Dr. Norden Staffel 8 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
zu erlauben und sie hinters Licht zu führen.
»Wenn das wieder einer eurer Telefonstreiche ist …«
Daniel schüttelte so energisch den Kopf, dass sie ihm endlich glaubte.
»Hallo!« Neugierig lauschte sie in den Hörer.
»Meine Güte, Mum, seit wann bist du so ein Angsthase?«
»Felix!« Mit einem Schlag strahlte Fee übers ganze Gesicht. »Von dir hab ich ja schon eine Ewigkeit nichts mehr gehört.«
»Vier Tage!«, erinnerte der zweitälteste Sohn der Familie Norden seine Mutter mit mildem Tadel in der Stimme.
»Das ist eine Ewigkeit!«, behauptete sie. »Aber du musst stolz sein auf mich. Ich hab dich nicht mit Anrufen bombardiert.« Sie verschwieg wohlweislich, dass Daniel sie jeden Abend mit sanfter Gewalt davon abgehalten hatte.
»Wahrscheinlich hat Dad heimlich meine Nummer auf deinem Handy blockiert«, ahnte Felix die Wahrheit und lachte, als seine Mutter gutmütig schimpfte.
»Frech wie eh und je!«, seufzte sie und setzte sich aufs Bett. »Wie geht es dir, mein Süßer? Was macht die Pilotenausbildung?«
»Mir raucht der Kopf von Navigation, Meteorologie, Elektrotechnik, Air Traffic Control, Aerodynamik und human performance and limitation«, zählte er die Fächer auf, mit denen er sich in der Pilotenschule herumschlagen musste, die er seit ein paar Monaten besuchte. »Deshalb bin ich froh, dass ich ein paar Tage raus darf.«
»Du hast Ferien?«
»Nicht lange. Aber genug, um an Neujahr bei euch vorbeizuschauen.«
Felicitas konnte ihr Glück nicht fassen. In diesem Jahr hatte die Familie zum ersten Mal nicht zusammen Weihnachten gefeiert. Felix war der Feier auf der Roseninsel ferngeblieben, weil er so viel lernen musste. Natürlich hatte sie Verständnis gehabt, freute sich dafür jetzt umso mehr.
»Wann genau kommst du denn?«
»Kommt drauf an, wie feuchtfröhlich Silvester wird. Ich feiere mit ein paar Freunden in der Nähe von München und fahre am nächsten Morgen mit dem Zug zu euch. Kannst du meinen Geschwistern Bescheid sagen? Ich würd mich freuen, sie mal wiederzusehen.«
Fee versprach es. Mutter und Sohn wechselten noch ein paar freundliche Worte, ehe sich Felix mit dem Versprechen verabschiedete, ausführlich über seine Ausbildung zum Verkehrspiloten zu erzählen, wenn er mit der ganzen Familie um den heimischen Tisch herum saß.
*
Der Silvestermorgen begann beschaulich in der Praxis Dr. Norden. Nur wenige Patienten hatten sich in der Vormittagssprechstunde angemeldet, am Nachmittag war ohnehin geschlossen. So bot sich die Gelegenheit, das scheidende Jahr Revue passieren zu lassen.
»Die Zeit fliegt! Zwölf aufregende Monate sind schon wieder vorbei«, sinnierte Wandy und biss in das Schmalzgebäck, dass Danny zur Feier des Tages aus der Bäckerei ›Schöne Aussichten‹ mitgebracht hatte.
»Mit den besten Grüßen und Wünschen von der Chefin persönlich«, lächelte er und wischte sich den Puderzucker von der Nasenspitze. »Und von Marla und Titus natürlich auch.«
»Letztes Jahr um diese Zeit habe ich Marla von ihrer Schwangerschaft erzählt«, mischte sich der Seniorchef in das Gespräch ein. Er stand neben seinem Sohn am Tresen. Auch er ließ sich Kaffee und Schmalznudeln schmecken. »Wenn sie gewusst hätte, was sie alles durchmachen muss, wäre der Kleine vielleicht nie auf die Welt gekommen.«
»Dabei sind Marla, Pascal und Fynn heute so eine schöne Familie.« Janine lächelte innig.
»Der liebe Gott weiß schon, warum er uns nicht zu Hellsehern gemacht hat«, erklärte Dr. Norden, als das Telefon klingelte.
»Wer wagt es, unseren Jahresrückblick zu stören?« Danny Norden lehnte sich über den Tresen und versuchte, einen Blick auf das Display zu erhaschen.
»Behnisch-Klinik.« Wendy erkannte den Anrufer schon an der Nummer. »Die Chefin persönlich.« Sie hob ab. »Ich wünsche einen wunderschönen guten Morgen, Frau Dr. Behnisch. Was kann ich für Sie tun?«
Während des kurzen Wortwechsels ruhten alle Blicke auf Wendy. Schließlich reichte sie Daniel den Hörer.
»Tut mir leid, wenn ich dich bei der Arbeit stören muss«, eröffnete Jenny das Gespräch.
Daniel sah die Schmalznudel in seiner Hand schuldbewusst an. Er entschied sich, sein Geheimnis für sich zu behalten.
»Für dich nehm ich mir immer Zeit«, versicherte er. »Was kann ich für dich tun?«
»Hoffentlich zerstöre ich mit meiner Bitte nicht deine Feiertagslaune.«
Daniel stutzte. Konnte sie Gedanken lesen?
»Wie kommst du darauf, dass wir feiern?«
Jenny lachte.
»Ich kenne euch doch. Bestimmt hat Danny ein paar Leckereien aus Tatjanas Bäckerei mitgebracht und ihr habt alle Papphütchen auf.«
»Nein, das ist so nicht richtig«, widersprach er vehement und guten Gewissens. Immerhin entsprangen die Papphütchen dem Reich der Fantasie. »Und jetzt raus mit der Sprache! Was ist los? Du machst mich wirklich neugierig.«
»Roman hat mich für ein paar Tage in ein schickes Hotel ins Zillertal eingeladen. Ich wollte dich fragen, ob du mich ab morgen Nachmittag vertreten kannst.«
Daniel dachte kurz nach.
»Das sollte kein Problem sein. Am ersten Januar haben wir sowieso geschlossen. Und um die Hausbesuche bei den Alkoholleichen kann Danny sich allein kümmern.« Er zwinkerte seinem Sohn gut gelaunt zu. »Wegen der anderen Tage frage ich gleich mal Wendy.« Er wandte sich an seine langjährige Assistentin. »Könnt ihr mich in der ersten Januarwoche entbehren? Jenny braucht mich in der Klinik.«
Wendy leckte den Puderzucker von den Fingern, wischte sie an einem Papiertuch ab und blätterte im Kalender eine Seite weiter.
»Kein Problem. Es sind nicht viele Termine eingetragen. Und im Zweifelsfall schicken wir die Patienten alle in die Klinik.«
»Du hast es gehört«, wandte sich Daniel wieder an seine Freundin und Kollegin. »Im Zweifel musst du deine Abwesenheit mit einem Patientenansturm büßen.«
»Oh, damit kann ich leben«, versicherte Jenny lachend. Sie bedankte sich bei Daniel für seine Unterstützung, ehe sie auflegte, um gleich darauf Roman anzurufen und ihm die frohe Botschaft mitzuteilen.
*
Nur einen Tag später war es so weit. Dr. Daniel Norden und seine Frau Felicitas amüsierten sich auf der Silvestergala. Es war ein herrliches Fest –, nachdem alle Hände geschüttelt und die Festreden endlich vorüber waren.
»Ein Glück, dass das niemand vorher wusste. Sonst wären alle Gäste zu spät gekommen«, raunte Fee ihrem Mann zu. Sie saßen an einem großen, runden Tisch, den sie sich mit vier weiteren Paaren – allesamt fremde Menschen – teilten.
Ein beängstigendes Grummeln ließ Daniel aufhorchen.
»Was war das?« Erschrocken sah er sich um.
»Mein Magen. Ich hab heut extra wenig gegessen, damit ich mehr Platz für das Buffet habe.« Der köstliche Duft, der zu ihnen hinüberwehte, tat ein Übriges, um Fees Magen rebellieren zu lassen.
»Worauf warten wir dann noch?«
»Darauf, dass sich der erste Ansturm legt.« Felicitas deutete auf die Menschenschlange, die sich am anderen Ende des festlichen Saals gebildet hatte. »Ich hab keine Lust auf eine heiße Schlacht am kalten Buffet.«
Doch das interessierte ihren Mann wenig. Er stand auf und zog sie an der Hand mit sich.
»Diese Absätze sind mörderisch«, beschwerte sich Fee, als sie hinter Daniel her zum Buffet stöckelte. »Was hat sich Dési nur dabei gedacht?«
»Dass du mit diesen Schuhen