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Reisen nach Ophir. Rolf NeuhausЧитать онлайн книгу.

Reisen nach Ophir - Rolf Neuhaus


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vielleicht nichts weiter als eine freundliche Geste, eine Liebenswürdigkeit gegenüber der Mutter. Sogleich dämpft er die Hoffnung, eine Rückkehr nach Europa kommt für ihn nicht infrage. Solange er Sklave des elenden Verhängnisses ist, seinen Lebensunterhalt verdienen zu müssen, ist er dazu verurteilt, noch lange, unter Umständen für immer in diesen Gegenden zu leben, wo er jetzt bekannt ist und immer Arbeit finden kann, wohingegen er in Frankreich, wo man ihn vollständig vergessen hat und er ganz von vorn anfangen müsste, ein Fremder wäre, ohne Anstellung, ohne Einkommen, Unterstützung, Beziehungen, Kenntnisse und Beruf. Er muss bleiben, wo er ist, solange er nichts hat, wovon er in Ruhe leben kann. Um sich zur Ruhe zu setzen und zu heiraten, braucht es eine Rente, braucht er 50 000 Francs Kapital, freilich ist es mehr als wahrscheinlich, dass er das nie zusammenkriegen und er weder in Ruhe leben noch in Ruhe sterben wird. Auβerdem könnte er den europäischen Winter nicht mehr ertragen, er würde an irgendeiner Lungenkrankheit verrecken. Er hat den Geschmack am Klima und an der Lebensweise und sogar an der Sprache Europas verloren, überhaupt kann er nicht mehr sesshaft leben, er hat sich zu sehr an das unstete Leben gewöhnt, es ist ihm ganz unmöglich, fest ansässig zu sein, »was soll ich in Frankreich? (…) Zurückkehren hieβe mich begraben«. Er könnte sich nur mit einer Frau verheiraten, die ihn auf Reisen begleitete, ihm überallhin folgte. Dazu hätte er Lust: durch die Welt zu streifen. Wenn er die Mittel zum Reisen hätte, würde man ihn keine zwei Monate am selben Ort finden. »Die Welt ist sehr groβ und voll herrlicher Länder, das Dasein von tausend Menschen würde nicht genügen, um sie alle zu besuchen.« Er will nicht im Elend herumvagabundieren, sondern von einer kleinen Rente und ein paar kleinen Geschäften leben und das Jahr in zwei oder drei verschiedenen Ländern verbringen, ständig am selben Ort zu leben, ist jämmerlich. Leider jedoch »ist es am wahrscheinlichsten, dass man eher hinkommt, wo man nicht hin will, und eher tut, was man nicht möchte, und dass man ganz anders lebt und stirbt, als man jemals wollte«.

      Im Herbst 1885 gibt Rimbaud seine Stelle in Aden auf und geht nach Tadschura an der Somaliküste. Der Ort war seit einem Jahr als Protektorat der französischen Kolonie Obok angegliedert. Im ehemaligen ägyptischen Fort lagen sechs französische Soldaten unter dem Befehl eines Sergeanten. Alle drei Monate wurde die Besatzung ausgewechselt und auf Erholungsurlaub nach Frankreich geschickt, kein Posten hielt drei Monate durch, ohne vollzählig vom Fieber gepackt zu werden. Hauptgewerbe Tadschuras war der von den Franzosen tolerierte Sklavenhandel, Rimbaud wird aber nun nicht Sklavenhändler, sondern Waffenhändler. Er hat sich vertraglich verpflichtet, für den französischen Waffenhändler Pierre Labatut eine Karawane mit 2000 Gewehren zum koptisch-christlichen König Menelik von Schoa im zentralen Hochland zu bringen, einem tributpflichtigen Vasall des Kaisers Johannes IV. von Abessinien. Es handelt sich um antiquierte, seit 40 Jahren überholte Perkussionsgewehre, die bei den Altwaffenhändlern in Lüttich und Frankreich sieben oder acht Francs das Stück kosten und sich in Afrika für 40 Francs verkaufen lassen. Rimbaud rechnet nach Abzug der Transportkosten mit einem Profit von 25 000 bis 30 000 Francs in weniger als einem Jahr, drei Monate später reduziert er sein Gewinnkalkül auf 10 000 Francs, immer noch so viel, wie er sonst in drei Jahren nicht verdienen würde. Allerdings ist der Weg nach Ankober, der Hauptstadt von Schoa, sehr lang und gefährlich: zwei Monate Marsch durch Wüsten, deren Bewohner – Beduinen und fanatische Muslims – allen Europäern feindlich gesinnt sind, seit ein britischer Admiral dem Kaiser Johannes die Unterschrift unter einen Vertrag abgetrotzt hat, der den Menschenhandel verbietet, das einzige ein wenig florierende Geschäft der Eingeborenen. Alle Karawanen werden angegriffen, allerdings haben die Beduinen nur Lanzen. Wenn alles gut geht, schreibt Rimbaud nach Hause, ist er im Herbst 1886 in Frankreich, aber nicht, um sich zur Ruhe zu setzen, sondern um noch mehr alte Knarren aufzukaufen. Erst wenn er in diesem Geschäft 100 000 Francs zusammenbekommt, will er diese hoffnungslose Gegend verlassen.

      In Tadschura stellt Rimbaud seine Karawane auf. Anfangs nahm er an, im Januar 1886 aufbrechen zu können, doch der Abmarsch verzögert sich. Erst heiβt es, der Weg sei unpassierbar, dann müssen lokale Kleinpotentaten geschmiert und die europäischen Behörden an der französischen Somaliküste und in Aden, über dessen Hafen aller Import läuft, überzeugt werden, dann hält ein diplomatisches Gerangel zwischen Frankreich und England, das den Waffenimport über die Somaliküste unterbinden will, Rimbaud auf. Später erkrankt sein Kompagnon Labatut – dessen Waffen in Tadschura liegen –, dieser kehrt zurück nach Frankreich und stirbt. Rimbaud, der Vollmacht über Labatuts Ware hat, will sich nun der Karawane Soleillet anschlieβen, die in Tadschura ebenfalls auf Abzug wartet. Paul Soleillet, der französische Sahara-Reisende, Propagandist einer Transsahara-Eisenbahnlinie von Algerien zum Senegal und gescheiterte Timbuktu-Pilger, war 1881 im Auftrag einer französischen Handelsgesellschaft nach Obok gekommen und in den folgenden Jahren über Schoa nach dem Kaffeeland Kaffa im Südwesten Abessiniens gezogen, kannte also die Verhältnisse ein wenig. Doch in Tadschura erkrankt auch Soleillet, setzt nach Aden über und stirbt dort im September 1886 im Alter von 44 Jahren; seine Waffenladung für König Menelik bleibt in Tadschura liegen.

      Nach Angaben des italienischen Forschungs- und Handelsreisenden Ugo Ferrandi, der Mitte 1886 nach Tadschura gelangte, bewohnte Rimbaud eine Hütte im Dorf, kam aber oft in den Palmenhain, in dem die verschiedenen Karawanen lagerten, auch die des französischen Journalisten Agosto Franzoj, zu dessen Treck Ferrandi gehörte. Mit Franzoj führte Rimbaud lange Gespräche über Literatur, mit Ferrandi über die Geografie des Gebiets und den Islam, in seiner Hütte hielt Rimbaud den lokalen Honoratioren regelrechte Vorträge über den Koran, den er überzeugend in seinem eigenen Interesse auszulegen verstand. Rimbaud beherrschte das Arabische vollkommen, die Eingeborenen hielten ihn für einen konvertierten Muslim, unter Kameltreibern war er geschätzt und gesucht, in Überzahl boten sie ihm ihre Dienste an, und er musste viele abweisen. Wie sie marschierte er zu Fuβ, obwohl er ein Reittier hatte, wie sie trotzte er Sonne, Hunger und Durst, wie sie hockte er sich zum Urinieren hin, im Biwak unterhielt er sich mit ihnen und schlief zwischen den Lasttieren, Rimbaud, dieser hochgebildete Geist und Erneuerer der französischen Literatur, der eines Tages in Obok ein Gespräch mit einem gelehrten griechischen Popen führte, der Mühe hatte mitzuhalten; die Unterredung fand auf Altgriechisch statt.

      Im Oktober 1886 bricht Rimbaud allein mit seiner Karawane von 100 Kamellasten und einer Eskorte von 34 Abessiniern nach Schoa auf. Über fürchterliche, katastrophale Wege, die gefährlichsten dieses Teils von Afrika, so Rimbaud, kommt er nur langsam voran – aus zwei Monaten werden vier –, aber er kommt durch. In Ankober trifft er König Menelik jedoch nicht an, dieser befindet sich auf einem Feldzug gegen Harar, auβerdem hat er seine Residenz auf den Antoto-Berg verlegt, wo er bald darauf unter Fanfarenklängen aus erbeuteten ägyptischen Trompeten an der Spitze seines Heeres und der umfangreichen Beute, darunter zwei Krupp-Kanonen, von je 20 Männern gezogen, siegreich Einzug hält; in der Nähe von Antoto wird er später als Kaiser Menelik II. von Abessinien Addis Abeba gründen. Rimbaud zieht weiter nach Antoto, Menelik zahlt nicht den erwarteten Preis für die veralteten Gewehre; während Rimbaud in Tadschura festsaβ, hat ein anderer Europäer dem König ein neueres Modell geliefert. Im Übrigen gibt sich Menelik als Gläubiger Labatuts aus und zieht dessen angebliche Schulden vom Kaufpreis ab. Von allen Seiten stürmen vermeintliche Gläubiger seines verstorbenen Teilhabers auf Rimbaud ein. Als er die Hinterlassenschaft Labatuts in Augenschein nimmt, hat dessen äthiopische Witwe alle bewegliche Habe bereits in Sicherheit gebracht, Rimbaud findet nur eine alte Hose und ein Dutzend schwangere Sklavinnen vor. Er hat Mühe zu retten, was er in das Geschäft reingesteckt hat, er hätte 30 000 Francs eingeheimst, wäre sein Kompagnon nicht gestorben, jetzt ist er nach zwei Jahren Quälerei sogar ärmer als vorher. »Ich habe kein Glück!«

      Mit Erlaubnis Meneliks und in Begleitung des französischen Geologen Jules Borelli zieht Rimbaud von Antoto durch das bis dahin unerforschte Gebiet der Ittu-Stämme in das nun von Abessinien beherrschte Harar. Hier fühlt er sich maβlos erschöpft, klagt über Rheumatismus in Schulter, Hüften, linkem Oberschenkel und über Gelenkschmerz im linken Knie. Er ist vollkommen ergraut, glaubt – jetzt 32 Jahre alt –, dass sein Leben ernstlich in Gefahr ist, und findet, dass er nach sieben Jahren unvorstellbarer Anstrengungen und fürchterlicher Entbehrungen zwei oder drei Monate Erholung braucht. Am Roten Meer ist es ihm zu heiβ – andauernd 50 bis 60 Grad –, er geht nach Kairo, trägt dort ständig 16 000 Francs in Gold in seinem Gürtel mit sich herum, was ihm Diarrhöen verpasst. Er schreibt für eine Kairoer Zeitung einen Bericht über seine


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