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Expedition Antarctica. Evelyne BinsackЧитать онлайн книгу.

Expedition Antarctica - Evelyne Binsack


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die Füße gefroren. Meine Mutter hat mir um meine Schuhe von Meindl wärmeisolierende Uberzugsgamaschen genäht, damit meine vom Himalaja kälteempfindlich gebliebenen Zehen möglichst keine weiteren Schäden davontragen müssten.

      Den Materialschlitten schließlich hatte ich bei den beiden Polfahrern Paul Landry und Matty McNair gesehen. Leicht sollte er sein und breit genug, um die Unebenheiten des südlichen Polareises durchzustehen. Marke Fjellpulken aus Norwegen. Siebeneinhalb Kilo scheinen nicht schwer, aber über mehr als tausend Kilometer und beladen mit über hundert Kilo Material, fällt jedes Kilo ins Gewicht. Das Verdeck darüber ist leicht – zu leicht vielleicht, und ob der Klettverschluss sich im Schneetreiben bewährt, würde ich sehen. Auch die Zuggurte sind von Fjellpulken. Eigentlich für die Kitesurfer gebaut, habe ich sie für meine Zwecke umgearbeitet, mit einem verstellbaren Karabiner versehen und mit dem Gestell eines Rucksacks verbunden. So konnte ich den Zug auf Hüfte und Schultern beliebig verteilen.

      Hemd und Hose

      Für lange Jahre galt Goretex bei nassem Wetter als Garant für trockene Haut. In der Antarktis bewähren sich sogenannte Hybridstoffe besser. Sie schützen vor Wind, sind aber nicht wasserdicht, sodass die Körperfeuchtigkeit nach außen besser entweicht. Mammut hat alle meine Erwartungen bestens erfüllt. Um weder zu frieren noch zu schwitzen, setzte ich aufs Zwiebelprinzip. Ich hatte genügend Schichten zum Schälen dabei: Unterziehleibchen, Uberziehleibchen, zwei Pullis, einer über dem andern zu tragen, eine Jacke und eine zweite Jacke über die erste. Für die Pausen muss eine Daunenjacke griffbereit liegen. Man kühlt sehr schnell aus. Zur Jacke gehört unbedingt eine Kapuze mit Pelzrand gegen den Wind. Schafpelz ist untauglich, da der Schnee in der Wolle verklumpt. Das wussten schon Pioniere wie Amundsen, Scott oder Shackleton: Meine Fuchspelzchen sind schon auf den Fotos von damals zu sehen. Die alten Fotos geben auch zu erkennen, dass es damals weder den Reiß- noch den Klettverschluss gab. Und durch Knopflöcher und Ösen fühlst du die Kälte fast wie eine Flüssigkeit in ekligen Bächlein der Haut entlangrieseln.

      Auch im Gesicht kommt unter der Kapuze Schicht über Schicht. Zuerst eine Halskrause bis unter den Mund. Darüber eine Balaklava und ein winddichtes Stirnband. Meine Mutter hatte mir gegen Wind und Kälte maßgerecht auch eine Gesichtsmaske geschneidert. Um mich voll zu vermummen, setzte ich eine Sturmbrille darüber. Doch all das sollte die Wangen nicht genügend vor Frostbeulen schützen. Sie kommen heimtückisch, schmerzlos. Erst abends, wenn man sich berührt, erschrickt man über die Gefühllosigkeit.

      Und sonst noch? Handschuhe in drei Schichten – und natürlich, wie sich das gehört für eine Frau, das kleine Schwarze … Denkste. Für die ganzen fünfzig Tage Antarktis habe ich mir nur drei paar Unterhosen geleistet. Waschen unmöglich.

      My Tent is my Castle

      Nicht dass ich gedachte, bei Pfadfinderromantik viel Zeit im Zelt zu verbringen. Wichtig jedoch ist der Schutz vor Wind und Wetter in den kurzen Stunden der Erholung. Hunderte verschiedener Zelte für höchste Ansprüche bieten sich an. Doch hier ist die Auswahl ziemlich einfach. Wer in die Antarktis geht, wählt ein Tunnelzelt. Alles andere disqualifiziert sich von selbst: Kuppelzelte verlangen zum Aufbauen mehr als zwei Hände. Giebelzelte flattern wie Fahnen im Wind.

      Unsere »Hillebergs« trotzten sämtlichen Stürmen. Innen- und Außenzelt hängen zusammen und lassen sich in einem Arbeitsgang leicht von zwei Händen aufbauen. Wenn man sie in den Wind stellt, pustet sie der Wind von allein auf. Beim Abbauen bleiben die Stangen drin und kommen in der Mitte zusammengesteckt auf den Schlitten. Um mein Hilleberg Antarktis-tauglich zu machen, nähte meine Mutter »Flaps« an die Unterkante. Mit Schnee beschwert, verbessern sie bei Wind die Standfestigkeit. Sie bewährten sich gleich am ersten Tag: Bei einem einzigen, harmlosen Stangenbruch wetterten sie alles ab, was vom Himmel kam.

      Für einen guten, tiefen Schlaf ist der Schlafsack überlebensnotwendig. Daunen bleiben das Maß der Dinge. Sie halten unerreicht warm, sind federleicht und trocknen rasch in der Sonne. In meinem »Mammut« steckt mindestens ein Kilo Daunen. Das reicht mit der entsprechenden Wäsche auch an den kältesten Tagen für wohlige Wärme.

      Die kleine Hausapotheke

      Zu Material und Verpflegung gehört auch Medizin für alle Fälle. So wenig wie möglich, so viel wie nötig, lautete die Devise für meine Packzettel. Ohne Notapotheke in die Wildnis zu gehen, ist grob fahrlässig. Trotzdem hatte ich nicht viel mehr als Verbandstoff und einige Tabletten dabei. Schmerzmittel, Entzündungshemmer und Antibiotika an erster Stelle, aber auch Schlaftabletten, falls ich nach einem anstrengenden Tag zu zappelig wäre und doch am nächsten Morgen wieder fit sein wollte. Aber da blieb ich vorsichtig. Zu mehr als einer halben Tablette habe ich mich jeweils nicht getraut. Ich will nicht abhängig werden. Von gar nichts. Es reicht schon, dass mich die Bergsteigerei nicht mehr loslässt.

      Für schwerere Fälle verlasse ich mich stets auf mein Allerweltsheilmittel »Milan«. Mit Milan bin ich besser bedient als mit einem ganzen Koffer Chemie. Seine Wirkung ist schon in homöopathischen Dosen rasch und nachhaltig. Keine Nebenwirkungen. Uberdosis unmöglich. Dr. Milan Cermak. Unter anderem Professor an der Universität in Straßburg und für die NASA in der Telemedizin tätig. Milan kann ich am Telefon fragen, ob meine Kopfschmerzen ein Symptom für Malaria sind oder wie ich mit einer Frostbeule umgehe, wenn sie partout nicht heilen will. Es ist wunderbar, in Milan einen Freund zu wissen, der auch erklären kann, wie eine Supernova funktioniert oder wie lange es dauert, den Mars zu erreichen. Bei all seinen Titeln ist Milan ein Mensch geblieben, der alle möglichen Fragen ernster nimmt als sich selber. Gibt es ein besseres Sedativum und Antidepressivum als Milan? Den Expeditionsteilnehmern einer Himalaja-Expedition zum Cho Oyo (8188 m) riet er in perfektem Deutsch mit dem Akzent seiner tschechischen Heimat: »Einmal richtig gefurzt ist besser als sieben Ärzte!« Voilà. Mit Milan in der Rückhand kehrte ich noch jedes Mal gesund nach Hause zurück.

      Meine Welt sind die Berge

      Vor meinem Unternehmen Antarctica hatte ich zweiundzwanzig Jahre lang Alpinismus bis an die Leistungsgrenze betrieben. Die Leistungsgrenze bildet eine äußerst reizvolle Linie in der Innenwelt der menschlichen Erfahrung. An exponierten Stellen eines Bergs ist man bis in die letzte Faser gereizt. In diesen Phasen äußerster körperlicher wie psychischer Sensibilität lernt man viel über sich und den Berg. Man lernt vom Berg über sich.

      Man begegnet seinen Stärken und seinen Schwächen, lernt den Ehrgeiz zügeln, wenn er ungesund wird und man vor Ungeduld die Gefahren missachtet. Ich staunte über meine innere Ruhe, wenn ich zu Rettungsaktionen aufgerufen wurde, um Tote zu bergen oder ein Risiko auf mich zu nehmen. Ich lernte, Angst in Wut umzusetzen – Wut über das persönliche Unvermögen – und aus dieser Wut Energie zu schöpfen, um daraus Kraft zum Handeln zu gewinnen. Die Wut erweist sich als unglaublich schöpferische Kraft. Sie befähigt einen zu schier übermenschlichen Leistungen. Sie kann mich die Wände hochtreiben. Beim Klettern wirst du oben mit einem Blick der Götter entschädigt. Das Universum liegt dir zu Füßen.

      Um dieses göttliche Gefühl zu erleben, ist es oft nötig, den Körper so nahe an die Leistungsgrenze zu bringen, dass man auf Messers Schneide geht. Kleinste Fehler können da Leben kosten. Deins oder das der Kameraden. Nur äußerste Wachsamkeit und Achtsamkeit bewahren den Kletterer vor dem Fall. Das verlangt laufend Risikoentscheide: Kann ich mein Ziel erreichen? Entfesselt meine Egozentrik übertriebenen Ehrgeiz? Hat sich die Lage verändert – zum Guten oder zum Schlechten? Ist der Luftdruck gefallen, kommt Wind, kommen Wolken auf? Wie steht es um meine Leute? Brauchen sie Ansporn, Beruhigung? Nutze ich alle Chancen, wie sieht der Ausweichplan aus? Indem ich Geist und Körper stärke, trainiere ich mich für jene Konzentration zur Ausschöpfung der äußersten Kräfte, mit denen ich je länger, je höhere Ziele erreiche. Der Everest war nicht das Äußerste.

      Immer warten noch längere, schwierigere Wände in härteren Klimazonen, für die der Körper oder die Psyche noch nicht bereit sind – aber bereit, sich dafür zu stärken. Zweiundzwanzig Jahre lang kam ich auf diese Weise weiter und höher hinaus. Ich wusste, wie ich mich am Berg verhalte. Ganz falsch war es nie. Keiner meiner Begleiter hatte je einen Unfall. Bei mir selber ging selten


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