Dr. Norden Staffel 6 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
»Das könnten Sie hier genauso tun. Die Computer funktionieren ganz hervorragend.«
»Aber ich funktioniere besser, wenn Sie nicht in der Nähe sind«, konnte sich Fee einen entsprechenden Kommentar nicht verkneifen und löschte das Licht. »Es macht Ihnen doch nichts aus, wenn ich Sie jetzt einschließe?«
Nur ein schmaler Lichtschein fiel vom Flur ins Zimmer, und notgedrungen erhob sich Volker Lammers.
Seine Miene war grimmig, als er an seiner Vorgesetzten vorbei aus dem Büro stapfte.
»Das wird Ihnen noch leid tun«, knurrte er, und Fee schnitt in seinem Rücken eine Grimasse, ehe sie in die andere Richtung davonging.
Weit kam sie allerdings nicht. Fast sofort wurde sie auf eine Frau aufmerksam, die im Morgenmantel über den Klinikflur irrte. Sie war sichtlich aufgeregt und sah sich immer wieder um. Als sie Felicitas erblickte, hellte sich ihre Miene auf.
»Entschuldigen Sie, aber ich kann nicht schlafen. Die Männer … sie sind hinter mir her.« Während sie sprach, hob und senkte sich ihre Brust schnell unter dem türkisfarbenen Morgenmantel.
Fee bemerkte sofort, dass die Patientin panisch war, und reagierte entsprechend.
»Bitte regen Sie sich nicht auf.« Sie fasste die Frau am Arm und zwang sie, ihr in die Augen zu sehen. »Hier sind Sie in Sicherheit. Es kann Ihnen nichts passieren.« In ihrer Ausbildung zur Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie hatte sie gelernt, wie man mit panischen Menschen umging. Obwohl sie die Ausbildung zugunsten der Stelle der stellvertretenden Chefin der Pädiatrie abgebrochen hatte, profitierte sie immer wieder von dem Wissen. Auch diesmal hatte sie Erfolg, und die Patientin beruhigte sich schnell.
»Vielen Dank.« Als sie sah, dass tatsächlich niemand über den Flur kam, atmete sie auf. »Sie sind mein rettender Engel.«
»Schön wär’s«, lächelte Fee. »Und auch auf die Gefahr hin, dass ich Sie enttäuschen muss: Ich bin nur Ärztin auf der Kinderstation.«
Aus dem Augenwinkel bemerkte sie eine Bewegung und wandte den Kopf um. Niemand anderer als Dr. Lammers trieb sich immer noch in ihrer Nähe herum. Obwohl er vorgab, sich ganz und gar auf den Kaffeeautomaten auf dem Flur zu konzentrieren, wusste Felicitas, dass es die Neugier war, die ihn dort festhielt. Doch im Augenblick hatte sie Wichtigeres zu tun, als sich darüber aufzuregen, und sie wandte sich wieder ihrer Patientin zu. »Auf welcher Station liegen Sie denn?«
Diese Frage konnte die Frau nicht beantworten.
»Ich weiß nicht«, murmelte sie nach kurzer Bedenkzeit. »Ich hab irgendein Schlafmittel bekommen, bevor die Schwester gegangen ist. Zuerst wurde ich auch müde. Aber dann sind die Männer wieder gekommen.« Wieder huschten die Augen der Frau umher.
Fee beschloss, pragmatisch vorzugehen.
»Wenn Sie mir Ihren Namen verraten, kann ich herausfinden, auf welcher Station Sie liegen.«
»Heike Moebius«, teilte ihr die Frau bereitwillig, mit und nach einem Telefonat mit der Zentrale wusste Felicitas Norden Bescheid.
»Kein Wunder, dass Sie sich verlaufen haben«, erklärte sie Heike, als sie sich mit ihr auf den Weg machte. »Sie wurden ja erst heute eingeliefert. Ich bringe Sie zurück auf Ihre Station.
Sehr zu Dr. Lammers Bedauern schlossen sich die Glastüren hinter den beiden Frauen, sodass er das Geschehen nicht weiter mitverfolgen konnte.
»Sie sind sehr nett. Es tut mir leid, wenn ich Ihnen Umstände bereite«, entschuldigte sich Heike Moebius unterwegs. »Jetzt müssen Ihre Patienten auf Sie warten.«
»Ich habe Feierabend. Heute wartet nur noch meine Familie auf mich. Und die ist es gewohnt, dass es später werden kann«, winkte Fee guter Dinge ab.
»Sie haben es gut«, seufzte Heike, als sie durch eine weitere Glastür traten. »Auf mich wartet niemand.«
Schon von Weitem hatte Fee die Schwestern entdeckt, die aufgeregt über die Flure huschten.
»Das würde ich so nicht sagen«, erklärte sie und winkte Schwester Elena, der bei Heike Moebius’ Anblick ein Stein vom Herzen fiel.
»Da sind Sie ja, Frau Moebius!«, begrüßte sie die verloren geglaubte Patientin. »Wir haben uns schon Sorgen gemacht.«
»Dann sollten Sie mal lieber nicht sämtliches Pack hier in die Klinik lassen«, konterte Heike erbarmungslos. »Um ein Haar hätten mich diese Typen geschnappt.«
Elena schickte Fee einen fragenden Blick. Da aber auch die Ärztin nur mit den Schultern zucken konnte, fasste die Schwester ihre Patientin am Arm.
»Ich bringe Sie jetzt zurück auf Ihr Zimmer. Bei der Gelegenheit können wir nachsehen, ob da jemand ist«, machte sie einen Vorschlag, der Heike Moebius’ Anklang fand.
Doch sie hatte eine Bedingung.
»Die Frau Doktor soll mitkommen«, verlangte sie und deutete auf Felicitas, die dem Wunsch sofort Rechnung trug. Schwester Elenas Vermutung bestätigte sich. Das Zimmer war leer, und nachdem Heike Moebius nach einer weiteren Schlaftablette endlich entschlummerte, verließ sie gemeinsam mit Dr. Felicitas Norden das Zimmer.
»Dafür, dass Frau Moebius heute Nachmittag eine ordentliche Portion Schmerzmittel und vorhin noch eine Schlaftablette bekommen hat, war sie ganz schön munter.« Zwischen Elenas Augen war eine Falte aufgetaucht.
»Vielleicht steht sie noch unter Schock und ist aufgewühlt von dem Unfall«, stellte Felicitas Vermutungen an. »Da kann es schon mal vorkommen, dass die Patienten nicht wie gewohnt auf Medikamente ansprechen.«
»Dein Wort in Gottes Ohr!«, seufzte Schwester Elena, die schon oft mit der Ärztin zusammen gearbeitet hatte. »Es war übrigens dein Mann, der sie heute eingeliefert hat.«
»Daniel?« Fee konnte es nicht glauben. »Der hat wohl immer seine Finger im Spiel.«
Elena lachte, und die beiden Frauen unterhielten sich kurz.
Nach ein paar Minuten schaute Fee noch einmal nach Heike und stellte fest, dass sie friedlich in ihrem Bett schlief. Endlich konnte sich auch die Ärztin auf den Nachhauseweg machen. Im Gepäck hatte sie das Rätsel um Heike Moebius’ Immunität gegen Sedativa und hoffte, es mit Hilfe ihres Mannes lösen zu können.
*
»Ich habe Gerichte für Menschen mit Laktoseintoleranz eingeplant und welche für Vegetarier. Nussallergiker kommen genauso auf ihre Kosten wie Diabetiker.« Tatjana Bohde stand in der Backstube und starrte auf die große Pinwand, die sie über einer der Arbeitsflächen befestigt hatte. Normalerweise hingen dort immer die Kundenbestellungen. Die hatten aber den Plänen fürs Buffet weichen müssen, das Tatjana für Marlas Hochzeit plante. Sie waren in extragroßer Schrift geschrieben, damit auch sie sie lesen konnte. »Nur für Veganer habe ich nichts.«
Marianne, die an ihrem Arbeitsplatz saß und die Oberfläche einer Torte kunstvoll mit dem Konterfei eines Jubilars verzierte, sah von ihrer Arbeit auf. Ihre Augen waren gerötet von der Konzentration, und sie musste ein paar Mal blinzeln, ehe sie auch auf die Ferne wieder klar sehen konnte.
»Entspann dich!«, riet sie ihrer Chefin. »Du kannst nicht alle glücklich machen. Schließlich bist du kein Glas Nuss-Nougat-Creme.«
»Dafür hab ich ein Herz aus Schokolade«, grinste Tatjana und beschloss, Feierabend zu machen. Café und Bäckerei waren längst geschlossen, und so sah sie Marianne fragend an. »Brauchst du noch lange?«
Die Tortenkünstlerin hatte sich wieder ihrer Arbeit zugewendet. Es war faszinierend zu sehen, wie sie mit ein paar an den richtigen Stellen gesetzten Strichen dem Konterfei Charakter verlieh und es fast zum Leben erweckte.
»Wenn die hier fertig ist, hab ich noch eine Torte für morgen zu machen«, erwiderte sie, ohne den Kopf zu heben. »Eine Kundin wünscht sich für ihre amerikanische Tante Schloss Neuschwanstein. Und bitteschön so naturgetreu wie möglich.«
»Hui, da hast du dir ja was vorgenommen.« Tatjana stieß