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Im Sattel durch Zentralasien: 6000 Kilometer in 176 Tagen. Erich von SalzmannЧитать онлайн книгу.

Im Sattel durch Zentralasien: 6000 Kilometer in 176 Tagen - Erich von Salzmann


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Abstieg auf Serpentinen. Ich wollte eigentlich nach Schachoa, an der großen Straße nach Pautingfu, und bekam es allmählich mit der Angst zu tun, als immer noch kein Haus in Sicht kam. Gegen 4¾ Uhr passierten wir rechts einen Tempel, der genau wie ein Schweizerhäuschen aussah, eine halbe Stunde später fanden wir endlich im Tale eine Ansiedlung mit einem Gasthause, Cho-cho. Es war zwar alles etwas teuer, und außerdem war das Unterhandeln mit Schwierigkeiten verknüpft, da die Leute dieser abgelegenen Gebirgsgegend einen ganz merkwürdigen Dialekt sprechen; ich war aber froh, daß ich untergekommen war und bezahlte daher gern etwas mehr. Am Abend nahm ich zum Entsetzen der versammelten Dorfjugend ein Bad in dem eiskalten, an dem Gasthaus vorüberfließenden Bach.

      Der 10. Oktober brachte uns morgens nach dem ungefähr 15 Kilometer entfernten Schachoa. Wir marschierten zwischen senkrechten, bis 150 Meter hohen Lehmwänden, in denen große Höhlen sind, die von den Bauern als Scheunen, zum Teil auch als Wohnungen benutzt werden. Das Wu tai-Gebirge war heute ganz in Wolken. Gegen 9½ Uhr waren wir in Schachoa, das inmitten von Bäumen hübsch gelegen ist. In einem der großen Gasthäuser bekamen wir alles, was wir haben wollten, und Sattler wie Schneider wurden in Nahrung gesetzt. Entsetzlich war die Neugierde der Menschen; sie bohrten sich mit nassen Fingern stets kleine Löcher in die Papierfenster, bis ich, rücksichtslos das Fenster durchstoßend, einen mit dem Stock mitten auf die Nase traf. Daraufhin erfolgte allgemeiner Rückzug auf zwanzig Schritte. Meine Ponies waren recht pflastermüde, aber da uns gerade ein von Wu tai kommender Lama erzählte, daß in einer Entfernung von ungefähr 20 Kilometer eine gute Herberge läge, beschloß ich trotzdem, weiter zu marschieren. Die ganze Stadt begleitete uns bis hinaus. Im schönsten Sonnenschein ging es durch die vielleicht sieben Kilometer breite, leicht gewellte Ebene, aus der dann das Gebirge schroff und ganz plötzlich aufsteigt. Alle Steine, die die Leute von den Feldern aufsammeln, werden auf die Wege geworfen, so daß sich diese in einem für die Pferdebeine wenig angenehmen Zustande befinden.

      Ich konnte mich hier mit den Leuten überhaupt nicht verständigen, meinem Mafu gelang es auch nur mit großen Schwierigkeiten; er mußte alles erst ein- bis zweimal wiederholen. Ein lustiger Chinese, der scheinbar einen zu viel getrunken hatte, bot uns Schnaps an. Es scheint hier jeder sein Schnäpschen täglich zu nehmen, wenigstens versicherte es der Chinese. Wir trafen merkwürdig viele Leute mit weißen Trauerabzeichen; die Cholera soll hier im Volke ziemlich gehaust haben.

      Gegen 4 Uhr waren wir in Tung-hsi-nien, einem einzelnen Gehöft, das einen recht verlodderten Eindruck machte. Neben dem Gehöft liegt ein schöner Besitz eines reichen Chinesen. Wir sollten im Kulischlafzimmer unterkommen, ich nahm aber lieber in der Kartoffelkammer Platz; jedoch auch hier erwischte mich das Ungeziefer. In der Gegend wird ein ganz leidlicher Hafer gebaut; das ganze Plätzchen ist wirklich idyllisch in dieser Felswüste gelegen.

      Am nächsten Morgen, den 11. Oktober, gings ohne Frühstück weiter. Im Steingeröll liegen zuweilen kleine Felder, die unter unendlicher Mühe dem felsigen Boden abgerungen sein müssen; rings herum haben sie hohe Steinwälle. Zu beiden Seiten des Tales steigen fast senkrechte Wände Hunderte von Metern empor, im Grunde fließt ein Bach, den wir oft kreuzten. Ganz vereinzelt tauchten von weitem dürftig bewaldete Kuppen auf. Der Himmel bezog sich mehr und mehr, und da es anfing leicht zu regnen, zog ich es um 10½ Uhr vor, in der hübsch gelegenen Herberge von Sze-ping einzukehren. Wir hatten gerade den zehn Kilometer langen, hohen, beschwerlichen Paß vor uns. Bis auf unreif geschnittenen, unausgedroschenen Hafer gab es für die Pferde nichts zu fressen. Nach langem Parlamentieren bekam ich für uns etwas Mehl und sieben Eier, so daß der Mafu wenigstens Brot backen konnte. Den Pferden gab ich als Zusatz noch gestampfte Kartoffeln, die sie zwar nicht gern fraßen, aber schließlich doch nahmen. Der Erfolg war denn auch, daß sie am Abend unglaublich dicke Bäuche hatten.

      Es regnete den ganzen Tag weiter, und dem Regen hatte ich es wohl zu verdanken, daß ich nicht weiter belästigt wurde. Das Dorf hatte sowieso nicht viele Einwohner, und diese mußten mich schließlich alle gesehen haben. Am Abend kam der Wirt und machte mich darauf aufmerksam, daß die Sze-pinger recht gerne stehlen und schon einmal in demselben Zimmer einen Reisenden, jedenfalls wohl keinen Europäer, ausgeplündert hätten. Ich sagte ihm, er möchte den lieben Mitbewohnern mitteilen, daß ich sofort schießen würde, sowie einer es wage, nachts durch Tür oder Fenster hereinzuklettern. Natürlich legte ich vorsichtshalber meine Mauserpistole neben mein Lager, hatte aber nicht nötig, irgendwie davon Gebrauch zu machen.

      Am nächsten Morgen hatte der Regen aufgehört, mir fiel jedoch auf, daß die gesamte Maultiertreibergesellschaft, die, Stangenholz nach der Ebene bringend, mit uns in derselben Herberge übernachtet hatten, wohl die Packsättel aufgelegt, hatten, jedoch die Lasten noch im Hause unter Dach und Fach stehen ließen und gar keine Anstalt machten, aufzubrechen, obwohl sie sonst um diese Zeit längst unterwegs zu sein pflegten. Auf mein Befragen zeigten sie nordwärts auf den Himmel. Der Mafu erklärte mir bald, daß sie aus Furcht vor dem im Paß zu erwartenden Nebel nicht abzogen. Ich riskierte es, zu marschieren und geriet natürlich gerade mitten im Paß in den Nebel. Gott sei Dank ohne den Weg zu verfehlen. Wir mußten die Pferde führen, zumal die Straße sehr schlecht und kaum zu erkennen war, da der gestrige Regen alle Spuren fortgewischt hatte. Bei dem oftmaligen Kreuzen des heute ziemlich viel Wasser führenden Baches wurde man unten herum bald ganz naß, da die Steine, auf denen man sonst übergeht, unter Wasser waren. Die Berge sind nicht mehr so schroff, und man sieht öfter bewaldete Kuppen; an einigen Hängen war merkwürdig hoch hinauf Hafer angebaut, der jetzt noch nicht reif war. Nach zwei Stunden begann der Aufstieg zum Paß, nach einer ferneren Stunde kam es aus Norden wie eine dicke weiße Wand, und binnen fünf Minuten waren wir im undurchdringlichsten Nebel; wir konnten nicht mehr fünf Schritte weit sehen. Ich ging, die beiden Reittiere führend, voran, immer dicht vor mich hin auf den Weg sehend. Ein paar Mal waren wir doch von den sich von fünf zu fünf Metern folgenden Serpentinen abgekommen, fanden uns aber immer wieder zurecht; ein Absturz wäre wenig angenehm gewesen. Allmählich löste sich der Nebel in Regen auf, und als wir noch höher kamen, wurde Hagel und Schnee daraus. Gegen 11¼ Uhr hatten wir die Paßhöhe erreicht. Wir merkten es schon vorher, denn der Wind sprang nach Süden um, also mußten wir oben sein. Es herrschte eisige Kälte, aber von Zeit zu Zeit hatten wir kurze Durchblicke.

      Ich machte kurze Rast und nahm mein karges Frühstück, aus einigen harten Eiern und Äpfeln bestehend, zu mir, dann gings an den Abstieg. Gegen 12 Uhr verzog sich der Nebel, und nach ganz kurzer Zeit schien die schönste Sonne. Vor uns lag das Wu tai schan-Tal. Von weitem sah man rote Tempelmauern und zwischen hohen Bäumen gelegene weiße Pagoden; näherkommend unterschieden wir viele auf Hügeln verstreute Tempelgruppen, die sich um einen Kessel, in dem die Stadt liegt, gruppierten. Auf einem vorspringenden Rücken lag eine lange Gruppe von Gebäuden mit gelben und blauen Porzellandächern und goldenen Knäufen, es war die Wohnung des Ta-lamas. An den Berghängen lagen unzählige große und kleine flaschenförmige Pagoden; es waren die Gräber der hier verstorbenen Mönche oder Pilger. Überall und überall entdeckten wir weitere Tempelgruppen, und schließlich sahen wir, daß alle das Tal umgebenden Höhen von Tempeln gekrönt waren, was ein ganz reizendes Bild bot.

      Ein freundlicher Chinese führte uns zu dem Gasthaus, in dem die Leute sehr entgegenkommend waren; auch hier hielt man mich für einen Amerikaner. Wir bekamen alles, was wir wünschten; ein Schuster flickte meine infolge des vielen Watens durch die Bäche in Brüche gehenden Stiefel. Nach dem Essen ging ich in die Stadt. Über den das Tal durchströmenden Bach geht eine breite Brücke, links liegt ein ummauerter Hain mit Lamagräbern, weiterhin die Ställe der Priester, jedoch ohne Tiere. Es folgen rechts wiederum Tempel, die Anlage ist unregelmäßig; wahrscheinlich ist sie zu verschiedenen Zeiten entstanden. Die Wohnungen der Priester sind höchst schmutzig und verkommen, auch sieht man sehr viele Kranke, besonders scheint eine Augenkrankheit verbreitet zu sein. Sämtliche Straßen sind mit Steinen gepflastert. Ich trat in einen der Tempelhöfe, um mir die Anlage anzusehen. An sich ist sie regelmäßig, die Tempel im Innern wundervoll reich ausgestattet, auf der letzten Terrasse liegt ein über und über vergoldetes Tempelchen, ganz aus Metall erbaut. Ein uralter Priester öffnete es und zeigte uns stolz, wie tadellos sauber es überall darin war. Vor dem Tempelchen steht eine ganz vergoldete Pagode aus übereinander stehenden Kegeln. Ich hatte kein Geld bei mir, es wurde auch kein Trinkgeld gefordert, aber als ich nichts gab, laut hinter mir hergeschimpft. Es regnete wieder sehr viel. Am Abend nach der Rückkehr besuchten mich viele


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