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Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.

Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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werden alles tun, dir zu helfen, Jörg! Jetzt kriegst du wieder eine richtige Familie. Mein Heim wird auch dein Heim sein! Wirst sehen, meine Eltern werden dich mit offenen Armen empfangen. Und unserem Knecht, dem geht es auch bald besser. Dann kann er wieder die Arbeit auf der Alm machen. Das dauert nicht mehr lang, vielleicht noch zwei bis drei Wochen. Dann werden wir beide unten bei den Eltern auf dem Hof sein. Mutter hat sich schon alles ausgedacht. Da gibt es den Altenteil. Der ist unbewohnt. Bis der Herrgott die Großeltern zu sich genommen hat, haben sie da gewohnt. Da kannst wohnen, bis...« Sie brach kurz ab... »Bis – du weißt schon. Aber Fensterln, das kannst immer bei mir. Da mußt dich net genieren. Im Gegenteil, das wird sogar erwartet. Das gehört nun mal zur Werbung dazu. Auch wenn das mit uns ganz anders war, so will ich darauf doch net verzichten. Was soll ich sonst später einmal meinen Kindern erzählen?«

      So sprudelte alles aus Franzi heraus. Sie schien überhaupt nicht zu bremsen zu sein. Ihre Augen leuchteten. Alles Glück dieser Welt stand in ihrem Gesicht. Jens riß sie einfach an sich und erstickte ihren Redeschwall mit einem langen, sehr langen innigen Kuß.

      »Setz dich hin, Franzi! Langsam! Eins nach dem anderen. Du hast mir jetzt alles gesagt. Jetzt bin ich an der Reihe – und du hörst mir zu, ja? Du hörst mir schön zu, bis ich ganz zu Ende gesprochen habe. Ja, Franzi, ja?«

      »Was gibt es da viel zu reden? Sage einfach nur ja!«

      »Franzi!« Seine Stimme hatte einen anderen Klang.

      Irgend etwas stimmte nicht. Eine plötzliche Angst legte sich wie ein eiserner Reifen um ihr liebendes Herz. Er schnürte ihr alles zusammen. Eben war sie noch voller Hoffnung, Frohsinn und Zukunftsplänen. Jetzt hatte sie nur noch Angst. Etwas bedrohte sie, hing wie eine dunkle Wolke über ihr.

      Jens stocherte im Ofen die Glut an. Er legte zuerst Späne auf, dann dickere Holzstücke.

      »Es wird gleich warm sein.«

      Er setzte sich in den Lehnstuhl, der einst Franzis Großvater gehört hatte. Sie sah ihm zu, wie er seine Pfeife stopfte und sie anzündete. Dann schaute er ihr in die Augen.

      »Franzi! Ich werde dir jetzt etwas sagen müssen. Vielleicht wird es dir weh tun. Vergiß niemals, daß ich dich liebe!«

      Jens machte eine Pause, zog an seiner Pfeife.

      »Franzi, ich war mit dem Baumberger Antonius heute auf dem Berg. Wir haben zwei Murmeltiere gesehen. Da fiel mir ein, daß ich einen Zwillingsbruder habe. Er heißt Jörg. Ich heiße Jens. Er ist der Junge, dessen Bild ich als Fetzen immer wieder gesehen habe. Dann gingen wir weiter hinauf bis zum ›Paradiesgarten‹. Dort rasteten wir.«

      Er atmete tief ein. Franzi sah, daß er sich quälte.

      »Dort oben erinnerte ich mich wieder. Ich kann mich an alles erinnern. Die Erinnerung kam vollständig zurück. Ich heiße Jens Angermann. Ich weiß, wer meine Eltern sind, kenne meine Adresse, die Telefonnummer. Ich weiß einfach alles wieder. Ich habe mich auch wieder erinnert, wie ich dich zum ersten Mal gesehen habe. Ich hatte mich sofort in dich verliebt und ich liebe dich noch immer. Doch da gibt es noch jemanden.«

      Jens schaute Franzi nicht an.

      »In meinem alten Leben war ich verlobt. Sie heißt Beate Clausen. Wir hatten uns vergangene Weihnachten verlobt. Ich war auch überzeugt, daß sie die Frau ist, mit der ich mein Leben verbringen wollte. Dann bin ich dir begegnet. Ein Blick in deine Augen hat mir gesagt, daß ich die wahre Liebe doch noch nicht gefunden hatte.«

      Während Jens sprach, ging Franzi durch alle Höhen und Tiefen der Gefühle. Sie stürzte von den höchsten Gipfeln hinab in die tiefsten und dunkelsten Schluchten, um gleich danach einem Adler gleich wieder aufzusteigen.

      »Jetzt weiß ich, daß es nur eine wahre Liebe gibt. Sie kam wie eine Naturgewalt über mich und hat mein Herz ergriffen. Es war dein Bild, das mir da oben vor Augen stand und mich hoffen ließ, mich am Leben erhielt. Du bist es gewesen, Franzi! Es war nicht Beate, die in meinem Herzen war und mir Kraft und Stärke gab, mich in meiner Verwandlung tröstete. Du bist es gewesen!«

      Er drückte mit dem Pfeifenknecht die Asche im Pfeifenkopf leicht zusammen und zündete seine Pfeife erneut an. Er rauchte einige Züge.

      »Da gibt es jetzt also zwei Frauen in meinem Leben. Da gibt es dich, der mein Herz gehört, hier und jetzt. Daheim gibt es Beate. Ihr gab ich ein Versprechen. Ich versprach ihr die Ehe. Dieses Versprechen hatte ich vergessen, weil ich mich nicht erinnern konnte. Wenn ich es recht bedenke, erlosch die Erinnerung an Beate in dem Augenblick, als ich in deine Augen sah. Natürlich hatte ich damals noch mein Gedächtnis. Den ganzen Tag über verglich ich dich mit Beate. Ich hatte mich sofort in dich verliebt und suchte nach einem Ausweg. Es gab nur zwei Möglichkeiten. Ich mußte mich von Beate trennen oder dich vergessen. Ich dachte, bei einer großen und anstrengenden Wanderung, die alle meine Kraft fordern würde, könnte ich dich vergessen. In der Gaststube der Baumbergers hörte ich die Männer dann vom ›Höllentor‹ erzählen. Das reizte mich natürlich. Ich liebe nun mal Herausforderungen. Alle Vorsichtsmaßnahmen schlug ich in den Wind. Ich hatte keinen Helm dabei, keinen Pickel, kein Seil. Ich war daheim nach einem Streit mit meinem Bruder Jörg in aller Eile aufgebrochen. Wir hatten uns wegen Beate gestritten und wegen einiger anderen Sachen. Ich wurde unterwegs vom Wettersturz überrascht. Er war schlimm. Ich hatte mich vorher etwas erkundigt. Es gibt ja zwei Wege, den ›Sündenpfad‹ und der ›Büßerstieg‹. Ich wählte den ›Büßerstieg‹. Ich war fast oben, als ich vom Stein getroffen wurde. Benommen blieb ich liegen, bis das Wetter vorbei war. Ich konnte nicht absteigen. Mir schwindelte, wenn ich nur nach unten schaute. So blieb nur der Weg nach oben. Ich mußte raufkommen, um dann hinüberzuwechseln zum ›Sündenpfad‹. Dort sollte ein kleiner Gebirgsbach sein. Dort, versorgt mit Wasser, würde ich mich erholen können. Auch wenn es einige Tage dauern würde, bis der Schwindel nachlassen würde. Gehen konnte ich nicht. Also kroch ich auf allen Vieren. Ich hing mir den Biwaksack über die Schultern und schob den Rucksack vor mir her. Alle paar Meter mußte ich ausruhen. Franzi, ich kann dir nicht sagen, wie ich es geschafft habe. Ich weiß auch nicht, ob ich das Geröllfeld am ersten oder am zweiten Tag erreicht habe. Zwischendurch muß ich wohl öfters die Besinnung verloren haben oder eingeschlafen sein. Ich weiß es nicht.«

      Er zog kräftig an der Pfeife.

      »Wann ich meinen Rucksack verloren habe, weiß ich nicht. Da habe ich Lücken. Ich grub mir eine Mulde im Geröllfeld und legte mich hinein. Einmal am Tag versuchte ich zum Wasser zu kriechen, um etwas zu trinken. Ich wußte, daß ich mich nicht in die Nähe des Wassers legen durfte. Beim nächsten Regen hätte die Gefahr bestanden, daß ich von den Wassermassen überrascht würde. Franzi, ich verlor jedes Gefühl für Zeit. Ich sah nur immer dein Bild vor mir. Da standest du mit den Blumen im Arm in der Sonne und schautest mich an. Dahin wollte ich wieder. Wenn ich träumte, waren da Fetzen eines Bildes wie Splitterfelder in einem Kaleidoskop von einem Jungen. Jetzt weiß ich, daß es Jörg war, mein Zwillingsbruder.«

      Jens schenkte sich ein Glas Brunnenwasser ein, aus dem Krug, der auf dem Tisch stand.

      »Ich spürte, wie ich mich langsam erholte. Als Toni, Leo und Martin mich fanden, ging es mir schon etwas besser, körperlich. Doch dann stellte ich fest, daß ich mich kaum an etwas erinnern konnte. Ich wußte nicht, wie ich auf den Berg gekommen bin, wußte nicht, wer ich war. Nur gewisse Verhaltensweisen, wie man sie für die Berge braucht, waren mir präsent. Als Martin mich nach meinem Namen fragte, da sagte ich Jörg. Dieser Name war mir eingefallen. Ich war mir aber immer unsicher, ob ich wirklich Jörg heiße. Als Toni mir sagte, daß er mich zu dir bringen würde, da konnte ich mich fallen lassen. Martin erzählte mir, ich sei mit einem Lächeln sofort in tiefen Schlaf gefallen. Als ich aufwachte, bist du dagewesen. Du hast mich gepflegt, und ich konnte dir nahe sein.«

      Jens trank das Wasser aus.

      »Franzi, ich liebe dich! Aber ich kann nicht mit dir kommen am Sonntag. Ein altes Sprichwort sagt, man kann nicht auf zwei Hochzeiten tanzen. Eine andere Redensart lautet, dem Tode von der Schaufel gesprungen. Ja, ich bin dem Tod entronnen. Es war die Liebe zu dir, die mir die Kraft gab, daß ich für meine Dummheit und meinen Leichtsinn nicht mit meinen Leben bezahlt habe. Verstehe mich bitte richtig! Ich liebe dich nicht aus Dankbarkeit. Ich


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