Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
ebenfalls mit Hochzeitsgästen ausgebucht. Darüber hinaus hatten Toni und Anna bei Freunden und Nachbarn in Waldkogel noch Zimmer belegt.
Anna nahm einen Schluck Tee und lächelte.
»Was denkst du, mein Schatz? Du siehst so glücklich aus. Darf ich an deinen Gedanken teilnehmen?«
»Ein bißchen, aber nicht an allen!«
»So, du hast Geheimnisse? Du, ich bin dein zukünftiger Ehemann, gibt es da etwas, was ich wissen sollte?«
»Vielleicht! Aber du mußt dich noch gedulden! Das andere erzähle ich dir gern. Ich bin froh, daß wir alles so gut vorbereitet haben. Ich freue mich auf die Feiern, auf das Fest mit allen jungen Leuten am Abend vor der standesamtlichen Trauung, auf die Trauung durch den Bürgermeister Fellbacher hier vor der Berghütte und auf die kirchliche Hochzeit drunten in Waldkogel. Vor allem freue ich mich auf ein paar wunderschöne ruhige Tage jetzt mit dir hier ganz allein auf der Berghütte. Wir machen schöne lange Bergwanderungen, sitzen abends vor der Berghütte, so wie jetzt, und schauen dem Sonnenuntergang zu. Wer weiß, wann wir wieder so viel Zeit haben, Zeit nur für uns, wenn die Berghütte erst einmal ganz eröffnet ist?«
»Freust du dich nicht darauf`?«
»Doch, Toni, ich freue mich darauf, auf unser gemeinsames Leben. Wir werden Mann und Frau sein und gemeinsam die Berghütte betreiben. Es wird wunderschön werden. Wir werden den ganzen Tag zusammen sein. Du wirst immer bei mir sein. Ich bedaure andere Ehefrauen. Da geht der Mann morgens zur Arbeit und kommt oft erst sehr spät abends heim. Bei uns wird das nicht so sein. Du und ich, wir werden zusammen sein, jeden Tag.«
»Ja, Anna, das werden wir! Ich bin sehr glücklich darüber, daß ich in dir eine Frau habe – eine Frau bekommen werde –, die meine Ideale, meine Lebensvorstellungen und Pläne zu ihren eigenen gemacht hat. Ich weiß wohl, daß das nicht überall so ist.«
Anna streichelte mit der Hand Tonis Wange.
»Bilde dir ja nicht so viel ein. Darfst nicht denken, daß ich das nur dir zuliebe mache. Ich habe die Berghütte gesehen und wußte, daß ich hierher gehöre. Ich wußte, daß es das ist, was ich auch machen wollte.«
Die Sonne war jetzt hinter den Bergen verschwunden. Es wurde kühler. Toni und Anna gingen in die Berghütte. Anna setzte sich an den Kamin. Toni legte Holz nach und holte seiner Braut noch einen Tee. Dann setzte er sich an den Tisch und spielte Zither. Anna lauschte und dachte daran, was sie in den letzten Wochen und Monaten erlebt hatte, seit dem Augenblick, da ihr Antonius Baumberger im Abteil des Zuges gegenübergesessen hatte.
*
Karsten Niederhauser betrat den großen Walmdachbungalow im noblen Vorort. Wie so oft war der erfolgreiche Unternehmensberater und Chef einer großen Beratungsfirma mit vielen Angestellten spät heimgekommen.
Er stutzte über die vielen Koffer, die, schön nach Größe geordnet, in der Halle standen.
»Renate?«
»Ich bin im Salon!«
Mit großen Schritten eilte Karsten zu Renate.
»Was sollen die Koffer? Verreist du?«
Renate Niederhauser, eine sehr schöne Frau mit langen schwarzen Haaren und auffallend schöner Figur, schüttelte den Kopf.
»Setz dich, Karsten! Whisky oder Cognac?«
Sie trat zur Bar.
»Whisky.«
Renate füllte ein Glas mit Eis und gab uralten schottischen Whisky dazu. Sie reichte das Glas Karsten, der sich in einen der italienischen Ledersessel hatte fallen lassen. Sie selbst trank nur Orangensaft. Bewußt setzte sich Renate in den von ihm am weitesten entfernten Sessel.
»Nein, ich verreise nicht, Karsten. Ich bringe einige persönliche Dinge zu einer Freundin. Das meiste ist schon gepackt, Kleider und ein paar wenige Erinnerungen. Es war zwar sehr großzügig von dir, mir dieses Haus zu überlassen, quasi als Geschenk. Deine sehr gut bemessene nUnterhaltszahlungen würden es mir auch ermöglichen, dieses Haus zu unterhalten, Karsten. Aber ich will nicht!«
Karsten Niederhauser wollte etwas einwenden, doch Renate gebot ihm mit einer Handbewegung zu schweigen.
»Laß mich ausreden, Karsten! Ich weiß das sehr wohl zu schätzen. Aber ich will das nicht. Wir trennen uns zwar ohne Streit und ohne den üblichen Kleinkrieg, denke ich. Aber wenn wir uns schon trennen, dann will ich einen ganz neuen Anfang machen. Ich habe mir bereits eine Wohnung gemietet. Du kannst gerne hier wohnen bleiben oder sonstwie über das Haus verfügen.«
»Dir hat das Haus nie gefallen. Daraus hast du nie einen Hehl gemacht.«
»Stimmt! Mir hat das Haus nie gefallen. Ab dem Tag, an dem wir hier eingezogen waren, ging unser Leben entzwei. Es war kein Heim. Es war ein Aufbewahrungsort für kostbare Dinge, die Prestige und Ansehen bringen. Auch die Menschen waren hier nur Dekorationsstücke – ich – du – unser Sohn Dennis.«
»Ich habe es doch nur gut gemeint, Renate. Du hast es nie verstanden.«
»Darüber wollen wir jetzt nicht sprechen, Karsten. In der alten Villa mit den knarrenden Fußböden, den alten Fenstern, der mit Moos bewachsenen Treppe im Garten, den ausgetretenen Sandsteinstufen zur Vordertür, da fühlte ich mich wohl. Wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätten wir diese alte Villa etwas renovieren und modernisieren können. Das wäre nicht so teuer gekommen wie dieser Palast mit dem Flair einer Eishöhle. Ich weiß, ich weiß! Du brauchtest das. Deine Klienten erwarteten das von dir. Ich brauchte das nie. Im gleichen Maße, wie du die Einrichtung und das Leben um dich herum verändert hast, hast du dich auch verändert, Karsten. Wir haben oft darüber gesprochen, und ich will mich nicht wiederholen. Wir haben zusammen ein Kind und wir haben deshalb beschlossen, daß wir alles so regeln, daß wir auch zukünftig noch miteinander reden können.«
»Ja, das haben wir! Gerade weil wir Dennis haben, dachte ich, daß du als Mutter hier bleiben sollst. Wenn Dennis in den Ferien heimkommt, dann sollte er alles so vorfinden wie immer.«
»Dennis ist jetzt zwölf Jahre. Die meiste Zeit des Jahres ist er im Internat. In den Ferien sind wir mit ihm, das heißt meistens bin nur ich mit ihm verreist, da du ja keine Zeit hattest in den letzten Jahren.«
»Jemand mußte das Geld verdienen!«
»Es war kein Vorwurf, Karsten! Nur eine Feststellung! Machen wir es kurz! Ich bleibe nicht hier! Ich gehe erst einmal zu einer Freundin. Die unterschriebenen Dokumente habe ich auf deinen Schreibtisch im Arbeitszimmer gelegt. Die entsprechenden Passagen habe ich gestrichen. Ich muß noch ein paarmal ins Haus, um einige Kisten zu holen und Dennis’ Sachen. Ich werde tagsüber kommen, wenn du in der Firma bist. Wenn ich damit fertig bin, lasse ich den Schlüssel hier. Ich habe mit dem Gärtner und der Haushälterin gesprochen. Es wird alles so weiterlaufen. Solltest du Fragen haben oder Rat brauchen, kannst du mich anrufen. Wir sind ja erwachsene Leute.«
Renate trank ihren Saft aus und stand auf.
»Ich werde jetzt ein Taxi rufen. Ich bekomme nicht alle Koffer in meinen Sportwagen.«
»Ich kann dir auch helfen!« Karsten war aufgestanden.
»Nein, danke! Sicherlich ist das gut gemeint, aber ich muß mich daran gewöhnen, daß ich jetzt alleine bin. Bleibe bitte sitzen.«
Renate Niederhauser wirkte nach außen kühl und sachlich. In Wirklichkeit war sie innerlich zerrissen. Ihr Herz war wund vom Leid, von der Enttäuschung über ein gemeinsames Leben mit dem Mann, den sie einmal geliebt hatte. Doch er hatte sich so verändert. Er war ein völlig anderer geworden. Deshalb hatten sie beschlossen sich zu trennen.
Renate Niederhauser drehte sich um und ging hinaus. Karsten hörte, wie sie von der Halle aus nach einem Taxi telefonierte. Er blieb sitzen und lauschte mit geschlossenen Augen. Er fühlte sich müde, leer, erschöft, wie jeden Tag nach einem so langen Arbeitstag.
Dazu kam, daß er Renate nicht verstand. Er hatte lange gedacht, daß er alles richtig machte. Er wollte seiner Familie alles bieten. Sein Sohn sollte