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Reisen nach Ophir. Rolf NeuhausЧитать онлайн книгу.

Reisen nach Ophir - Rolf Neuhaus


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Wasserfläche aus, einsam und majestätisch, wie ein See ohne Ende. Diesen Eindruck rief nicht nur die Breite des Orinoko hervor, sondern auch dessen kahle, sandige Ufer, die infolge der Luftspiegelung Lachen stehenden Wassers zu sein schienen und die Konturen des Stroms verwischten. In dieser flüssigen Wüste wären sie beinahe gekentert. Bei einem unglücklichen Manöver des Steuermanns mitten auf dem Fluss, den sie hinaufsegelten, fuhr ein heftiger Windstoβ in das Segel, sodass die Piroge fast umgeschlagen wäre. Über ein Bord stürzte Wasser ins Boot, Humboldt schrieb gerade Tagebuch, im nächsten Augenblick schwammen Papiere, Bücher und getrocknete Pflanzen umher, die Piroge verharrte in ihrer Schieflage, die Bordkante im Wasser. Die Indios waren schon drauf und dran, ins Wasser zu springen, das voller Krokodile sein musste, und ans Ufer zu schwimmen, das eine halbe Meile entfernt lag. Selbst wenn sie Land erreicht hätten, wären sie dort vom Hunger oder vom Jaguar verzehrt worden. Sich durch die Wälder schlagen zu wollen, war aussichtslos, in 20 Tagen kam man kaum eine Meile vorwärts. Da rettete sie ein neuerlicher Windstoβ, der das Tauwerk des Segels zerriss, sodass die Piroge sich wieder aufrichtete; nur ein Buch war verloren gegangen.

      Vor den Katarakten wechselten sie das Boot und den Steuermann, der die Stromschnellen noch nie befahren hatte. Ein Missionar überlieβ ihnen einen hübschen Einbaum, 13 Meter lang und knapp einen Meter breit, für die Gepäckstücke, die getrockneten Pflanzen, den Sextanten, den Inklinationskompass und die meteorologischen Instrumente blieb kaum Platz in diesem elenden Fahrzeug, wollte man ein Gerät benutzen, musste man ans Ufer fahren, um das Instrument auszugraben. Das niedrige Palmblätterdach über einem mit Ochsenhäuten und Jaguarfellen bedeckten Gitter aus Zweigen bot Schutz weder vor der erstickenden Hitze noch vor dem in Strömen fallenden Regen. Die indianischen Ruderer waren ganz nackt und sangen ihren eintönigen, trübseligen Gesang, dazu schrien die gefangenen Affen. Aber die Ufer des Orinokos wurden immer malerischer, und die Vegetation strotzte von Opulenz und Farbenglanz, leider auch die Luft von Moskitos, kleinen giftigen Mücken und groβen Schnaken, die pausenlos Hände und Gesicht befielen, in Nase und Mund krochen und durch die Kleider stachen. Im sich verengenden Flussbett lagen immer mehr Granitblöcke, dann unzählige, von einem Ufer zum anderen laufende Felsdämme, natürliche Wehre, Schwellen, der Strom teilte sich in eine Unmenge Arme und Sturzbäche und löste sich in Schaum auf. Die Piroge musste gegen die mächtige Strömung am Seil über die Hindernisse gezogen werden, wozu ein Indio vorausschwamm, um das Seil an einer Felsspitze zu befestigen. War diese Operation undurchführbar, wurde das Gefährt über Land transportiert, wobei Äste als Walzen dienten.

      Oberhalb, also südlich der Katarakte, begann ein unbekanntes Land, bewohnt von Völkern mit Hundeköpfen, einem Auge auf der Stirn oder dem Mund unter dem Magen, wollte man den frühen Missionaren oder alten Indianersagen Glauben schenken. Keiner der Missionare, die vor Humboldt den Orinoko beschrieben hatten, war über die Katarakte hinausgekommen, diese natürliche Schranke vor den wilden Ländern und Völkern des Innern. Humboldt fand auf den nächsten 450 Kilometern nur drei Missionsstationen längs des Orinokos, in denen eine Handvoll Weiβe lebten, die ihre Hautfarbe zum Teil irgendwelchen Desperados, Goldsuchern oder Missionaren verdanken mochten. Dann bogen sie vom Orinoko ab, um über mehrere kleine Flüsse, durch einen überschwemmten Wald und über eine Landenge zum Río Negro vorzustoβen, dem groβen Zufluss des Amazonas. Auf der Fahrt durch den jetzt in der Regenzeit auf zehn Quadratkilometern überfluteten Urwald stand ein Indio im Bug der Piroge und schlug mit der Machete die wuchernde Vegetation kreuz und klein. Beim Transport über die Landenge zwischen den beiden groβen Flusssystemen des Orinokos und des Amazonas zogen 23 Indios aus einer Mission das Boot während vier Tagen durch den Wald, über einen Weg, der erst fünf Jahre zuvor geschlagen worden war. In dem ganzen Gebiet zwischen Orinoko und Río Negro lebten nicht mehr als zwei Mönche, und Humboldt gewöhnte sich beinahe an den Gedanken, dass der Mensch nicht notwendig zur Naturordnung gehöre. Krokodile und Boas waren die Herren der Flüsse, der Jaguar Gebieter des Dschungels, der Mensch nichts in der Fülle der Natur. Gerade hier, wo alles Fruchtbarkeit und ewiges Grün war, fand sich keine Spur vom Wirken des Menschen, und das hatte für Humboldt etwas Niederschlagendes, mehr noch als das Fehlen von Zeichen menschlichen Schaffens in der Ödnis der Wüste oder der Einsamkeit des Ozeans.

      Die Frage, ob es eine natürliche Verbindung zwischen den Becken des Orinokos und des Amazonas gab, war unter Gelehrten jahrhundertelang umstritten gewesen. Seit ein Jesuitenpater 1744 einen Seitenarm des Orinokos befahren hatte, zweifelte man in den Missionen nicht mehr daran, dass dieser Orinoko-Arm, der Río Casiquiare, in den Río Negro floss, der seinerseits bei Manaus in den Amazonas mündet. Hauptzweck der ganzen Flussreise Humboldts war es, den Lauf des Casiquiares mittels astronomischer Beobachtungen verlässlich zu bestimmen. Während er sich auf dem Río Negro dem Casiquiare näherte, zog sich allerdings der Himmel zu, und Humboldt befürchtete schon, die lange und beschwerliche Fahrt vergebens unternommen zu haben. Doch über dem Casiquiare fraβen Sonne und Sterne die Wolken auf, wie der indianische Steuermann sagte. Humboldt und Bonpland hätten auch durch Brasilien bis zur Mündung des Amazonas weiterfahren können, was nicht viel mehr Zeit in Anspruch genommen hätte als die Rückfahrt über Casiquiare und Orinoko an die Küste Spanisch-Guayanas. Aber in einer Mission am Grenzfluss Río Negro riet man ihnen wegen akuter Spannungen zwischen Spaniern und Portugiesen, die sich seit drei Jahrhunderten über den Grenzverlauf stritten, davon ab. Was Humboldt nicht ahnte und erst nach seiner Rückkehr nach Europa erfuhr, war, dass seitens der portugiesischen Verwaltung Befehl ergangen war, sich der Person, Instrumente und insbesondere der astronomischen Aufzeichnungen Humboldts zu bemächtigen. Die portugiesischen Beamten vor Ort hatten von Humboldts Reise Wind bekommen und vermochten sich nicht vorzustellen, dass ein vernunftbegabter Mensch eine solche Reise tat, um Land zu vermessen, auf das er oder seine Auftraggeber keinen Anspruch erhoben; Humboldt wäre festgenommen und nach Lissabon verschickt worden.

      Das Land am Casiquiare war äuβerst wild und menschenarm. Die meisten Nächte verbrachten Humboldt und Bonpland im Freien, wobei sie ihr Lager mit einem Ring von Feuern umgaben, um die Jaguare fernzuhalten. Aber die Ameisen wanderten an den Stricken in ihre Hängematten oder lieβen sich aus den Bäumen auf sie fallen und plagten sie mehr noch als die Moskitos. Auβerdem machten ihnen die Feuchtigkeit und der Mangel an Nahrungsmitteln zu schaffen, es war die unangenehmste und entbehrungsreichste Zeit ihres Aufenthalts in Amerika. Seit einem Monat war ihnen auf den Flüssen, die sie hinauffuhren, kein Kanu begegnet, auβer in nächster Nähe der Missionsstationen; auf dem Casiquiare, mehr als 300 Kilometer lang und so breit wie der Rhein, herrschte erst recht kein Verkehr. Keine 200 Menschen lebten am Fluss, weniger als vor Ankunft der Missionare, die Indios waren in die Wälder gegangen. In einem der Dörfer erzählte ihnen ein Pater, der seit 20 Jahren von den Moskitos zerstochen wurde und keine weiβe Haut mehr hatte, sondern gefleckte, dass die Eingeborenen einen Teil des Jahres von den groβen Ameisen lebten und auch Menschenfleisch nicht verschmähten. Ein Häuptling hatte unlängst eins seiner Weiber gemästet und verspeist, aber normalerweise aβen die Wilden ihre Feinde, das heiβt alle, die nicht ihrem jeweiligen Stamm angehörten, wobei sie Frauen und Kinder bevorzugten. Einer der Ruderer Humboldts, der ihm bei den nächtlichen Beobachtungen gute Dienste leistete und so gutmütig wie gescheit war, versicherte, dass seine Stammesbrüder besonders die Handballen als Leckerbissen schätzten. Selbstverständlich fand Humanist Humboldt Kannibalismus abscheulich, aber er sah auch ein, dass es rein gar nichts half, den Eingeborenen deswegen Vorwürfe zu machen. Wir Europäer würden uns auch nicht von einem Brahmanen, der Europa besuchte, davon abhalten lassen, Tierfleisch zu essen. Und wie viel Grässliches war nicht schon bei zivilisierten Völkern vorgekommen, wenn sie Hunger schoben wie die Wilden?

      Vom Casiquiare fuhren Humboldt und Bonpland den Orinoko hinauf, um der Lösung des zweiten geografischen Orinoko-Problems, der Lagebestimmung seiner Quellen, näherzukommen. Doch vor jenem strategischen Punkt, an dem selbst militärische Expeditionen schon gescheitert waren, weil die hungrigen Indios mit ihren Giftpfeilen alle Eindringlinge zu erlegen pflegten, machten sie kehrt, fuhren den Orinoko hinunter und kamen von den Menschen- zu den Erdefressern. Sie machten Station in einem kleinen Dorf, in dem Indios vom Stamm der Otomaken lebten. Diese ernährten sich während des gröβten Teils des Jahres hauptsächlich von Fischen und Schildkröten, aber in der Regenzeit, wenn der Orinoko auf eine Breite von fünf Kilometern anschwoll und das Land zwei, drei Monate lang überschwemmte, war es mit dem Fischfang vorbei, und die Indios bekamen nur selten einmal eine Farnwurzel, eine Eidechse oder einen toten, auf dem Wasser


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