Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
Die sind in die Stadt gezogen, des hat sich hier nimmer gelohnt. So viel Reparaturen gibt es hier net«, kommentierte Xaver. »Jetzt haben die eine Tankstelle und eine Autowerkstatt in der Stadt.«
Renate beachtete ihn nicht. Sie schaute Meta Baumberger fast beschwörend an.
»Wir hatten einen kleinen Jungen dabei, dem haben Sie ihre Hasen gezeigt. Er wollte einen mitnehmen. Erinnern sie sich?«
»Der Junge ist ausgebüxt, abgehauen is der aus dem Internat. Die Frau meint, der könnte nach Waldkogel sein. Vielleicht wollt er ja nach den Hasen sehen?«
Karsten Niederhauser war jetzt neben seine Frau getreten. Die beiden taten Meta leid. Sie bat sie herein. Xaver schloß die Tür wieder sorgfältig hinter ihnen ab.
Dann saßen sie in der Küche. Meta stellte ihnen eine kleine Brotzeit hin. Während sie sich die Geschichte der Ehe und die Geschichte über den kleinen Dennis anhörte, kochte sie weitere Gerichte für die Hochzeit, die sie dann einfrieren wollte.
»Frau Baumberger, Sie können sich nicht mehr an uns oder unseren Dennis erinnern?«
Meta Baumberger überlegte. Dann schüttelte sie den Kopf.
»Des is schwer, wir haben viele Gäste. Da sind auch immer wieder Leute mit Kindern dabei. Denen zeige ich immer die Hasen. Die sind für die Kinder aus der Stadt eben was Besonderes. Wenn Ihr Bub mit den anderen Buben gespielt hat, dann müssen Sie hier bleiben und mal rumfragen. Wenn er wirklich nach Waldkogel kommt, dann wird er mit den anderen Buben spielen wollen. Nur mit einem Zimmer wird es schwierig werden. Der Toni, unser Bub, der heiratet die Anna. Der Anna ihre ganzen Verwandten und engsten Freunde wohnen bei uns in der Pension. ›Zum Ochsen‹, des is auch unmöglich. Es kommen ja so viele, die net von hier sind.«
Renate traten Tränen in die Augen. Karsten wollte den Arm um sie legen. Sie schob ihn fort und rückte mit dem Stuhl von ihm weg. Meta und Xaver warfen sich Blicke zu.
»Am besten wär’s oben auf der Berghütte. Der Toni und die Anna, die haben keine Gäste. Da is Platz genug auf dem Hüttenboden. Und in den Bergen sind Sie dann auch. Meinst net auch Meta? Sie könnten mit dem Auto bis rauf zur Oberländer Alm fahren und dann müßten sie aufsteigen.«
»Ja, ich denk, daß des das Beste is. Hier ist kein Quartier zu bekommen und auf der Berghütte is es doch noch ein ganzes Stück besser als auf den Almen. Ich werde mir mal Gedanken machen, vielleicht fällt mir doch noch etwas ein. Außerdem, wenn der Bub damals mit seinen Eltern hier bei
uns geschlafen hat und so vernarrt
in die Hasen war, kommt er vielleicht her. Möglich wäre es schon. Wir müssen da ein bisserl aufpassen, Xaver.«
Wenig getröstet und voller Sorgen machten sich Renate und Karsten auf zur Berghütte.
*
Toni und Anna kamen am späten Nachmittag von einer Bergwanderung zum ›Paradiesgarten‹ zurück, als Renate und Karsten Niederhauser sich zur Berghütte schleppten. Beide trugen je zwei Koffer. Renate hatte ihre Schuhe ausgezogen und war barfuß. Völlig ermattet ließen sie ihre Gepäckstücke fallen und sanken auf die Bank neben der Hüttentür. Anna und Toni konnten ein Grinsen kaum unterdrücken. Anna holte sofort eine Schüssel mit warmem Wasser und stellte sie Renate hin, damit sie ihre zerschundenen und wunden Füße baden konnte. Toni reichte ihnen mehrere Becher mit klarem Quellwasser, das sie wortlos austranken.
»Sie sind Toni Baumberger?« fragte Karsten Niederhauser noch immer atemlos.
»Ja, der bin i und des is mei Anna, mei Braut.«
»Ihre Eltern haben uns raufgeschickt.«
Dann berichtete Karsten, was alles geschehen war, seit letzter Nacht.
»Das ist ja schrecklich!« Anna war sofort voller Mitleid. »Gern bringen wir Sie unter. Sie können eine Kammer haben. Das Bett ist nicht besonders breit, aber besser als auf dem Hüttenboden ist so eine Kammer bestimmt. Sie sind dort ungestört. Im Augenblick ist noch niemand da. Aber in ein paar Tagen, nach unser Hochzeit, werden wir die Hütte offiziell eröffnen und dann kann es voll werden.«
»Du kannst die Kammer nehmen, Renate. Ich schlafe auf dem Hüttenboden.«
Toni und Anna schauten sich verwundert an.
»Wollen Sie sich die Kammer nicht erst mal ansehen? Wir können Ihnen auch noch ein Matratzenlager auf dem Boden machen, wenn Ihnen das Bett zu schmal ist.«
»Vielen Dank! Das ist nicht nötig!« sagte Renate leise. »Wir sind zwar noch verheiratet. Das ist aber rein juristisch. Die Trennung läuft schon. Die Scheidung wird folgen. Getrennte Schlafmöglichkeiten sind da wohl besser.«
Anna und Toni warfen sich erneut Blicke zu. Toni griff nach den Gepäckstücken, die im Weg standen.
»Die Reisetaschen gehören Karsten, die anderen drei Koffer mir.«
Toni nickte Renate Niederhauser zu und verschwand mit dem Gepäck in der Hütte.
»Ja, ja! Des gibt es auch«, sagte er leise.
Anna gab Renate erst einmal ein Paar frische, dicke Socken, nachdem sie ihre Füße bepflastert hatte. Renate humpelte in die Kammer, gefolgt von Anna. Renate konnte kaum gehen.
»Frau Niederhauser, haben Sie denn etwas Warmes zum Anziehen? Es kann hier oben sehr kalt werden.«
Statt einer Antwort, bekam sie ein Kopfschütteln. Dicke Tränen liefen Renate Niederhauser über die Wangen.
Anna holte warme Kleidung.
»Das kann ich Ihnen leihen. Ich denke, wir haben die gleiche Größe. Ein paar Hüttenschuhe habe ich auch für Sie. Ihre Füße sind so geschwollen. In normale Schuhe kommen Sie nicht rein. Morgen wird es besser sein.«
»Vielen Dank Frau…?«
»Anna! Einfach Anna! Bald werde ich Frau Baumberger sein. Aber hier in den Bergen sagt niemand Frau Zirner oder dann Frau Baumberger. Wir duzen hier alle. Sagen Sie einfach Anna und Toni!«
»Ich bin Renate!« Sie streckte die Hand entgegen. »Danke, Anna!«
Anna ließ sie allein und ging hinunter in die Küche.
Toni hatte inzwischen Karsten den Hüttenboden gezeigt und ihm auch einen dicken Pullover von sich gegeben.
»Schlimm ist das mit denen! Und schlimm muß das für den Bub sein, Toni! Der arme Junge.«
»Ja, hoffentlich wird er bald gefunden.«
»Das hoffe ich auch. Was denkst, wo er sein könnte? Stell dir vor, daß du an seiner Stelle wärst. Toni, du bist in Waldkogel aufgewachsen. Du bist auch mal zwölf Jahre alt gewesen. Wo hättest du dich versteckt? Wo wärst du hingegangen?« Anna sah ihn fragend an.
»I weiß net. Außerdem wäre das etwas anderes gewesen. I kenn die Gegend ja. Der Bub is net von hier. Er war nur einmal kurz hier. I denk, wenn der es wirklich bis hierher schafft, dann kann er sich hier auch verstecken. Obst auf den Bäumen gibt es genug und Beeren und anderes Zeug auch. Es gibt eine Menge Schutzhütten in den Bergen. Da
ist auch immer Proviant drin, für Notfälle. Da kann er schon eine Zeitlang sich rumtreiben, ohne Not zu
leiden. Not leiden werden dann
die, die danach wirklich Schutz in
den Hütten suchen und dann keinen Proviant mehr finden. Wer auf
einer Schutzhütte den Proviant aufgebraucht hat, der ist verpflichtet, dafür zu sorgen, daß wieder genügend Vorräte auf die Hütte kommen. Aber des wird der Bub nicht tun.«
»Hoffentlich wird ihm nichts passieren. Der arme Kerl. Wie unglücklich muß dieser Dennis sein!«
Toni nahm seine Anna fest in den Arm.
»Man wird ihn schon finden. Der Irminger wird sich schon etwas einfallen lassen. Und auf den Leonhard und die ganze Truppe von der Bergwacht da ist Verlaß. Die kennen auch alle Bergführer, die