Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
Nachmittag würde Ruhe einkehren.
Toni hackte Holz hinter der Berghütte. Anna hatte ihre morgendliche Arbeit auch schon zum größten Teil erledigt. Sie schenkte zwei Becher voll mit süßem Milchkaffee und ging hinaus auf die Terrasse vor der Berghütte.
Da saß der alte Alois in der Sonne. Anna reichte ihm einen Becher und setzte sich neben ihn.
»Danke, Anna, bist ein gutes Madl.«
Sie tranken.
»Des is heut wieder a Wetter, da geht mir richtig das Herz auf. Da wünsch i mir noch mal richtig jung zu sein. Da hätt ich mei’ Zeug genommen und wär in die Berge hinauf. Des is genau das Wetter, des gut ist für so eine Gipfelbesteigung. Ach, Anna, des ist vielleicht eine Aussicht von dort oben, des is mit nix vergleichbar. Ich würde alles darum geben, noch einmal von da oben die Aussicht und den ganzen Rundblick zu genießen.«
Wehmütig schaute Alois Anna an. Die junge Frau legte sacht ihre Hand auf die seine.
»Hier oben auf der Berghütte ist es doch auch sehr schön, Alois. Die Aussicht ist doch ganz famos, viel besser als unten in Waldkogel.«
»Des stimmt, Anna! I bin auch froh, daß ich hier oben bei euch sein kann. I hab’ immer denkt, daß die Berghütte mal wieder meine Heimat sein würd. Du und der Toni, ihr seid mei Familie.«
Der alte Mann strich Anna mit seiner rauhen Hand vorsichtig über die Wange.
»Mußt dir net alles so zu Herzen nehmen, was ich sag’, Anna. So ein bisserl Wehmut, die kommt eben ab und zu. Des war halt gestern morgen ein bisserl viel. Wenn man so jemand zu Grabe trägt, den man so lange kennt, dann kommen Erinnerungen hoch. Wie der Zacharias Voglmeier ein junger Mann war, ist er oft auf die Hütte gekommen. Des is lang her. I hab’ ihn dann mitgenommen und ihm das Bergsteigen beigebracht. Der Zacharias war ein guter Kletterer. Daß der mal abstürzen tut, des hätt i net denkt.«
Alois schüttelte den Kopf.
»Dein Schwiegervater, der Baumberger Xaver, war auch ganz erschüttert. Die beiden haben zusammen die Schulbank drückt.«
»Toni hat es mir erzählt. Ich finde es großartig, daß Vater Xaver und Mutter Meta den Leichenschmaus ausgerichtet haben.«
»Ja, es hat sich ja niemand mehr um den Zacharias gekümmert. Des kam aber nur daher, daß er sich auch um nix gekümmert hat. Der Xaver hat des alles organisiert, mit der Trauerfeier. Als sich des rumgesprochen hat, da haben ihn doch noch ein paar Leut’auf seinem letzten Weg begleitet.«
»Was wird jetzt aus dem Vogelmeier Hof?«
»Des is ein großes Rätsel! Vieh hat er keins mehr gehabt, net einmal ein Huhn. Der Xaver hat den Schlüssel. Des hat der Fellbacher, der Bürgermeister, so gewollt. Es muß dann und wann ja jemand nach dem Hof sehen, bis was damit geschieht. Ein Testament soll’s geben, erzählt man sich. Doch wer den Hof erbt, ja, des weiß keiner. Familie hat er ja net mehr gehabt. Der Zacharias war zwar verheiratet, aber schon nach ein paar Wochen is ihm die Frau weggelaufen. Später wurde er dann geschieden. Geredet hat er net darüber, damals net und später auch net. Geschwister hat er keine, auch sonst keine Verwandte. Na ja, da heißt es eben abwarten. Sein Tod gibt viele Rätsel auf. Das der abgestürzt is, des kann i net verstehen. Sicher, er war net mehr der Jüngste. Doch es war letzte Woche so ein Wetter wie heut. Er hat sich net angeseilt. Warum er des net gemacht hat, des versteh i net.«
Anna hatte inzwischen ihren Kaffee ausgetrunken.
»Ich hole mir noch einen Becher. Willst auch noch Kaffee, Alois?
Statt einer Antwort reichte Alois Anna seinen leeren Becher.
Bald kam sie mit einem kleinen Tablett zurück, auf dem drei Becher standen. Sie gab Alois seinen Becher, stellte ihren ab und brachte den dritten hinters Haus zu Toni.
»Das ist lieb von dir. Danke!«
Bevor Toni trank, gab er Anna einen Kuß auf die Wange.
»Hast ja schon viel Holz gehackt, Toni.«
»An so einem Tag wie heute geht einem die Arbeit gut von der Hand. Ich will den ganzen Stapel bis zum Nachmittag fertig haben. Dann werden wohl schon wieder die ersten Hüttengäste eintrudeln. Wie weit bist du mit deiner Arbeit, Anna?«
»Mit der Morgenarbeit bin ich schon fast fertig. Die Kartoffeln stehen auf dem Herd und müssen kochen. Den Teig für das Brot und die Kaisersemmeln habe ich auch schon angesetzt. Jetzt kümmere ich mich ein bisserl um den Alois. Der nimmt das sehr schwer, daß der Vogelmeier abgestürzt ist.«
»Der Alois hat den Vogelmeier schon als Bub gekannt. Der Zacharias ist ja so alt wie mein Vater. Der Alois hat ihm das Klettern beigebracht. Drunten im Dorf wird viel geredet und spekuliert. Wenn erst mal raus ist, wer den Vogelmeier Hof erbt, dann gibt es auch wieder Ruhe.«
»Toni, ich glaub, der Alois würde gern mal wieder auf den Berg gehen. Bis zum Gipfel hinaufklettern, das kann er nicht mehr. Ich denke, daß es ihm vielleicht Freude machen würde, bis zum ›Paradiesgarten‹ zu wandern. Allein sollte er aber nicht gehen.«
»Ich verstehe Anna. Wenn’s die Tage mal ruhig auf der Berghütte ist, dann gehe ich mit dem Alois wandern. Allein sollte er aber nicht gehen. Mitten in der Woch’ kommen immer weniger Gäste. Vielleicht am nächsten Mittwoch. Ich werd’ mal mit dem Alois reden.«
»Danke, Toni! Da wird er sich freuen. Der alte Alois hat so viel für uns getan.«
»Ja, das hat er. Wir sind ja schließlich so etwas wie die Erben seiner Berghütte, auch wenn er noch lebt. Ich hoffe, daß er noch lange lebt und Freude daran hat, uns zuzusehen, wie wir beide die Berghütte weiter bewirtschaften. Das machen wir ganz so, wie er es getan hat.«
Antonius Baumberger hatte seine junge Frau fest in den Arm genommen. Er war so glücklich. Sein Jugendtraum, die Berghütte zu bewirtschaften, war in Erfüllung gegangen. Die Liebe hatte ihm Anna an seine Seite geführt. Sie sahen einem glücklichen Leben entgegen.
»Dann gehe ich und setze mich noch ein bißchen zu ihm.«
»Ja, Anna, mach das!«
Toni und Anna küßten sich. Dann ging Anna und setzte sich zu Alois. Sie forderte ihn auf, ihr alte Geschichten zu erzählen. Da war der alte Mann ganz in seinem Element. Anna lauschte ihm gebannt. Jede Erzählung brachte sie ihrer neuen Heimat ein Stück näher.
*
Mit klopfendem Herzen stand Petra im Treppenhaus des vornehmen Jugendstilgebäudes. Das Tageslicht fiel durch die bunten Bleiglasfenster mit seinen Ornamenten und verbreitete im Treppenhaus gedämpftes Licht. Ein roter Teppich führte von der Eingangstür durch die Halle und schwang sich dann die Treppe hinauf, von goldfarbenen Messingstäben auf jeder Treppenstufe gehalten. Meterhohe Palmen und andere Grünpflanzen in Übertöpfen, die zum Stil des Hauses paßten, vollendeten die Atmosphäre. Es war, als sei die Zeit stehengeblieben.
In ihren Jeans und dem bunten Oberteil fand sich Petra irgendwie fehl am Platz.
»In welchen Film bin ich da geraten?« murmelte sie vor sich hin.
Dann verglich sie den Briefkopf des Schreibens mit dem Messingtürschild. Darauf stand:
Dr. Ludwig Leuthold
- Notar und Rechtsanwalt -
Fachanwalt für Familienrecht & Eherecht
Petra atmete tief durch und klingelte. Kurz darauf hörte sie Schritte. Dann wurde die Tür geöffnet. Eine freundliche ältere Dame schaute Petra an.
»Frau Pfleider, nehme ich an!«
Statt einer Antwort reichte ihr Petra das Schreiben.
»Bitte, treten Sie ein!«
Die ältere Dame im dunkelgrauen Kleid führte Petra durch die Kanzlei. Am Ende des Flurs klopfte sie kurz und öffnete dann eine Tür.
»Herr Doktor, die junge Frau Pfleider ist hier!«
Petra drückte