Dr. Norden Staffel 3 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
ein Mann in seiner Position darauf angewiesen sein sollte«, gab Mario zu bedenken, ehe sich ihre Wege trennten. »Vielleicht meint er es einfach nur gut mit seinen Mitmenschen.« Er winkte seiner Schwester und machte sich auf den Weg zur Intensivstation, wo er dringend erwartet wurde.
Fee sah ihm kurz nach. Dann steckte sie die Hände in die Kitteltaschen und ging in die andere Richtung davon, um ihr Versprechen einzulösen und nach dem Freund ihrer Tochter zu sehen.
*
Dr. Daniel Norden hatte den Rat seiner langjährigen Assistentin befolgt und Franziska Weiß am späten Nachmittag noch einmal in die Praxis bestellt. Bevor ein Unglück passieren konnte, wollte er ihrer Krankheit unbedingt auf den Grund gehen.
Im Wartezimmer wartete Franziska auf ihre Behandlung. Nach einem turbulenten Tag saß nur noch eine Patientin dort, die einen Termin bei Danny Norden Junior hatte. Verena Natter litt unter chronischer Bronchitis und hustete unentwegt. Ein paar Minuten schwieg Franziska Weiß und versuchte, sich auf einen Artikel zu konzentrieren. Doch irgendwann war es vorbei mit ihrer Geduld. Entnervt klappte sie die Zeitschrift zu und funkelte Verena wütend an.
»Hören Sie schon auf! Das hält ja keine Menschenseele aus!«
Verena Natter zuckte erschrocken zusammen.
»Aber ich tu es doch nicht mit Absicht«, setzte sie sich entschieden zur Wehr. »Was sind Sie nur für ein Mensch?«
Wenn sie erwartet hatte, Franziska mit dieser Frage nachdenklich zu stimmen, so hatte sie sich geirrt.
Ihre Miene blieb kalt und herzlos.
»Wie darf ich diese Frage verstehen?«, fragte sie herausfordernd. »Moralisch, philosophisch oder wissenschaftlich?«
Verena Natter war so schockiert, dass sie sogar ihren Husten vergaß.
»Ich werde mich beschweren«, erklärte sie und stand auf, um das Wartezimmer zu verlassen.
»Ja, machen Sie nur, Sie kleine Petze! Mir schlottern die Knie vor Angst.« Franziska Weiß lachte unbeeindruckt.
Verena war noch nicht an der Tür angelangt, als Janine ihr entgegenkam. Sie hatte den Disput am Tresen mit angehört und gemeinsam mit Wendy beschlossen einzugreifen.
»Ich muss schon sehr bitten, Frau Weiß!«, erklärte sie streng.
»Was denn? Ist doch wahr!«, fauchte Franziska zornig und schien sich jeden Augenblick auf Verena Natter stürzen zu wollen.
»Bitte beruhigen Sie sich!«
»Wenn Sie gehen und diese Petze mitnehmen, kann ich mich vielleicht beruhigen.« Frau Weiß dachte jedoch gar nicht daran, einsichtig zu sein.
Verena Natter stand immer noch neben Janine und bebte vor Erregung. Tröstend legte die Assistentin den Arm um ihre Schultern.
»Das werde ich sicher nicht tun«, erklärte sie in Franziskas Richtung.
Doch auch diese Worte prallten wirkungslos von der aufsässigen Patientin ab.
»Das sollten Sie aber. Sonst bekomme ich nämlich gleich meinen nächsten Anfall, und Sie wissen ja, wohin das führen kann.«
Angesichts dieser Dreistigkeit stand Janine der Mund offen. War Franziska Weiß nichts anderes als eine Simulantin, die um jeden Preis um Aufmerksamkeit kämpfte?
Glücklicherweise kam in diesem Moment Daniel Norden vorbei und steckte den Kopf ins Wartezimmer. Auch er hatte die lauten Stimmen gehört.
»Gibt es ein Problem?« Fragend sah er von einer zur anderen, und augenblicklich erhellte sich Franziskas verkniffene Miene. Sie griff nach ihrer Tasche und sprang vom Stuhl auf.
»Sie sind meine Rettung, Herr Doktor«, rief sie und eilte mit ausgestreckter Hand auf Daniel zu.
Der zögerte nur kurz.
»Kommen Sie bitte mit in mein Sprechzimmer«, erklärte er mit einem vielsagenden Blick in Janines Richtung. Darin lag die Bitte, sich um Verena Natter zu kümmern und sie milde zu stimmen.
Diese stumme Bitte verstand die fleißige Assistentin auch ohne Worte und tat ihr Bestes, um ihre aufgebrachte Patientin zu beruhigen.
*
Als Daniel Norden gegenüber Franziska Weiß Platz nahm, dachte er kurz über den Plan nach, den er sich im Laufe des Tages zurecht gelegt hatte.
Geduldig, als könne sie kein Wässerchen trüben, saß sie ihm gegenüber und wartete darauf, dass er das Gespräch eröffnete.
»Sämtliche Untersuchungen haben ergeben, dass Sie organisch völlig gesund sind.« Er hatte beschlossen, den Vorfall im Wartezimmer zu ignorieren. Stattdessen nahm er die Laborberichte zur Hand, die am Nachmittag aus der Behnisch-Klinik gekommen waren. »Die Ursache für das Herzrasen ist einfach nicht herauszufinden«, seufzte er und hob den Kopf, um ihr in die Augen zu sehen. »Ich frage mich wirklich, wie Sie mit der ständigen Angst vor diesen Anfällen klarkommen.«
Das ehrliche Mitgefühl des Arztes überraschte Franziska. Schon lange hatte sich niemand mehr für ihre Gefühle interessiert, und um ihre Mundwinkel zuckte kurz ein feines Lächeln.
»Ehrlich gesagt macht mich das völlig wahnsinnig«, gestand sie schließlich leise und fast ein bisschen verlegen. »Ich weiß genau, dass das nächste Herzrasen, die Todesangst bestimmt wiederkommen. Mit diesem Gedanken stehe ich morgens auf und gehe abends wieder ins Bett. Und die ganze Zeit weiß ich, dass es irgendwann einmal schief gehen wird. Irgendwann werde ich einen Herzinfarkt bekommen.«
Daniel ließ sich Zeit mit einer Antwort. Er wusste, dass alles darauf ankam, dass er die richtigen Worte fand.
»Manchmal werden Sie ganz schön wütend, oder?«, tastete er sich vorsichtig an das Problem heran.
Zu seiner großen Erleichterung wurde Franziska Weiß nicht zornig. Stattdessen senkte sie den Kopf und spielte mit dem Henkel ihrer Handtasche, die auf ihrem Schoß stand.
»Es gibt wirklich Augenblicke, da verliere ich einfach die Kontrolle«, gestand sie sichtlich zerknirscht. »Wer mir dann über den Weg läuft, hat schlechte Karten.«
In diesem Augenblick drang gedämpftes Husten durch die Wände. Offenbar untersuchte Danny seine Patientin im Nebenzimmer, und sofort stand eine steile Falte zwischen Franziskas Augen.
»Geht das schon wieder los?«, stöhnte sie genervt.
Diesmal schwieg Daniel Norden nicht.
»Die Patientin ist hier, weil sie krank ist. Sie hustet nicht absichtlich, um Sie zu ärgern, und leidet mit Sicherheit mindestens genauso darunter wie Sie«, machte er sie auf die unabänderlichen Tatsachen aufmerksam.
Seine eindringliche Stimme brachte Franziska zum Nachdenken.
»Glauben Sie wirklich?« Fragend legte sie den Kopf schief. »Na dann …«
Ihre Reaktion machte Daniel Norden Mut. Er lehnte sich vor und stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch.
»Wissen Sie, ich versuche immer, mich in andere Menschen hinein zu versetzen, mich zu fragen, wie es ihnen wohl im Augenblick geht«, erklärte er freundlich. »Vielleicht sollten Sie das auch einmal probieren.«
Franziska Weiß wagte es kaum, ihrem Arzt ins Gesicht zu sehen. Instinktiv wusste sie, dass er recht hatte. Aber sie kannte auch den Grund für ihr Verhalten. Und doch brachte sie es nicht über sich, sich ihm zu offenbaren.
»Ich weiß nicht …«, erwiderte sie zögernd.
»Seit wann haben Sie denn dieses Herzrasen?«, fuhr Daniel unermüdlich mit seiner Befragung fort. Er war wild entschlossen herauszufinden, woher Franziskas Probleme rührten.
»Seit einigen Monaten. Anfangs war es ja noch erträglich. Aber langsam zerstört es mein ganzes Leben. Selbst meinen Schülern gegenüber reagiere ich ungehalten und manchmal sogar richtig aggressiv. Mein Chef hat schon damit gedroht, mir zu kündigen.«
»Ihre Stelle in der