Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
mich!« unterbrach Beatrix ihn.
»Gut denn. – Ich schlage folgendes vor! Die Presse mag in gutem Glauben die Neuigkeit veröffentlichen, daß Sie, gnädiges Fräulein, und Doktor Dogmoore wegen Mordverdachts verhaftet sind. – Sie beide reisen heute sofort in meiner Begleitung nach Emden, und zwar von einer Station außerhalb Berlins, ab, wohin wir uns im geschlossenen Auto begeben. Ihre Eltern, gnädiges Fräulein, müssen ebenfalls zunächst noch in dem Glauben gelassen werden, daß sie beide Polizeigefangene sind. Bei ihrer Mutter, lieber Doktor, werden wir dann erfahren, ob Fräulein Barks Vermutung zutrifft, daß sie in ihrer Familie nicht der erste sind, der an Störungen des Seelenlebens leidet.«
Hier fiel ich Gunolt ins Wort.
»Ich bin überzeugt, daß Beatrix das richtige vermutet. Ich habe von meiner Mutter aus Anlaß von Heliantes Tod einen langen Brief erhalten, einen recht merkwürdigen. Darin finden sich Andeutungen, die ich heute erst verstehe. Diese Andeutungen über seltsame, unheimliche Gaben, die man uns Schotten noch außer dem zweiten Gesicht nachsagt, können sich nur auf ähnliches wie die Doppelpersönlichkeit beziehen. – Meine Mutter erwähnt auch ein Schreiben, das mein Vater vor seinem Verschwinden für sie zurückließ. Außerdem möchte ich meine Mutter fragen, weshalb sie sich einmal an Heliante schriftlich gewandt hat – ohne mein Wissen und ohne daß auch Heliante dieses Briefes je Erwähnung tat.«
Ich blickte Beatrix bei den letzten Worten forschend an.
Sie hatte mir ja von dem Brief erzählt …!!
Beatrix wurde rot, verwirrt … Dann sagte sie:
»Ich habe absichtlich dieses Schreiben vorhin übergangen, als ich mich von dem schweren Verdacht zu reinigen suchte. Jetzt aber muß ich wohl auch diesen Punkt aufklären. Deine Mutter schrieb damals unter anderem folgende Sätze, die sich mir ganz besonders eingeprägt haben: »Glauben Sie einer alten Frau mit vielen Lebenserfahrungen, es gibt keine Freundschaft zwischen Mann und Weib. Stets wird sie früher oder später sich in einen stärkeres Gefühl verwandeln: Liebe! – Und, wenn dies eintritt, dann bedenken Sie, daß eine solche Liebe sehr, sehr stark sein muß, um all das Schwere zu tragen, was das Schicksal mit grausamer Hand oft gerade in die glücklichsten Ehen hinein wirft. Dann bedenken Sie, daß mein Sohn einen Vater gehabt hat, der spurlos verschwand, der ein Schotte war, der von der Heimaterde auch nach Deutschland manch Außergewöhnliches gegen seinen Willen mitnahm, was nur in Schottlands Hochtälern gedeiht, – Gaben, die einen Fluch sind …« – –
So etwa hieß es in dem Brief. – Was Heliante darauf geantwortet hat, weiß ich nicht.«
Gunolt fragte jetzt:
»Besinnen Sie sich auf irgend einen Herrn Ihres Bekanntenkreisen, der eine Hakennase hat?«
Beatrix meinte, die ihr bekannten Herren kämen sämtlich nicht in Betracht.
Plötzlich fühle ich jene mir nur zu wohlbekannte Unruhe, die einem »Anfall« vorauszugehen pflegt.
Ich stehe auf, trete an das Fenster …
Die Steinplatten des Bürgersteiges gegenüber sind mit dunklen Flecken besprenkelten … Die ersten Regentropfen …
Ich warte – – auf ihn – ihn, der von ihr Besitz ergreifen soll …
Und er kommt …
Ich beobachte mich heute zum erstenmal ebenso genau, wie es Franz Orske getan hat, wenn er wieder Allan Dogmoore wurde …
Das erste sichere Anzeichen des beginnenden Austauschs der Persönlichkeiten ist ein Gefühl großer Müdigkeit. Aus dem Gefühl der Müdigkeit wird das des Ärgers, das sich bis zu einer gelinden Wut steigert.
Er, der sich dann an Gunolt wendet – Gunolt hat mir das folgende haarklein berichtet –, ist nicht mehr Allan Dogmoore …
»Was wollen Sie eigentlich hier von mir?!« schreie ich ihn an. »Und was tut diese Dame hier – ha?! Sie ist meine Freundin, ist Beatrix Bark, die Schwester der Spionin, die einer für mich beseitigte … Ich bin müde, ich will heim, – – schlafen!«
»Sie sollen den Mann beschreiben, der Heliante tötete, Franz Orske …!«
»Zum Teufel – wer sind Sie?!«
»Ich bin der Kriminalkommissar Gunolt. – Wenn Sie, Franz Orske, nicht helfen, den Mörder Heliantes zu finden, so wird Allan Dogmoore das Henkerbeil zu kosten bekommen. Und dann – das wissen Sie ganz gut! – hat auch ihr Leben ein Ende!«
»Verdammt – steht die Sache so …?! – – Beschreiben soll ich den Mann …?! - Gut – – lassen Sie mich nachdenken … Er soll ans Messer – nicht der Doktor …! – Verrückte Geschichte! – Der Doktor bin eigentlich ich. Aber ich wüßte nicht, was mir gleichgültiger wäre, ob er den Kopf verliert, wenn eben nur nicht … – Also beschreiben: Ulster – dunkel, sehr weit, – ein ungehängter Sack … Hut – hellgrau, breite Krempe, Hutkopf eingeknickt … – – Hellgrau –?! – Unsinn! Der Mann hatte doch keinen Schirm, – ist doch im Regen zum Pavillon gekommen. Und ein nasser hellgrauer Hut wird dunkel …! – Aber er war hellgrau, dabei bleibe ich! Der Kerl wird ihn untern Ulster genommen haben, als er zum Pavillon eilte, hat vorher auf dem Hinweg vielleicht eine Mütze aufgehabt … – Und sonst – – richtig – stark gebogene Nase. So ist’s …! – – Noch was?! – Hm … – Ja, er ging mit den Fußspitzen nach innen. – Mehr kann ich nicht sagen, wer weiß ich nicht …«
»Dann dürfen Sie nach Hause …«
Gunolt flüsterte Beatrix etwas zu. Er begleitete dann mich, Franz Orske, bis zum Portale des Präsidiums …
Hier verschaffte er mir noch ein Auto.
Ich ließ mich von dem Chauffeur nach dem Kriminalgericht in Moabit fahren. Dort stieg ich aus, nahm einen Taxameter und … begab mich zur Kremk …
Ich klingelte sie heraus, da ich ja den Zimmerschlüssel nicht mit hatte. Sie lockte mich in ihre Wohnung, hielt mich hin und schickte ihre Aufwärterin zur nächsten Polizeiwache …
Gunolt fing die Frau an der Haustür ab. Er war mir gefolgt, kam dann in das Wohnzimmer der Kremk und … verhaftete mich – besser den anderen, brachte mich nach dem Präsidium zurück.
Unterwegs hörte der Regen auf … Ich wurde wieder Allan Dogmoore …
Gunolt und ich saßen in einem Auto. Was inzwischen geschehen, wußte ich nicht, bis er mich darüber aufklärte.
»Ich hätte eine so vollständige Ausschaltung der Persönlichkeit des Allan Dogmoore nicht für möglich gehalten,« meinte Gunolt. »Der Regen kam zu sehr gelegener Zeit,« fuhr er fort. »Wir wissen jetzt, daß der Mörder mit den Füßen nach innen geht, und zwar doch fraglos recht auffällig …!!« –
Beatrix saß noch in Gunolts Zimmer, als wir zurückkehrten.
24. Kapitel
Im Sanatorium
Ich befinde mich in einem Sanatorium. Die Frau Oberin hat mir nach Rücksprache mit Gunolt ein Zimmer im ersten Stock angewiesen, während genau unter mir im Erdgeschoß Beatrix einquartiert worden ist.
Gunolt ist soeben gegangen; Gunolt, der jetzt über Beatrix und mich befiehlt wie ein Selbstherrscher.
Als wir von der Kremk zurückgekehrt waren, hatte er in seinem Dienstzimmer zu Beatrix und mir gesagt:
»Aus der Reise nach Emden kann nichts werden. Ich bitte Sie beide, vorläufig in aller Stille und Heimlichkeit in das Merkelsche Sanatorium überzusiedeln.«
Ich erwarte nun den berühmten Nervenarzt.
Ich hatte einen älteren, würdigen Herrn erwartet, und sah mich nun einem Mann gegenüber, der kaum älter, aber wohl noch einen halben Kopf größer als ich und recht hager war.
Die