Butler Parker Paket 1 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
Auf Zehenspitzen ging er zurück zur Tür, verschwand im Büro des Patentanwaltes und empfahl sich. An einem weiteren Gespräch war er nicht mehr interessiert, zumal die Polizei ohne seine ausdrückliche Billigung eingeschaltet worden war.
Parker fuhr mit dem Expreßlift nach unten in die Halle der Handelskammer, betrat die Straße und suchte das Weite. Er wußte jetzt, welchen Kurs er zu steuern hatte.
*
Zuerst mußte er die Unterlagen in Sicherheit bringen. Gut, er hätte sie in Professor Manfields Büro abliefern können, aber waren sie gerade dort sicher? Stammten sie nicht aus dem Büro dieses Professors? Waren sie nicht gerade dort fotokopiert worden?
Parker hätte sich mit der Polizei in Verbindung setzen können. Sie war schließlich für solche Dinge zuständig. Doch würden die beiden Gangstergruppen das zur Kenntnis nehmen? Sie hielten ihn schließlich entweder für James Henderson, oder sie betrachteten ihn als eine billige Imitation jenes Mr. Henderson. In beiden Fällen mußte er mit weiteren Nachstellungen und Verfolgungen rechnen.
So lange sich die Unterlagen aber in seiner Hand befanden, besaß er so etwas wie eine Lebensversicherung.
Hinzu kam, daß Parker eben Kriminalist aus Leidenschaft war. Es reizte ihn einfach, in Erfahrung zu bringen, wer die Unterlagen fotokopiert hatte, wer dafür von wem bezahlt worden war und welche Gangstergruppe sich zusätzlich eingeschaltet hatte. Hier handelte es sich um einen Fall, der ihm einfach lag.
Die Frage war nur, OB er seinen jungen Herrn, Anwalt Mike Rander, benachrichtigen sollte und mußte. Durfte er auf eigene Faust handeln? War es nicht seine Pflicht, umgehend mit Mike Rander zu sprechen?
Parker einigte sich mit sich. Er beschloß anzurufen, aber nicht umgehend sondern sofort. Er wollte erst noch weitere Details zur Sache sammeln.
Nach seinem Besuch beim Patentanwalt erstand der Butler in einem Papierwarengeschäft Einschlagpapier, Kordel und Aufklebeadressen. Er fertigte ein handliches Päckchen an, in dem die Fotokopien staken. Dieses Päckchen adressierte er an einen Mr. Arthur Rivers, hauptpostlagernd Chikago. Er brachte es umgehend zur Post und war ungemein erleichtert, als sich dieses Päckchen in der Obhut der US Mail befand. Ein sichereres Versteck hätte er sich überhaupt nicht wünschen können.
Damit waren seine speziellen Vorbereitungen aber noch nicht beendet. Es galt noch sehr viel zu tun.
Parker suchte im Branchenverzeichnis von Miami nach einem ganz bestimmten Geschäft. Anschließend suchte er es auf. Es handelte sich um ein Scherzartikelgeschäft, das er am Rande der Stadt besuchte.
Parker war hier in seinem Element.
Mit fast jungenhaftem Eifer suchte und wählte er. Er investierte fast fünfzig Dollar und ließ sich die eingekauften Artikel sorgfältig verschnüren.
Doch damit nicht genug. Parker schien von einem Einkaufsfieber erfaßt worden zu sein.
Nach dem Besuch im Geschäft für Scherzartikel aller Art war er in einem Eisenwarengeschäft zu sehen, in dem er eine Stahlkassette erstand. Sie war groß genug, um Fotokopien bequem aufzunehmen.
Damit immer noch nicht genug.
Josuah Parker tauchte wenig später in einer Fachbuchhandlung auf. Er ließ sich eingehend beraten und entschied sich schließlich für ein mathematisches Werk, in dem sich Formelsammlungen, Diagramme, Konstruktionsskizzen und sonstige rätselhafte Zeichnungen vereinigten.
Parker war immer noch nicht zufrieden. Es gehörte zu seinen Grundprinzipien, Dinge, die getan werden mußten, gründlich zu tun. In diesem Zusammenhang scheute er dann weder Kosten noch Mühen.
Nach seinen Einkäufen kehrte er für eine knappe halbe Stunde in einer stillen Bar ein, wo er das mathematische Werk gründlich rupfte.
Parker löste bestimmte Seiten aus dem Band, sortierte, verwarf und entschied sich. Schließlich hatte er ein Bündel fliegender Blätter vor sich, die ihm außerordentlich gefielen, was den Inhalt anbetraf, von dem er verständlicherweise zwar nichts verstand, die aber außerordentlich fachgerecht wirkten.
Diese Buchseiten trug Parker anschließend in eine Fotokopieranstalt, wo man ihm ohne viel Fragen Fotokopien anfertigte. Der Butler konnte gleich an Ort und Stelle auf die prompte Erledigung seines Auftrages warten.
Beladen mit seinen Einkäufen erschien er anschließend in einem Autoverleih und mietete sich einen Ford. Er wollte unabhängig sein und nicht auf Taxis warten müssen.
Er verstaute seine Einkäufe, setzte sich ans Steuer und verließ Miami. Außerhalb der Stadt parkte er den Ford und beschäftigte sich sehr intensiv mit seinen eingekauften Artikeln. Er brauchte fast eine knappe Stunde, bis er alles zu seiner vollsten Zufriedenheit geregelt hatte.
Dann verließ er den Parkplatz und suchte abseits der Straße ein stilles Fleckchen Erde. Nach einigem Suchen fand er eine von Steintrümmern gebildete natürliche Höhe. Hier stellte er seine Kassette ab, kehrte zurück zum Ford und fuhr zurück in die Stadt.
Während dieser Fahrt spiegelte sein sonst so undurchdringliches Pokergesicht stille Zufriedenheit wider. Parker hatte seine Vorbereitungen gründlich getroffen. Von ihm aus konnten die diversen Gangstergruppen sich wieder sehen lassen.
*
Parker wohnte natürlich nicht im »Miramare«. Das hatten nur Mike und Joe geglaubt, die ihn ja für James Henderson hielten. Parker war im »Seaside« abgestiegen, einem Hotel der soliden Mittelklasse, in dem man seine Ruhe und seinen durchschnittlichen Komfort hatte.
Er war gespannt, ob man ihn bereits aufgespürt hatte. Er unterschätzte weder Mike noch Joe, weder Walt noch Butch. Sie verstanden gewiß ihr Handwerk. Oder hatten es verstanden, wie Joe …
Parker betrat scheinbar arglos das Hotel, in dem er unter seinem richtigen Namen wohnte. Er ließ sich vom Portier den Zimmerschlüssel geben und fuhr mit dem Lift nach oben. Als er vor der Zimmertür stand, beschlich ihn ein seltsames Gefühl. Es handelte sich nicht um ein normales Angstgefühl, es war mehr ein inneres Alarmzeichen. Er fühlte und wußte deutlich, daß gewisse Dinge seiner harrten.
Er hätte zurückgehen können. Ihm stand es noch frei, schleunigst die Stadt zu verlassen. Er brauchte sich nur zu entscheiden. Doch Parker dachte überhaupt nicht an diese Möglichkeit. Er schob den Schlüssel ins Schloß und sperrte auf.
Im Zimmer hatte sich nichts verändert.
Bis auf den frischen, warmen und noch würzigen Zigarettenrauch, der unter der Zimmerdecke hing. Parker nahm ihn zur Kenntnis, ließ sich jedoch nichts anmerken. Er ging quer durch das Zimmer und wollte die Tür zum kleinen Balkon öffnen.
»Lassen Sie die Tür zu!«
Die Stimme, die ihm diesen Befehl zurief, kam gedämpft und hörte sich fast angenehm an.
Parker drehte sich um.
Aus dem Badezimmer kam ein dunkelgrau gekleideter Mann von zirka vierzig Jahren. Er war schlank, mittelgroß und hatte ein regelmäßig geschnittenes Gesicht.
»Sie überraschen mich«, stellte der Butler fest.
»Das war auch der Sinn der Sache«, gab der ungebetene Besucher lächelnd zurück. »Sie haben gewiß etwas Zeit für mich, oder?«
»Diese Zeit werde ich mir nehmen müssen, fürchte ich.«
»Gut, daß Sie Ihre Lage richtig einschätzen.« Der Mann ließ sich in einem Sessel nieder und sah den Butler prüfend an. »Ich möchte Ihnen einige Fragen stellen, Henderson.«
»Sind Sie sicher, daß ich Mr. Henderson bin?« fragte Parker.
»Natürlich … Warum sollten Sie es nicht sein?«
»Jeder Mensch soll irgendwo auf der Welt seinen ganz persönlichen und unverwechselbaren Doppelgänger haben«, antwortete der Butler.
»Kommen Sie mir nicht mit solchen Ausreden, Henderson. Sie passen nicht zu Ihnen.«
»Nun gut, und wie darf ich Sie anreden?«