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Sechs Jahre in Surinam. August KapplerЧитать онлайн книгу.

Sechs Jahre in Surinam - August Kappler


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Länder. Man glaubte, dass die heisse Luft in den Sümpfen Guyana's nur Mosquittos und Reptilien ausbrüte, und Epidemien und Fieber ununterbrochen aufeinander folgen, und der Ruf der Sklaverei, unter der die armen Schwarzen seufzten, wirkte noch unheimlicher auf die Phantasie, die so häufig das Wahre und Wahrscheinliche verwirft, um sich am Mährchenhaften und Unglaublichen anzuklammern. Dazu kamen noch manchmal die übertriebenen Berichte von katholischen und protestantischen Missionären, die im Interesse ihrer Congregationen die Zustände schilderten, oder ihre Leistungen ausschmückten, um fromme Seelen zum Abscheu und zu Beiträgen zu bewegen; kurz man schauderte vor beiden Colonien, nur Erbschafts-Candidaten schlossen sie in ihr Gebet ein.

      Ich habe beim Niederschreiben dieser Blätter mich blos meiner und nicht anderer Erfahrungen bedient, sie sind aber genau und wahr und ich glaube den Zweck, durch diese Skizzen zur Kenntniss der socialen und naturwissenschaftlichen Verhältnisse Surinam's beizutragen, damit zu erreichen.

      Stuttgart, im Juni 1853.

      A. Kappler.

       Ursachen der Abreise. Anwerbung in Amsterdam. Ankunft und Aufenthalt in Harderwyk. Einschiffung in Hellevoetsluis. Lebensweise an Bord. Strafexecution. Abreise. Beschäftigungen während der Ueberfahrt. Seepolypen. Anblick des Landes. Einfahrt in den Surinam. Ausschiffung und Aufenthalt auf Forteress Amsterdam. Der Mangobaum.

       Inhaltsverzeichnis

      Ohne eine vorherrschende Neigung für das eine oder andere Fach, das meine bewegliche Individualität besonders angezogen hätte, wählte ich in meinem vierzehnten Jahre das des Handelstandes, wiewohl ich ohne alles Vermögen blos die Aussicht hatte, in ewig subalterner Rolle mein Leben lang hinterm Ladentische fungiren zu müssen, wenn nicht das zweifelhafte Glück mir zur Selbstständigkeit verhülfe.

      Durch den Tod meines Lehrherrn musste ich St. verlassen, und, da meine Lehrzeit noch nicht beendigt war, im Laden eines Specereihändlers in einem kleinen Landstädtchen vollends ausstudiren.

      Es war auch in der That ein Studium, mir die neuen Verhältnisse eigen zu machen: kaum graute der Morgen, als man zum Verkaufe von Tabak, Zucker und Kaffee das Bett verlassen musste, und regelmässig beschien die aufgehende Sonne Haufen frisch gepappter Tüten verschiedenen Kalibers. Zimmt stossen und Pfeffer mahlen waren kleine Intermezzo's im Ciklus der täglichen Geschäfte, und mit dem Behängen der Fenster mit baumwollenen Tüchern, prächtigen Pfeifen und Rauchtabak-Etiquetten für den kommenden Sonntag schloss die Woche.

       Die wenigen Stunden, welche ich des Sonntags für mich verwenden durfte, verlief ich einsam in den nahen Wäldern, oder erkletterte die uralten Thürme der Stadtmauer, um die häuslichen Einrichtungen der dort privatisirenden Eulen zu inspiciren.

      Mein Principal, der die Lungenschwindsucht hatte, und desshalb nicht immer bei rosenfarbener Laune war, wünschte mich, wenn ich nicht immer den Ehrgeiz, den ein mittelloser Lehrjunge vor seinem Lehrherrn zeigen muss, zur Schau trug, oder den Tabak mit einer gewissen Nonchalance abwog, in's Pfefferland, welch' frommem Wunsche ich denn endlich auch noch nachkam.

      Als meine Lehrzeit vorüber war, bekam ich als Commis eine Stelle in der bedeutenden Handelsstadt H. Hier erst zeigte sich mir der Handel von seiner ehrwürdigen und grossartigen Seite. Bedeutende Kaufleute hatten hier selbst mehrere Commis, und für Lehrjungen war H. die wahre Akademie des Handels. Aber der Widerwillen an meinem Berufe hatte schon zu tief bei mir Wurzel gefasst, als dass ich in dem erweiterten Handelskreise an merkantilischen Kenntnissen noch hätte profitiren können. Ohne ein festes Wollen und Ziel war mir die freie Natur das Liebste, nichts widerlicher als die dumpfige Ladenluft und der gellende Ton der Thürglocke.

      Ich beschloss endlich, mein Glück in der weiten Welt zu suchen und in Griechenland, wohin sich in dieser Zeit jeder desperate Kopf anwerben liess, mich unter das Militär aufnehmen zu lassen. Mit diesem Vorsatze und sehr wenig Geld verliess ich am 1. März 1835 H. und sagte im Stillen meinen Oefen und Kacheln, sowie allen Ladenzöglingen der guten Stadt ein herzliches Lebewohl.

      Es ist hier nicht der Platz, die Abenteuer dieser Reise zu erzählen. Ohne Pass konnte ich nicht Mitglied der griechischen Legionen werden, und musste desswegen mit hängendem Kopfe wieder in die Heimath zurückkehren.

      Ich richtete nun meinen Blick auf Ostindien, dessen Gewürze ich mit so grossem Widerwillen zerstossen und zermahlen hatte, und beschloss, das Pfefferland zu suchen, wohin mich mein griesgrämiger Lehrherr gewünscht hatte.

      Nichts stellte sich jetzt mehr meiner Abreise entgegen. Die Meinigen hatten einsehen lernen, dass von mir nicht viel mehr zu erwarten sey, besorgten mir einen Pass und bescheidenes Reisegeld, um in Holland mich anwerben lassen zu können, und so verliess ich abermals am 14. Juli 1835 meine Vaterstadt, um nach dem Norden zu pilgern, da man mich im Osten nicht haben wollte.

      Durch die Schnelligkeit meiner Füsse und des Dampfbootes war ich bereits am zweiten Tage in der Grenzstadt Nymwegen. Wie fremd und neu war mir alles hier; wie bewunderte ich die Reinlichkeit und Eleganz selbst der kleinsten Dörfer Hollands! Welcher Unterschied zwischen den Landstädtchen und Dörfern Süddeutschlands, wo ein Misthaufen an den andern stösst, und man im Schmutze der Strassen beinahe versinkt! – Hier sieht man bei jedem Schritte den Wohlstand des Landes; dasselbe ist zwar eben und arm an malerischen Partien; aber der wohlangebaute Boden, die kolossalen Wasserwerke und gemeinnützigen Bauten, die herrlich angelegten Wege und Kanäle ersetzen dem Besuchenden reichlich den Mangel an pittoresken Scenen.

      Hätte meine Börse, die mich in Holland nicht mehr sehr drückte, es zugelassen, ich hätte wahrscheinlich nicht so geeilt, unter den Commandostab der Corporale zu kommen. So aber war ich genöthigt, mich in Amsterdam anwerben zu lassen, und nach wenigen Umständen trat ich ohne Handgeld unter die holländischen Kolonialtruppen.

      Das Depot dieses Corps lag in der kleinen Stadt Harderwyk, an den Ufern der Zuydersee, wohin ich mit dem Botenschiffe am 27. Juli abfuhr. Mit den wenigen Cents, welche mir übrig geblieben waren, ging ich so glücklich und zufrieden an Bord, als hätte ich eine reiche Erbschaft zu holen. Einige Juden und Fischer lagen im Raume umher und sprachen fleissig dem mitgebrachten Genever zu, oder schnarchten, bis wir um 2 Uhr des Nachts am Brückenkopfe der Stadt landeten.

      Ich konnte kaum den Tag erwarten, an dem ich meine militärische Laufbahn antreten sollte, und befand mich schon frühe an den Ufern der Zuydersee, wo ich einige Haufen Menschen erblickte, die man in ihren groben, grauen Hosen und Wämsern für Zuchthauseleven zu halten nicht abgeneigt war. Es waren aber Soldaten, die ohne Waffen erst das Gehen und Stehen nach dem Takte zu erlernen hatten, und ich erfuhr, dass meiner eine eben so zierliche Kleidung harre. Die weitere Beschreibung der Lebensart dieser Colonialen war ebenso wenig einladend als ihre Kleidung, und mein Enthusiasmus für die Sache war dadurch beinahe am Sinken. Aber – tu l'as voulu, dachte ich, und liess mich beim Commandanten melden.

      Der Colonel, Commandant des Depots, war ein freundlicher Mann, und ganz geschickt, den Eindruck, den die schlechte Uniform seines Corps auf die Neuankommenden machte, zu verscheuchen. Er war ein Schweizer und sprach deutsch mit mir. Nachdem er meine Papiere durchgelesen hatte, wurde ich nach der Kaserne gebracht, wo ein Haufen Neugieriger mich umringte, und aus meiner Kleidung Folgerungen machte, wer und woher ich wäre.

      Der grössere Theil meiner neuen Kameraden waren Deutsche, und zwar aus allen Theilen des gemeinschaftlichen Vaterlandes: Hannoveraner, Hessen, Sachsen, von der polnischen Grenze, Preussen und Oesterreicher; man hörte alle Dialecte, und obgleich, wie ich mich eben ausdrückte, alle diese Herren der Kleidung nach genau den Sträflingen gleich sahen, so war man doch in ganz nobler Gesellschaft; denn man fand Grafen und Barone, weggelaufene Doctoren, bankerotte Kaufleute, entlassene Officiere und Schauspieler, welche kein anderes Engagement hatten finden können, ja selbst einen katholischen Geistlichen, Alle entschlossen, der Fortuna, die ihnen in Europa nicht lächeln wollte, in Ost- oder Westindien freundliche Blicke abzulocken.

       Ein Landsmann, der früher Officier war und aus einer sehr angesehenen Familie Württembergs stammte, aber durch Ausschweifungen


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