Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
die Bergwelt unterhalten. Er hat mir auch erzählt, daß er mal in den Ferien in den Bergen war.«
Überrascht schauten sich Dennis’ Eltern an. Sie hatten nie Urlaub in den Bergen gemacht. Angestrengt dachten sie nach. Dann fiel ihnen etwas ein.
»Wir waren mit dem Auto unterwegs in den Süden. Meine Frau mag keine Tunnel, obwohl die Strecke dann erheblich kürzer ist. Also fuhren wir die alten Paßstraßen. Dabei haben wir uns einmal total verfahren, weil wir im Nebel falsch abgebogen sind. Dann hatten wir auch noch eine Autopanne und mußten einige Tage in den Bergen verbringen, weil die kleine Autowerkstatt auf die Ersatzteile warten mußte. Dennis spielte während der Zeit mit den Kindern im Dorf. Sie waren den ganzen Tag unterwegs.«
»Ich kann mich nicht einmal erinnern, wie das kleine Dorf hieß, Karsten. Damals war Dennis…« Renate überlegte. »Dennis muß acht Jahre gewesen sein. Kannst du dich noch an den Namen des Ortes erinnern, Karsten? Das muß unser letzter gemeinsamer Urlaub gewesen sein.«
»Waldheim, Walden, Waldbach, Waldtann? Irgend so etwas in der Richtung! Hast du eine Autokarte im Wagen, Renate? Ich weiß noch, wie wir damals gefahren sind. Rechts oder links von unserer Route muß der Ort liegen.«
Herr Höbel räusperte sich.
»Der Ort heißt ›Waldkogel‹ und ist ein kleines Dorf am Ende eines Tales!«
Die Eltern schauten ihn überrascht an.
»Ja, Waldkogel! Jetzt erinnere ich mich auch wieder. Hat Ihnen das Dennis gesagt?«
»Ja! Er muß dort sehr glücklich gewesen sein. Wenn ich ihm von meinen Ausflügen und Wanderungen erzählt habe, dann hatte er mir von Waldkogel berichtet. Wilde Geschichten hat er erzählt. Dabei hat er wohl manches erfunden. Nur eines habe ich herausgehört: gefallen hat es ihm da sehr.«
»Was für Geschichten hat er denn erzählt?«
Herr Höbel lächelte und erzählte den völlig überraschten Eltern Geschichten von Berghütten, Lawinen, Wilderern, von Übernachtungen im Steilhang und anderes.
»Mir war klar, daß Dennis die Geschichten größtenteils erfunden hatte. Wahrscheinlich hat er das aus den Büchern und Zeitschriften. Aber schön waren die Geschichten schon. Der Bub liebt die Berge. Wenn es mein Bub wäre, dann würde ich da suchen.«
»Aber Waldkogel ist weit. Wie will er da hinkommen?«
Wieviel sie auch redeten, sie kamen nicht weiter. Direktor Dr. Kallmann wollte am Morgen mit den Klassenkameraden von Dennis sprechen. Er hatte die Schüler in der Nacht nicht geweckt. Vielleicht wußten ja seine Klassenkameraden etwas. Die Frau des Direktors gab Dennis’ Eltern zwei Zimmer, damit sie sich etwas ausruhen konnten. Gleich um acht Uhr wollten sie dann doch die Polizei verständigen.
Als Frau Kallmann Renate Niederhauser um neun Uhr weckte, mußte sie ihr berichten, daß Dennis mit keinem seiner Klassenkameraden über seine Pläne gesprochen hatte. Der Direktor hatte die Polizei informiert und ihr auch ein Bild von Dennis gegeben.
Renate und Karsten Niederhauser machten sich direkt nach dem Frühstück auf den Weg nach Waldkogel.
*
Die erste Anlaufstelle in Waldkogel war die kleine Polizeistation unweit des Rathauses. Gewolf Irminger war bereits per Fax auf dem Dienstweg informiert worden.
»Also gefunden is der Bub noch net. Und mit der Suche, des is auch schwierig. Also, wenn er hier in Waldkogel auf der Straße rumläuft, da wird er auffallen und ein Bub alleine in den Bergen auch. Aber die Suche in den Bergen is schwierig, wenn net gar unmöglich. Was denken s’ denn, wieviel Wege es hier gibt, rund um Waldkogel?«
»Sie müssen sofort einen Suchtrupp zusammenstellen!« forderte Karsten Niederhauser.
Der Polizist lachte.
»Also erstens, bin i da ganz alleine. Zweitens hab ich schon alle informiert, die i hab informieren können. Obwohl der Bub ja net unbedingt hier in Waldkogel sei’ muß. Des is ja nur eine Möglichkeit von vielen. Aber Sie können beruhigt sein. I hab die Bergwacht informiert. Die werden mal mit dem Hubschrauber suchen. Alle Almen und Berghütten in der ganzen Gegend, die sind schon informiert oder werden noch informiert. Machen Sie sich net so viel Gedanken. I hab auch schon mit unserm Bürgermeister, dem Fellbacher Fritz, gesprochen. Der denkt auch, daß so ein kleiner Ausreißer über kurz oder lang doch einen mächtigen Hunger bekommt. Dann wird der sich schon melden.«
»Ihre Ruhe möchte ich haben, Herr Irminger!« brüllte Karsten Niederhauser.
»Sie brauchen gar net so rumschreien hier, mein Herr! Ich habe alles gemacht, was zu machen war. Wo kann ich Sie erreichen, wenn i was hören tue oder der Bub gefunden wird?«
»Wir werden uns hier Zimmer nehmen. Was gibt es hier an Pensionen oder Hotels?«
»Wir haben das Hotel ›Zum Ochsen‹. Das ist gegenüber und weiter oben, Richtung Dorfausgang ›Beim Baumberger‹, des ist eine nette kleine Pension. Dann gibt es auch noch Höfe, die Zimmer vermieten. Aber zur Zeit is es schlecht!«
»Wir wissen, es ist Sommer, Hochsaison!«
»Ja, des auch! Aber der Toni und die Anna heiraten. Der Toni is der Sohn vom Baumberger. Des gibt eine richtig große Hochzeit. Da sind alle Zimmer ausgebucht. I glaub’ da haben Sie kein Glück! Höchstens können Sie es mal auf einer Alm probieren. Da können Sie Glück haben. Wenn es sein muß, dann müssen Sie im Heu schlafen. Nach der Hochzeit sind dann wieder mehr Zimmer frei.«
»Karsten, komm, wir suchen uns eine Unterkunft auf einer Alm.«
Renate gab dem Polizisten Irminger die Handy-Nummern von ihr selbst und ihrem Noch-Ehemann, wie sie Karsten bezeichnete.
Langsam fuhren sie durch den Ort.
»Erinnerst du dich, Karsten, wo wir damals übernachtet haben? ›Zum Ochsen‹ hieß das nicht. Vielleicht war das in dieser Pension, ›Beim Baumberger‹. Obgleich ich mich an den Namen nicht mehr erinnern kann. Namen waren noch nie meine Stärke. Ich kann mich aber an das Haus erinnern. Ich fahre mal dahin.«
Blaß und stumm saß ihr Mann neben ihr. Karsten Niederhauser ließ alles mit sich geschehen.
Renate hielt vor dem Haus der Familie Baumberger an.
»Du, Karsten, das war hier! Ich erinnere mich genau.«
Renate stieg aus dem Auto aus und ging zur Tür. Dort hing ein Zettel.
»Wegen Familienfeier geschlossen!«
Renate Niederhauser rüttelte an der Tür. Sie schlug mit Fäusten dagegen.
Dann hörte sie drinnen etwas. Der Schlüssel wurde umgedreht und zwei Riegel zurückgeschoben. Die Tür ging auf. Verlegen stand Renate Niederhauser vor Xaver Baumberger, der grimmig dreinschaute und wortlos auf den Zettel deutete.
»Unser Sohn ist weggelaufen aus dem Internat. Er ist erst zwölf Jahre alt. Wir haben Hoffnung, daß er hierher gekommen ist. Wir waren vor ein paar Jahren schon einmal hier in Waldkogel. Da haben wir bei Ihnen übernachtet. Ich weiß ja, daß Sie geschlossen haben, aber können Sie uns nicht doch helfen? Wir waren auf der Polizei. Herr Irminger, der Polizist, meint, wir kämen vielleicht auf einer Alm unter. Können Sie uns nicht helfen? Wir haben die Hoffnung, daß unser Sohn nach Waldkogel will«, sprudelte Renate hervor und ergänzte stockend, was sie wußte. Dabei schwankte ihre Stimme.
Xaver Baumberger musterte die Frau von oben bis unten. Renate Niederhauser trug einen hellblauen Hosenanzug aus Wildseide und teuerste italienische Schuhe mit dünnen Riemchen und sehr hohen Absätzen. Unter den Arm hatte sie eine kleine Tasche aus Krokodilleder geklemmt, die farblich und vom Material zu den Schuhen paßte. Sie trug Schmuck, eine Goldkette, einen Armreif und verschiedene Ringe, sowie Ohrringe mit kleinen Diamanten.
»Xaver, wer is des denn?« rief Meta Baumberger aus der Küche und kam gleich darauf zur Tür.
»Mein Name ist Renate Niederhauser! Hören Sie! Ich bin mir sicher, daß wir vor ein paar Jahren mal bei Ihnen übernachtet haben,