Эротические рассказы

Reisen nach Ophir. Rolf NeuhausЧитать онлайн книгу.

Reisen nach Ophir - Rolf Neuhaus


Скачать книгу
zu segeln und mit den 20 Wissenschaftlern an Bord die Südwestküste des fünften Kontinents zu erkunden. Humboldt muss diese Nachricht wie der Schlag getroffen haben, es war wie ein böses Erwachen aus einem schönen Jugendtraum, und dies nach der strapaziösen Reise durch die Anden, die er nie beabsichtigt hatte. Und dennoch: Er sah keinen Grund, diese Reise zu bedauern, konnte vielmehr mit der wissenschaftlichen Ausbeute von 19 Monaten, zu deren Fortbewegung eine ganze Maultierkarawane nötig war, hochzufrieden sein. Und im Callao de Lima konnte er zum Trost noch den Durchgang des Merkurs vor der Sonnenscheibe beobachten.

      Es hätte nun für Humboldt nahegelegen, den Marañón und den Amazonas bis zu dessen Mündung in den Atlantik bei Pará (Belém) hinunterzufahren und so Südamerika von West nach Ost vollständig zu durchqueren, das hätte seine Reise abgerundet, den Kreis oder vielmehr das Trapez geschlossen. Doch erstens hatte er dafür keinen Freibrief der portugiesischen Regierung, und zweitens hatte diese Fahrt Charles Marie de La Condamine bereits 1743 zu wissenschaftlichen Zwecken unternommen, nachdem er im Auftrag der Pariser Akademie der Wissenschaften in den Anden Vermessungsarbeiten durchgeführt und einigen Vulkanen ins Maul geschaut hatte. Condamine war keineswegs der erste Europäer auf dem Amazonas, 200 Jahre vor ihm war Francisco de Orellana von Quito kommend über den Río Napo auf den Strom gelangt und hatte ihn bis zur Mündung befahren, allerdings auf der Suche nach Eldorado. Für Humboldt und Bonpland hätte es auch jetzt noch Arbeit genug gegeben, das zeigten die Ergebnisse der Naturforscher des 19. Jahrhunderts wie zum Beispiel Alfred Russel Wallace und Henry Walter Bates. Zwar verlor Wallace seine botanischen und zoologischen Sammlungen auf der Rückfahrt nach England durch einen Brand an Bord, doch Bates brachte allein 14 000 Tier- und Pfanzenarten aus dem Amazonasgebiet mit, von denen 8000 bis dahin unbekannt gewesen waren. Humboldt hing wohl auch noch an seinem Südsee- und Weltumseglungstraum, er nahm sich nun vor, von Lima mit dem Schiff nach Mexiko, von Acapulco nach den Philippinen zu fahren und um das Kap der Guten Hoffnung nach Europa zurückzukehren, »so vollende ich meine eigene Reise um die Welt«. Dann gab er diesen Plan auf, er hätte eine ungeheure Seereise gemacht und doch nur Manila und das Kap gesehen, jetzt wollte er von Mexiko über Kuba direkt nach Spanien segeln, aber er machte noch einen Abstecher nach Philadelphia und Washington, wo er sich mit Thomas Jefferson austauschte, dem Präsidenten der Philosophischen Gesellschaft und der Vereinigten Staaten, und traf mit einer französischen Fregatte im April 1804 in Bordeaux ein.

      Während Humboldt in Paris mit der Ausarbeitung und Herausgabe seines dreiβigbändigen amerikanischen Reisewerks in französischer Sprache beschäftigt war, was 22 Jahre dauern und den Rest seines Vermögens verschlingen sollte, spielte er mit dem Gedanken, seinen Forschungen in der westlichen Hemisphäre solche im Ostteil der Erde an die Seite zu stellen. Ihm schwebte eine Reise von sieben, acht Jahren in die Tropenländer Asiens vor, besonders lockten ihn Indien, der Himalaya und Tibet. Als er 1811 von der russischen Regierung das Angebot erhielt, eine voll finanzierte Expedition ins weite Russische Reich zu unternehmen, erwiderte Humboldt, es falle ihm schwer, die Hoffnung aufzugeben, den Ganges zu sehen. Den Baikalsee und die Vulkane Kamtschatkas zum Beispiel fand er nicht so prickelnd, weniger noch den Kaukasus, ob man denn wenigstens nach Kabul, Samarkand und Kaschmir vordringen könne, fragte er. Aus dem Projekt wurde nichts, die Spannungen zwischen den seit dem Tilsiter Frieden verbündeten Staaten Russland und Frankreich verschärften sich und mündeten in Napoleons Russlandfeldzug von 1812. Erst Italien, dann Ägypten, jetzt Russland – wieder kam Napoleon seinem Altersgenossen Humboldt in die Quere. Doch 1817 ging für Humboldt erneut die Sonne im Osten auf: Bei mehreren Aufenthalten in England, wo Bruder Wilhelm gerade preuβischer Gesandter war, gewann er den englischen Prinzregenten und die Ostindische Kompanie für seinen Asienplan, die Kosten wollte der preuβische König übernehmen, Humboldt bereitete sich zwei Jahre auf die Reise vor, doch sie fand nicht statt, scheiterte vermutlich an verstecktem Widerstand der Ostindienkompanie, deren Direktoren wohl befürchteten, mit seinem forschenden Blick könnte der liberale Humboldt zu sehr hinter die Kulissen und ihnen in die Karten schauen.

      Zehn Jahre darauf wandte sich Russland in Gestalt seines Finanzministers deutscher Herkunft, des Freiherrn, später Grafen Georg von Cancrin aus Hanau, erneut an den erst vor Kurzem von Paris nach Berlin übergesiedelten Humboldt und schlug ihm eine Reise zum Ural vor. Cancrin war auβer an dem gefeierten Forschungsreisenden und angesehenen Naturwissenschaftler vor allem auch an dem Geognostiker und Bergbaufachmann Humboldt gelegen, die Reise sollte zu zahlreichen Gruben, Steinbrüchen, Salzflözen, Gold- und Platinseifen und -wäschen, Hüttenwerken und Schleifereien führen, Erkenntnisse über die Ergiebigkeit der Vorkommen und Verbesserungsvorschläge zur Steigerung der Produktion liefern und womöglich neue Lagerstätten entdecken helfen, im Ural hatte man 1822 Platin gefunden, Humboldt vermutete auch Diamantenvorkommen, zu Recht, wie sich herausstellen sollte. Die Idee führte bei Humboldt nicht gerade zu Begeisterungsausbrüchen, der Ural schien ihm nicht unbedingt Quintessenz der Tropen und Inbegriff der Exotik zu sein. In seinem höflichen Antwortschreiben an den hochwohlgeborenen Freiherrn und hochzuverehrenden Herrn Finanzminister erwähnte er vorsichtig den Berg Ararat und den Baikalsee, um zu verstehen zu geben: wenn schon Russland, dann der Süden, besser noch Gebiete südlich des russischen Südens. Der hochgeehrteste Herr Baron sei also geneigt, schrieb Cancrin, eine »gelehrte Reise nach unserem Osten« zu unternehmen, sprich nach dem Ural; den Ararat, die sibirischen Gebirge und ihren Baikal fand Cancrin zwar »auch sehr merkwürdig«, doch weiter entfernt, sollte wohl heiβen: abwegig.

      Der Königlich-Preuβische Kammerherr von Humboldt wurde nun bald 60 Jahre alt, doppelt so alt wie zu Beginn seiner Amerikafahrt, er hatte sein Vermögen »für nicht ganz unrühmliche Zwecke vernichtet« und durfte nicht mehr darauf hoffen, eine längere Reise aus eigenen Mitteln bestreiten zu können, umso weniger konnte er sich seine Reiseziele aussuchen. Noch war er gut zu Fuβ, lief trotz seines Alters und seiner grauen Haare neun bis zehn Stunden, ohne zu ruhen, wer weiβ, wie lange er dazu noch imstande sein würde. Humboldt nahm Cancrins Anerbieten schlieβlich an, erbat sich aber von Seiner Kaiserlichen Majestät Nikolaus I. »die Gnade, mich wenigstens an den Irtysch gehen zu lassen«. Es sei nämlich ein heiβer Wunsch seiner Jugend, sowohl den Amazonas als auch den Irtysch gesehen zu haben, fabulierte er, Armenien, der Ararat und das Kaspische Meer »würden freilich meine Einbildungskraft noch mehr anregen; aber für den Ararat ist es besser, friedlichere Zeiten zu erwarten«. Der Ararat lag auf osmanischem Gebiet, im russisch-türkischen Krieg von 1828/29 drangen die Russen über den Kaukasus vor und nahmen – während Humboldt in Russland unterwegs war – Erzurum in Ostanatolien ein, nicht weit von den Kupfer- und Silbergruben in Richtung Trabzon, und im Friedensvertrag von Adrianopel (Edirne) wurde Russland die Oberherrschaft über Georgien und Armenien übertragen. Als Humboldt kurz vor seiner Abreise nach Russland erfuhr, dass Cancrin andere Gelehrte zum Ararat und ins Elburs-Gebirge schickte, wurmte es den Wirklichen Geheimen Rat aber doch: »Ich bin (…) neidisch«, schrieb er Seiner Exzellenz dem Finanzminister.

      Mitte April 1829 brach Humboldt zusammen mit dem Chemiker und Mineralogen Gustav Rose sowie dem Zoologen und Botaniker Christian Gottfried Ehrenberg in zwei mit astronomischen Instrumenten, physikalischen Apparaten und mit Material für chemische Versuche beladenen Kutschen von Berlin auf, die Fahrt führte über Königsberg (Kaliningrad), Memel (Klaipeda), Dorpat (Tartu) durch Eis und Schnee und Tauwettermatsch nach Sankt Petersburg, Humboldt hasste die Kälte. In der Hauptstadt des Russenreichs vergingen drei Wochen mit Besichtigungen, Besuchen, Gesprächen, Gesellschaften, Diners beim Zaren, abendlichen Visiten bei der Zarin, mit edler Hospitalität allenthalben, man überschlug sich, bot »überall Geld wie Heu an« und kam jedem Bedürfnis zuvor, doch »die ewige Notwendigkeit der Repräsentation« empfand Humboldt zunehmend als Last, er sehnte sich nach freier Luft fern der Städte, nach Luftgenuss sozusagen, denn »von groβem Naturgenuss kann in so einförmigen Ländern, wo wahrscheinlich die Kiefern-Natur sich bis Asien hineinzieht (…), nicht die Rede sein«, schrieb er seinem Bruder. In drei gefederten, von insgesamt 16 Pferden gezogenen Wagen ging es in Begleitung eines hohen russischen Bergbeamten, eines Kuriers und eines Kochs über Moskau nach Katharinenburg (Jekaterinburg) im Ural, es war »ein ewiges Begrüβen, Vorreiten und Vorfahren von Polizeileuten, Administratoren, Kosakenwachen«, da war »fast kein Augenblick des Alleinseins«. Und weiter nach Tobolsk am Irtysch, das der östlichste Punkt der Reise hätte sein sollen, doch Humboldt nahm eine »kleine Erweiterung unserer Reisepläne« vor, ihn zog es gen Süden, am Irtysch hinauf zum Altai-Gebirge und an die Grenze zur chinesischen Dsungarei.


Скачать книгу
Яндекс.Метрика