Dr. Norden Staffel 8 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
bestückten Silberplatten, Tellern und Schüsseln.
»Schau dir das an!« Allein der Anblick ließ Fee die Schuhe vergessen. Das Wasser lief ihr im Munde zusammen.
Fantasievolles Fingerfood, kalte Platten, raffiniert eingelegte Vorspeisen, eine Käseauswahl und vieles mehr ließen keine Wünsche offen.
»Da werd ich ja schon vom Anschauen satt«, erklärte Fee staunend, während sie sich in die Schlange einreihten.
»Das war der Plan.« Daniel lächelte.
Sie mussten nicht lange warten, bis sie an die Reihe kamen. Mit leuchtenden Augen wie ein kleines Kind ging Fee hinter ihrem Mann her und füllte ihren Teller mit den unwiderstehlichen Köstlichkeiten.
»Und das ist noch nicht alles«, flüsterte sie Daniel zu und deutete auf das Dessertbuffet, das etwas abseits in einem anderen Teil des Saales wartete. Dort lockten Schüsseln mit Mousse au chocolat, frischer Fruchtsalat, locker-leichte Quarkspeisen und Törtchen darauf, die Gaumen der Gäste zu verwöhnen.
»Du hast ja wenigstens ein Kleid an, in dem nichts einengt«, beschwerte sich ihr Mann mit einem Blick auf seinen gut sitzenden Smoking. »Aber bei mir passt kein Gramm zu viel rein.«
»Manchmal hat es eben auch Vorteile, eine Frau zu sein«, erwiderte Fee und warf übermütig den Kopf in den Nacken. Das hätte sie lieber nicht tun sollen. Die hohen Hacken machten ihr einen Strich durch die Rechnung, und Fee knickte unvermittelt um.
Um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, ruderte sie mit den Armen. Dabei machte sich der Inhalt ihres Tellers selbstständig und flog durch die Luft. Er segelte geradewegs auf eine Frau im seidenen Abendkleid zu. Ricarda Lohmeier sah das Unglück auf sich zukommen. Sie wollte ausweichen, stolperte rückwärts und stürzte mit einem Schmerzensschrei zu Boden.
»Ricky!« Der Mann, der hinter ihr in der Schlange gestanden hatte, versuchte sie aufzufangen. Vergeblich. Es gelang ihm lediglich, ihren Aufprall zu dämpfen.
Wie an einer unsichtbaren Schnur gezogen folgten ihr Zucchiniröllchen, Kartoffelhäppchen mit Lachs und gratiniertes mediterranes Gemüse und landeten mit leisem Klatschen auf dem schönen Kleid.
»Ach, du liebes Bisschen!« Wie vom Donner gerührt stand Felicitas Norden da und starrte auf das Malheur zu ihren Füßen.
Daniel erholte sich schneller von seinem Schrecken. Er drückte Fee den Teller in die Hand und kniete neben der Frau nieder. Sie stöhnte leise. Ihr Mann hatte sich das Sakko vom Leib gerissen und bettete ihren Kopf darauf.
»Ich bin Arzt. Ist Ihnen etwas passiert?«, erkundigte sich Dr. Norden.
Intuitiv tastete er nach dem Puls. Ihre Blässe war besorgniserregend.
»Ricky ist schon seit Tagen so blass«, erklärte Manfred.
Inzwischen hatte sich auch Felicitas wieder halbwegs gefasst.
»Es tut mir so leid. Das wollte ich nicht«, stammelte sie eine Entschuldigung.
Ricarda Lohmeier rang sich ein Lächeln ab.
»Keine Sorge. Es geht schon wieder.« Sie nahm alle Kraft zusammen und wollte sich aufsetzen. Doch ihr Körper machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Ein beißender Schmerz fuhr durch ihren Leib und sie krümmte sich erneut auf dem Boden.
»Ricky, um Gottes willen! Was ist denn nur los mit dir?« Die Angst stand Manfred ins Gesicht geschrieben. Er fuhr zu Daniel Norden herum. »Bitte, Herr Doktor. Sie müssen meiner Frau helfen. Ich glaube, es geht ihr schon seit Tagen nicht gut. Sie denkt, ich merke es nicht. Aber da kennt sie mich schlecht.«
Ricarda lag am Boden und hörte ihrem Mann zu, während Fee ihr Kleid von den Essensresten befreite.
»Unsinn! Glauben Sie ihm kein Wort.« Wieder versuchte sie, sich aufzurichten. Diesmal gelang es wenigstens halbwegs. »Siehst du!« Der Triumph stand ihr ins schmale Gesicht geschrieben.
Inzwischen hatte Dr. Norden eine Entscheidung getroffen.
»Ich würde Sie gern in meine Praxis zur Untersuchung bringen«, machte er einen Vorschlag.
»Das ist wirklich nicht nötig.« Mit Manfreds Hilfe stand Ricarda wieder auf ihren Beinen, unsicher und schwankend zwar, aber immerhin. »Mir geht es gut.«
Auch Daniel war aufgestanden. Sein kritischer Blick ruhte auf Ricarda.
»Wenn Sie meinen.«
»Natürlich. Ich gehe nur schnell ins Bad und wasche mir die Hände. Dann ist alles wieder in Ordnung.« Sie schickte ein Lächeln in die Runde und drehte sich um.
Weit kam sie nicht. Nach ein paar Schritten sackte sie zusammen. Ehe irgendjemand reagieren konnte, stürzte sie zu Boden und blieb reglos dort liegen.
*
»Als ich Ricky kennenlernte, hatte ich gerade eine 25-jährige Ehe hinter mir«, erzählte Manfred Lohmeier, als er neben Felicitas Norden in einem der Aufenthaltsräume saß, die in der Behnisch-Klinik für die Angehörigen der Patienten bereit standen. »Ich dachte, ich wüsste alles, was ein Mann über die Liebe wissen kann. Und dann traf ich sie und nichts war mehr so wie vorher.« Er lächelte versonnen, und Fee unterbrach ihn nicht. Für ihren Geschmack dauerte die Untersuchung schon viel zu lange. Doch sie wollte Manfred nicht beunruhigen. Deshalb hörte sie ihm andächtig zu. »Das ist inzwischen sieben Jahre her. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass die Gefühlsskala mit Ricky nach oben offen ist. Gegen das, was ich für sie empfinde, war meine Ehe nichts weiter als eine gute Freundschaft.«
Felicitas nickte versonnen.
»Mir geht es mit meinem Mann auch so. Mit dem Unterschied, dass wir schon fast unser ganzes Leben zusammen sind.«
Manfred saß auf dem Stuhl, die Ellbogen auf die Oberschenkel gestützt, und starrte auf den Boden. Er nickte langsam.
»Dann wissen Sie ja, wovon ich spreche«, seufzte er. »Das Schlimmste, was mir passieren kann, ist Ricky zu verlieren.«
»Um Himmels willen! Wo denken Sie hin?«, tadelte Felicitas Norden ihren Gesprächspartner. »Mein Mann ist gerade erst dabei, Ihre Frau zu untersuchen, und Sie lassen sie schon sterben?« Deutlicher Vorwurf schwang in ihrer Stimme mit.
Manfred knetete die kalten Hände.
»Ich weiß. Aber ich hab solche Angst davor.«
»Das ist nicht nötig«, versicherte Fee. »Mein Mann und ich sind seit vielen Jahren sehr gut mit der Klinikchefin befreundet. Ich kann guten Gewissens behaupten, dass Ihre Frau hier in den besten Händen ist, die München zu bieten hat. Hier arbeiten hervorragende Ärzte. Es stehen die neuesten medizinischen Geräte zur Verfügung. Seien Sie unbesorgt!«
Manfred wusste nicht, was ihn mehr tröstete: Fees Worte oder der samtweiche Tonfall, in dem sie mit ihm sprach.
»Ich vertraue Ihrem Mann ja auch«, versicherte er, als die ersten Raketen draußen die Ankunft des neuen Jahres ankündigten.
Fee sah auf die Uhr.
»Es ist drei Minuten vor zwölf. Kommen Sie! Wir schenken uns einen Orangensaft ein und stoßen an.«
Ohne lange zu fackeln, ließ sie ihren Worten Taten folgen. Nur zwei Minuten später stand sie Seite an Seite mit Manfred Lohmeier am Fenster.
»..drei, zwei, eins … Prosit Neujahr!«, rief sie ihm fröhlich zu, als die Raketen krachten.
Bunte Fontänen brachten den Nachthimmel zum Glühen. Große Silberblinkerbuketts, durchzogen von tiefblauen und roten Sternen, erstrahlten und verglühten wieder, begleitet von lautem Krachen. Goldener Regen tropfte auf die Zuschauer hinab und erlosch über den Dächern. Selten zuvor hatte Fee ein Feuerwerk derart ungestört beobachtet. Dieser Anblick entschädigte sie für vieles, worauf sie an diesem Abend verzichten musste.
»Da! Sehen Sie nur! Das da drüben sieht aus wie Myriaden von Sternschnuppen!«, rief sie, als eine besonders schöne Rakete erstrahlte. »Wir müssen uns was wünschen!« Sie schloss die Augen und schickte