Dr. Norden Staffel 6 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
ihrer Arbeit inne und betrachtete kritisch ihr fast fertiges Werk. Hier und da fehlte noch etwas, und sie ergänzte das essbare Kunstwerk so lange, bis sie zufrieden war. »Mein Job passt quasi perfekt zu seinem.«
Tatsächlich waren die Beziehungen des leidenschaftlichen Arztes Dr. Mario Cornelius bisher immer an seinen unmöglichen Arbeitszeiten gescheitert. Höchstens alle paar Wochen eine freies Wochenende, wechselnde Arbeitszeiten und 24-Stunden-Dienste hatten ihm wie so vielen anderen Ärzten auch einen Strich durch die Rechnung gemacht. So nahm es nicht wunder, dass er eine wahre Beziehungsodyssee hinter sich hatte, ehe er die um acht Jahre ältere Marianne Hasselt kennengelernt hatte. Ihr Sohn Tobias war sein Patient gewesen, und über seiner Behandlung und Mariannes anschließendem Krankenhausaufenthalt waren die beiden sich näher gekommen. Seit Monaten führten sie eine harmonische Beziehung, und das trotz seiner Arbeitszeiten und ständigen Abrufbarkeit. Marianne führte ein eigenständiges, erfülltes Leben, hatte Verständnis und verhielt sich entsprechend.
»Und Tobias?«, erkundigte sich Tatjana.
Marianne lachte.
»Der ist froh, wenn er sturmfrei hat und ich ihn nicht ständig an die Wollmäuse in seinem Zimmer erinnere.«
»Na, dann kann ich ja beruhigt heimgehen und mich erkundigen, wie es der Frau inzwischen geht, die die Standhaftigkeit der Ampelanlage testen wollte.« Sie winkte ihrer Mitarbeiterin und machte sich auf den Weg nach draußen, wo Danny schon im Wagen auf sie wartete.
»Da bist du ja endlich!«, begrüßte er sie und hielt ihr die Tür auf. »Wenn wir uns nicht beeilen, fällt das verfressene Volk ohne uns über Lennis Lachslasagne her und wir bekommen nur noch die kläglichen Reste.«
»Lachslasagne!« Entgeistert starrte Tatjana ihren Freund an. »Warum sagst du das nicht gleich. Dafür töte ich.«
»Eben deshalb hab ich vorher nichts gesagt«, grinste der junge Arzt und startete den Wagen. »Ich wollte nichts riskieren.«
Doch als sich das Paar zu den übrigen Familienmitgliedern an den Tisch gesellte, erlebte es ein Wunder. Das Essen war noch nicht serviert. Stattdessen waren Daniel, Fee und Felix in eine angeregte Diskussion vertieft.
»Also ich tippe auf Alkohol oder Drogen«, tat der zweitälteste Sohn der Familie seine Meinung über Heike Moebius kund, als sich Tatjana und Danny an den Tisch setzten.
Nachdem er die beiden Nachzügler begrüßt hatte, ließ sich Daniel die Vermutung seines Zweitältesten durch den Kopf gehen.
»Das könnte sein. Aber letztlich kommt alles in Frage, was den Stoffwechsel durcheinander bringt.«
Danny schenkte seiner Freundin ein Glas Wasser ein, während er das Gespräch verfolgte.
»Um was geht’s denn eigentlich?«, nutzte er eine Sprechpause.
»Ach, das weißt du nicht?« Felix wandte sich seinem Bruder zu und betrachtete ihn in gespieltem Entsetzen. »Dabei bist du doch schon immer so klug.«
»Deshalb wollte ich dir auch mal einen Informationsvorsprung lassen, wenn’s mit deiner Karriere als Ergotherapeut nicht so klappt«, ließ sich Danny nicht beeindrucken.
»Das war gemein«, beschwerte sich Felix. »Was kann ich dafür, dass mich diese Schnepfe von Riemerschmidt pausenlos schikaniert?«
»Riemerschmidt und Lammers, das wäre doch das Traumpaar schlechthin«, warf Fee ein, ehe der geschwisterliche Zwist in einen richtigen Streit ausarten konnte, selbst wenn das nicht Felix’ Absicht war.
»Das ist in der Tat eine großartige Vorstellung«, lachte Daniel und beugte sich hinüber zu seiner Frau, um ihr einen Kuss auf die Wange zu drücken. »Wer weiß, vielleicht würde das Liebesglück beide in erträgliche Zeitgenossen verwandeln.«
»Wir werden es leider nie erfahren«, seufzte Felicitas und sah hinüber zu Lenni, die ins Esszimmer kam. In den behandschuhten Händen trug sie eine dampfende, duftende Schale. »Glücklicherweise werden wir anständig entschädigt. Für Lennis Lachslasagne würde ich noch auf ganz andere Dinge verzichten.« Ihre Augen glänzten.
Tatjana rieb sich erwartungsvoll die Hände.
»Das ist so lieb von dir, dass du extra mit dem Essen auf uns gewartet hast«, lobte sie die Haushälterin der Familie Norden, die über die Jahre zu einem unverzichtbaren Familienmitglied avanciert war. Und das lag bei Weitem nicht nur daran, dass sie so gut kochen konnte.
Statt einer Antwort stellte Lenni die Schale auf den Tisch und begann, die Lasagne in großzügige Stücke zu teilen. Ihre Wangen leuchteten in schönstem Rot und sie murmelte Unverständliches vor sich hin.
»Ich fürchte, ich muss dich enttäuschen. Ganz so war es nicht«, konnte sich Felix nicht beherrschen, die Wahrheit zu erzählten. Die Geschichte war zu schön, um sie nicht zum Besten zu geben. »Lenni hat heute nämlich schon an Gespenster geglaubt. Der Lachs, den sie nämlich zum Auftauen auf die Fensterbank gelegt hat, ist spurlos verschwunden. Nur die Tüte war noch übrig.«
»Was kann ich denn dafür, wenn in der Nachbarschaft eine neue Katze rumstreicht und ihr Unwesen treibt«, verteidigte sich Lenni mit all der Leidenschaft, derer sie fähig war. »Schließlich haben Katzen nicht die Eigenschaft, an der Haustür zu klingen und sich als neue Nachbarn vorzustellen.«
Dieses Bild war zu schön und brachte alle zum Lachen. »Aber jetzt solltet ihr essen, bevor es kalt wird«, wies die Haushälterin ihre Familie hin- und verschwand wieder in der Küche, um dafür zu sorgen, dass nicht auch noch die Nachspeise auf wundersame Art und Weise verschwand.
Das ließen sich die hungrigen Mäuler nicht zwei Mal sagen und machten sich über die Mahlzeit her.
»Was für ein Tag!«, seufzte Daniel Norden, als er sich nach dem Essen zurücklehnte. »Zuerst Janines Spukgeschichte, dann der Spuk in der Klinik mit der verunfallten Frau. Das Telefonat mit Marla, die nichts von ihrer Mutter wissen will und jetzt auch noch Gespenster in Katzenform, die unseren Fisch klauten.«
Er hatte noch nicht ausgesprochen, als Tatjana ihre großen, dunkelblauen Augen auf ihn richtete.
»Das ist Marlas Mutter in der Klinik?«, hatte sie blitzschnell die richtigen Schlüsse gezogen.
»Ach, stimmt, das hab ich völlig vergessen, dir zu erzählen«, gestand Danny. »Dad hat es zufällig rausgefunden und Marla angerufen, um sie darüber zu informieren, dass ihre Mutter hier in der Klinik liegt. Doch die wollte nichts davon wissen. Sie hat behauptet, keine Mutter mehr zu haben«, berichtete er in Kurzform von dem, was geschehen war.
»Das ist ja wirklich merkwürdig«, musste auch Tatjana eingestehen. »Ich weiß zwar, dass sie keinen Kontakt zu ihren Eltern hat. Aber dass sie sich noch nicht mal dafür interessiert, wenn ihre Mutter in der Klinik liegt, ist schon mehr als bedenklich. So gefühlskalt ist sie doch gar nicht.«
»Wirklich nicht.« Entschieden schüttelte Danny den Kopf. »Meiner Ansicht nach muss zwischen den beiden mehr passiert sein als nur ein Streit wegen Schule und Malerei. Aber ich hab schon zu Dad gesagt, dass es nicht unsere Sache ist, uns da einzumischen. Schon gar nicht nach den Problemen mit dem Baby. Marla sollte sich auf keinen Fall aufregen.« In diesem Moment war er ganz Arzt, der sich für das Wohlergehen seiner Patientin und ihres ungeborenen Babys einsetzte.
Eine Haltung, die Daniel Norden mit einem zufriedenen Lächeln quittierte. Trotzdem war er nicht ganz einverstanden mit seinem Sohn.
»Auf der einen Seite hast du natürlich recht«, gestand er Danny einen Teilsieg zu. »Aber wenn sich herausstellt, dass Frau Moebius Alkohol- oder gar Drogenprobleme hat, dann müssen wir Marla informieren. Das ist unsere Pflicht. Sie ist die nächste und einzige Angehörige, von der wir wissen.«
Während Tatjana der Diskussion um ihre Mitarbeiterin gelauscht hatte, hatte sie den Durchgang zur Küche nicht aus den Augen gelassen. So war sie die Erste, die Lenni bemerkte, die im Begriff war, die Nachspeise zu servieren.
»Ihr könnte euch ruhig weiter die Köpfe um Marla und ihre Mutter heiß diskutieren.« Wie immer, wenn es um Süßigkeiten und Naschwerk