Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
schön! Doch woher kennen Sie mich, meinen Namen?«
Der alte Mann lächelte sie an. Sein Gesicht war voller Falten, strahlte Heiterkeit aus und Güte.
»Ja, ja! Das fragst du dich jetzt!«
Er zündete seine Pfeife an, die in seinem Mundwinkel hing.
»Ich bin der Alois. Der Hüttenwirt bin ich gewesen.«
»Grüß Gott!«
»Ich habe den Toni getroffen. Der sagte, daß du hier bist. Mei, da dachte ich mir, ich schau mal nach dem Madl.«
»Sehr freundlich von Ihnen! Der Toni hat mir heute von Ihnen erzählt.«
»So, hat er das? Hoffentlich nur Gutes?«
»Was soll er denn Schlechtes gesagt haben?« fragte Anna etwas verwundert.
»Nun, daß ich einmal aus Sturheit einen großen Fehler gemacht habe. Verletzter Stolz ist kein guter Ratgeber und wenn dann noch Sturheit dazukommt, dann wird es schlimm. Habe damals aus Wut gehandelt, wie ein junger Hitzkopf. Jetzt muß ich mit dem Schmerz leben. Kleine Sünden bestraft der Herrgott sofort, bei großen dauert es etwas länger.«
Er zog an seiner Pfeife.
»Jetzt muß ich mich damit abfinden.«
»Sie sprechen von der Berghütte.«
»Ja, so ist das. Dabei tut es mir auch um Toni leid. Der Xaver ist zu beneiden um so einen Buben. Meine zwei sind nicht so brav, naturverbunden und gottesfürchtig.«
Er zog wieder an seiner Pfeife.
»Es gibt noch eine andere Regel, Herr Alois!«
»Einfach Alois! Wie man es hier so hält unter Freunden.«
»Gut, Alois! Es gibt da noch einen anderen Spruch, Alois. Der heißt: Wenn dir jemand die Tür vor der Nase zumacht, dann öffnet der Herrgott dir ein Fenster.«
»Alle Fenster sind auf, doch es reicht nicht, um genügend Licht reinzubringen.« Seine Stimme klang traurig.
Anna war voller Mitleid mit dem alten Mann. Der schien ihre Gefühle erraten zu haben.
»Mußt dir wegen meiner Sorgen keinen Kopf machen und wegen dem Antonius auch nicht. Der wird dann einen anderen Weg gehen.«
»Ach, vielleicht kann man den Herrgott überreden, die Wand durchzubrechen für noch weitere Fenster.«
Anna lachte Alois an, der auch lachen mußte.
»Gebe die heilige Maria, daß dein Vorschlag da oben Gehör findet. Bist ein gutes Madl, Anna!«
Der alte Hüttenwirt stand auf. Er lächelte ihr zu und ging langsam zurück. Anna blieb sitzen und schaute ihm nach.
»Wir müssen etwas tun, Bello! Hast du keine Idee?«
Bello sprang auf die Bank und legte sich hin, den Kopf auf ihrem Schoß. So saß sie ein Weile da und streichelte den Hund.
Sie dachte an Antonius, die Berghütte, den alten Alois, der extra wegen ihr gekommen war. Sie dachte an Sue, an ihre Großmutter in Hamburg und an ihre Freunde und Bekannten dort.
Plötzlich dachte sie wieder an die Glocken, die so schön zur Abendvesper geläutet hatten. Vielleicht war das eine Möglichkeit. Anna stand auf und ging los in Richtung Dorf. Nein, sie ging nicht. Sie lief, sie rannte, so schnell sie ihre Füße trugen. Atemlos kam sie bei der Kirche an. Der Pfarrer war gerade dabei, die Kirchentür abzuschließen.
»Junge Frau, so atemlos? Ist etwas passiert?«
»Ja, nein, nein!« Sie keuchte. »Kann ich mit Ihnen reden?«
»Mit mir kann man immer reden, Tochter! Wollen wir in die Kirche gehen? Willst beichten?«
Anna schüttelte heftig den Kopf.
»Ich bin nicht katholisch, das sage ich Ihnen gleich. Kann ich trotzdem mit Ihnen reden?«
Der Geistliche lächelte.
»Wenn ein Menschenskind in Not ist, dann soll man keine Unterschiede machen. Es gibt nur einen Gott da oben.«
»Gut! Danke! Also, in Not bin ich nicht. Oder doch! Das weiß ich nicht so genau, noch nicht. Doch es gibt hier zwei Leute, die in Not sind. Denen können Sie helfen.«
Sie schaute ihm eindringlich in die Augen.
»Glauben Sie an Vorsehung, Herr Pfarrer?«
»Wir sind alle in Gottes Hand.«
»Gut, jedenfalls ist das eine sehr verdrehte Geschichte. Ich meine die Fahrt im Zug und daß ich mein Notizbuch verloren habe und er es gefunden hat und dann mit Sue telefoniert hat und ich jetzt hier bin und ich kann helfen, aber ich weiß, daß ich dazu selbst Hilfe brauche. Ich bin mir ganz sicher, daß ich helfen kann. Aber ich weiß auch ganz genau, daß es besser ist, wenn das erst mal niemand erfährt. Bitte, Herr Pfarrer, Sie müssen mir helfen. Wenn man Ihnen etwas anvertraut, dann sagen Sie das doch niemanden?«
»Nein, das fällt dann unter das Beichtgeheimnis.«
»Und wenn ich Ihnen etwas geben würde, um anderen zu helfen. Könnte geholfen werden, ohne daß jemand davon erfährt?«
»Dazu müßte ich schon mehr wissen. Aber im Prinzip ist das so!«
Der Pfarrer schloß die Kirchentür wieder auf. Anna trat ein. Sie nahm Bello einfach mit und sagte ihm, daß er sich gleich hinter der Tür hinlegen sollte.Der Pfarrer schaute etwas verwundert.
»Der Bello spielt auch eine wichtige Rolle. Wenn es Bello nicht gäbe, dann wäre ich mit Sicherheit jetzt nicht hier, sondern würde im Zug nach Hamburg sitzen.«
Der Pfarrer schloß die Kirchentür ab.
»Nun, was soll’s? Auf Geheiß Gottes nahm sich Noah der Tiere an und rettete sie vor der Sintflut und der heilige Franz von Assisi predigte den Tieren.«
Er bekreuzigte sich und winkte Anna heran. Sie setzten sich in eine Bank.
Dann fing Anna leise an zu sprechen. Sie erzählte dem Gottesmann alles, alles, was sie erlebt hatte seit der Abreise aus Hamburg, bis zu der Minute, da sie ihn vor der Kirche getroffen hatte. Sie erzählte ihm auch von ihren Gefühlen und ihren Wünschen und Sehnsüchten.
»Das war eine interessante Geschichte, Anna! Und was willst du jetzt weiter tun?«
Obwohl sie ganz alleine in der Kirche waren, flüsterte Anna. Mit leuchtenden Augen schüttete sie ihm weiter ihr Herz aus.
Ungläubig schaute sie der Geistliche an.
»Das willst du wirklich tun?«
»Ja! Fragen Sie mich bitte nicht warum, wieso, weshalb! Ich will es so machen!« Anna legte die Hände vor ihre Brust und sagte: »Da ist ein Gefühl, daß ich es machen soll, genauso! Bitte helfen Sie mir, Herr Pfarrer!«
Statt einer Antwort, stand der Geistliche auf. Anna sah ihm nach, wie er würdevoll in dem langen schwarzen Gewand den Mittelgang entlang schritt. Dann kniete er vor dem Altar nieder. Er betet wohl, dachte Anna und senkte auch die Augen.
Als er wieder aufstand und auf sie zukam, lächelte er.
»Vielleicht hat dich wirklich der Himmel geschickt. Gut, ich werde dir helfen. Du kannst dich auf mich verlassen.«
Anna traten vor Freude und Erleichterung die Tränen in die Augen. Dann besprachen sie Einzelheiten.
Anna ging zurück zum Gasthof. Die Gaststube war voller Leute.
Sie grüßte und redete nur kurz mit Meta.
»Meta, ich bin sehr müde. Ich gehe gleich auf mein Zimmer.«
»Mei, das verstehe ich doch. Der Toni hat uns schon alles erzählt. Das war ja eine große Tour heute. Ich habe dir eine Brotzeit auf das Zimmer gestellt. Und ein paar Bettlaken habe ich auch hingelegt. Der Toni hat gesagt, daß du die brauchen