Butler Parker Paket 1 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
Er hatte die Absicht, nach wie vor unauffällig zu arbeiten. Noch hielt er den Zeitpunkt nicht für gekommen, sich mit Leutnant Branch ausführlich zu unterhalten …!
*
»Ich wette, dieser Parker existiert überhaupt nicht«, regte sich Staff Weed auf und drückte ein Pflaster auf die Rißwunde seines ziemlich enthaarten Schädels. »Diese ganze Geschichte mit dem verdammten Wassereimer ist doch unwirklich, oder etwa nicht?«
»Na, so unwirklich wieder nicht«, antwortete Pierce und wrang sein Hemd aus. »Ich jedenfalls bin pitschnaß geworden. Wenn ich diesen Lazer erwische, kann er sich auf was gefaßt machen.«
»Ihr Idioten habt euch reinlegen lassen«, behauptete Joe Harms und winkte ab. »Ob dieser Parker existiert oder nicht, Lazer ist verschwunden. Und mit ihm seine Unterlagen. Der Kerl weiß eine Menge von uns. Wenn er will, kann er uns jederzeit reinlegen.«
»Wieso denn das?« fragte Weed. »Wenn er den Mund aufmacht, fliegt er doch selbst rein. Er hat genug Dreck am Stecken.«
»Ich glaube, daß er alle seine Kunden längst abkassiert hat und mit dem Geld durchgeht.« Pierce widmete sich seinem immer noch triefend nassen Kragen. »In seiner Wohnung deutet alles darauf hin. Sein Safe ist leer, und er dürfte sich auch einen Koffer gepackt haben. So sah’s da wenigstens aus.«
»Jetzt hilft alles nichts mehr, wir müssen dem ›Bankhalter‹ die Sache durchgeben.« Joe Harms verzog sein Gesicht. Der Gedanke an dieses Gespräch schuf ihm bereits Magenschmerzen. »Daß ihr euch aber von Lazer habt reinlegen lassen, also, das begreife ich einfach nicht.«
»Was wird der Boß denn wohl sagen?« wollte Pierce schon im voraus wissen.
»Wenn wir Glück haben, wird er einen Riesenkrach schlagen und uns die Prämien kürzen.« Joe Harms sprach in einem Ton, als glaube er niemals an solch eine glückliche Lösung.
»Und wenn wir kein Glück haben?« Diese Frage stellte Weed, der trotz seiner freundlichen Augen sachlich und nüchtern war.
»Dann …« Joe Harms räusperte sich und faßte sich an seinen trocknen Kragen. »Dann … könnten wir eventuell Ärger bekommen. Großen Ärger sogar, Jungens.«
»Denkst du jetzt an die Bluthunde?«
»Machen wir uns nichts vor«, beantwortete Harms die Frage des glatzköpfigen Weed. »Es kann durchaus sein, daß die sich mit uns befassen.«
»Sollen wir darauf warten?« fragte Chris Pierce nervös. »Wir alle haben doch versagt.«
»Was schlägst du denn vor?« wollte Weed wissen.
»Ich schlage gar nichts vor«, entgegnete Pierce. »Der Boß unseres Reviers ist Harms. Er muß wissen, was wir tun sollen.«
»Das weiß ich, und das werde ich sofort tun. Ich werde dem ›Bankhalter‹ diese Pleite durchgeben. Zuerst muß Herm Lazer jetzt mal geschnappt werden. Weit kann er noch nicht sein. Wie ich ihn kenne, wird er versuchen, mit seinem Mädel Kontakt aufzunehmen. Die solltet ihr mal besuchen und ihr einige Fragen stellen. Inzwischen rufe ich den Boß an.«
Pierce und Weed erhoben sich überraschend schnell. Sie erreichten gleichzeitig die Tür und behinderten sich gegenseitig.
»Noch etwas, Jungens.« Joe Harms’ Stimme stoppte sie. »Versucht nur ja nicht, auch abzuhauen! Das könnte euch schlecht bekommen. Wird schon nicht so schlimm werden …!«
Harms wartete, bis seine beiden Leute draußen in der Kneipe waren. Dann zog er das Telefon heran und wählte Ben Waltons Nummer. Der Sekretär der »Juicemen« meldete sich sofort. Er unterbrach Joe Harms mit keinem Wort, als der Gangster von der Pechserie in seinem Revier berichtete.
»Schön, ich werde das sofort an den ›Bankhalter‹ weiterleiten«, versprach er. »Vorerst wird nichts unternommen. Wir stellen fest, ob es diesen Mr. Parker überhaupt gibt. Wir werden Herm Lazer suchen und auch finden.«
»Wie wird der Boß das aufnehmen?« erkundigte sich Joe Harms vorsichtig.
»Keine Ahnung, Joe. Aber ich will dir nichts vormachen, das ist die bisher größte Panne, die uns passierte. Lazer weiß eine Menge über unsere Organisation. Er könnte uns größere Schwierigkeiten bereiten.«
»Momentchen mal, er kennt doch nur die Verhältnisse in meinem Revier, Walton.«
»Das ist allerdings ein Glück, zugegeben. Zuviel kann er also nicht verraten. Bleib am Apparat! Im Laufe des Abends werde ich dich wieder anrufen und dir sagen, was geschehen muß. Ende …!«
Nachdenklich legte Joe Harms auf.
Fast beneidete er Herm Lazer, der sich abgesetzt hatte und vielleicht auch durchkam. Er, Joe Harms, kam sich auf jeden Fall so vor, als säße er auf einem Pulverfaß und müsse die bereits brennende Lunte beobachten, ohne dagegen etwas unternehmen zu können. Minuten später gestand er sich offen ein, daß er vor Angst bereits schwitzte …!
*
Chris Pierce kam weit nach Mitternacht nach Hause. Er wohnte über einem Grünkramladen in Carroll Street und hatte sich dort zwei Räume eingerichtet. Von hier aus unternahm er seine Streifzüge, um Geld auszuleihen und noch mehr Gelder wieder einzukassieren.
Nach der Panne mit Herm Lazer fühlte Pierce sich bester Laune. Er ahnte, daß nun auch die Glanzzeiten seines Revierchefs Joe Harms vorüber waren. Der »Bankhalter« würde solch eine Panne bestimmt nicht durchgehen lassen. Pierce rechnete sich Chancen aus, Joe Harms’ Revier übertragen zu bekommen. Das bedeutete mehr Macht und auch größere Privateinnahmen!
Er sperrte die Haustür neben dem großen Schaufenster auf, stieg über die Treppe hinauf in die erste Etage und schloß seine Wohnung auf. Er gähnte und schaltete das Licht ein.
»Da sind Sie ja endlich«, begrüßte ihn eine baritonal gefärbte, ausdrucksvolle Stimme. »Ich muß gestehen, daß ich gerade fest entschlossen war, ungeduldig zu werden.«
Chris Pierce starrte seinen Besucher an. Er sah einen schwarzgekleideten Mann, dessen Alter nur sehr schwer zu bestimmen war. Der Besucher lüftete grüßend eine schwarze Melone und erhob sich.
»Wie … wie kommen Sie denn hier rein?« staunte Chris Pierce. Er rieb sich die narbige Nase und war plötzlich wieder nüchtern. Er glaubte zu wissen, wer dieser Mann war. Herm Lazer hatte den alten Mann, der ihn übers Ohr gehauen hatte, nur zu genau beschrieben. Aber war dieser Parker, wie er ja hieß, wirklich so alt?«
»Ich nahm mir die Freiheit, ohne Ihre Erlaubnis einzutreten«, antwortete Josuah Parker. »Ich habe übrigens Grüße von Ihrem Kollegen Herm Lazer auszurichten. Er fühlte sich den Umständen entsprechend wohl.«
»Was wollen Sie von mir?« Chris Pierce schätzte seinen Besucher ab und war fest entschlossen, sich nicht hereinlegen zu lassen. Er fühlte sich diesem Mann durchaus gewachsen, zumal in seinem Schulterholster eine 38er stak.
»Unterschieben Sie mir bitte keine unlauteren Absichten, wenn ich das Sündengeld, das Sie ihren Kunden abnehmen, wieder zurückhole.«
»Wie war das …?«
»Ich möchte Sie bitten, die einkassierten Gelder abzuliefern.« Parker lächelte verbindlich und wischte sich ein unsichtbares Stäubchen vom Mantelkragen herunter. »Sie dürfen versichert sein, Mr. Pierce, daß das Geld einer nutzbringenden Verwendung zugeführt wird.«
»Sie sind … verrückt …!« Pierce sprach noch, als, seine Hand blitzartig hochschoß und nach dem Revolver greifen wollte. Doch Parkers Regenschirm war wesentlich schneller. Er lag plötzlich waagerecht in der Luft. Aus dem unteren Teil des Schirms wippte ein langer Stockdegen, dessen Spitze Pierces Adamsapfel kitzelte.
»Wir wollen uns doch nicht unnötig inkommodieren«, meinte Parker sanft. »Sie müssen nämlich wissen, daß ich von Schußwaffen herzlich wenig halte.«
Pierce schwitzte vor Wut und Angst. Eben hatte er sich noch geschworen, er ließe sich von diesem seltsamen Raben nicht hereinlegen. Und nun saß er schon in der Falle. Er hätte sich am liebsten