Kammer gesteckt –!«
Es ist Gunolt. – Ich hatte die Tür nicht verschlossen, als er und Heller mich verließen. Und Gunolt hat außen gestanden und gelauscht, gewartet –.