Tod in Amsterdam. Ben KossekЧитать онлайн книгу.
ohne Erfolg. Er konnte ihn nicht erreichen, weder unter seiner Handynummer, noch über dessen Festnetzanschluss zu Hause. Die aufkommende Anspannung verschaffte sich jede Menge Raum in seinen Gedanken, wie nahezu jedes Mal, wenn er sich mit einem dubiosen Informanten traf, den er nicht kannte. Und dazu noch spätabends bei Dunkelheit und auf einem einsamen Parkplatz! Zu gerne hätte er mehr über den Unbekannten gewusst, bevor er sich auf den Weg machte, doch das war leider nicht möglich. Er musste die Situation nehmen, wie sie kam. Es war nun mal sein Job, und er konnte seine Neugier kaum noch unterdrücken. Endlich, gegen 21 Uhr 30, verließ er die Wohnung und stieg vor dem Haus in seinen alten Passat Variant Kombi, Baujahr 2004. Nicht, dass er sich kein neues Fahrzeug hätte leisten können, doch sein Passat war wie ein treues, altes Schlachtross, das ihn nie im Stich gelassen hatte. So etwas gab man nicht einfach her oder ersetzte es durch etwas Neues und weniger vertrautes. Er brauchte keinen neuen Wagen, wozu auch?
Sieben Minuten vor 22 Uhr lenkte er seinen Wagen unter der Severinsbrücke rechts in die Helenenwallstraße. Der erwähnte Parkplatz lag rechter Hand im Schutz großer Bäume, und als er dort einbog, erfasste er mit seinem aufmerksamen und geübten Blick sofort das Umfeld mit den drei Fahrzeugen, die auf der Parkfläche standen. Die spärliche Beleuchtung einer einzelnen Straßenlaterne ließ ihn jedoch in der Dunkelheit nicht allzu viel erkennen. Er parkte seinen Passat so, dass er den gesamten Parkplatz gut im Auge behalten konnte.
Er schaltete den Motor aus. Ein Blick auf die Digitalanzeige der Armbanduhr verriet ihm, dass es genau 21 Uhr 55 war.
Nichts bewegte sich. Ein leichter Nieselregen setzte ein und verteilte seine feinen Tropfen geräuschlos auf der Windschutzscheibe des Wagens. Er hätte sich jetzt nur zu gerne eine Zigarette angezündet, um die Aufregung zu überspielen und sich etwas abzulenken, doch er wagte es dann doch nicht. Viel zu leicht hätte man die Glut bemerken können. Er wusste ja nicht, ob der Unbekannte bereits da war oder erst noch kommen würde. Und schon gar nicht, wie das hier ablaufen sollte! Erstmal abwarten, wie sich die Situation entwickeln würde, dachte er bei sich. Und außerdem hatte er Elsa hoch und heilig versprochen, auf der Hut zu sein.
Zwei weitere Minuten verstrichen mit quälender Langsamkeit – interessant, wie lange zwei Minuten sein konnten, wenn man mit Ungeduld auf etwas wartete, dachte er bei sich. Man konnte fast den Eindruck gewinnen, dass die Zeit einfach stehenblieb – selbst die Anzeige der Uhr, das Wechseln der Leuchtziffern, erschien ihm deutlich verlangsamt.
Gerade begann er, erste Zweifel zu hegen, ob der unbekannte Anrufer überhaupt erscheinen würde, als plötzlich bei einem der parkenden Fahrzeuge, einem dunkelfarbenen BMW, zweimal kurz die Scheinwerfer aufleuchteten. Also doch – da war wohl schon jemand und hatte auf ihn gewartet! Um sicher zu gehen, öffnete Heino Brandstetter langsam die Fahrertür des Wagens und stieg aus, ohne den BMW aus den Augen zu lassen. Alle seine Sinne waren auf das Äußerste angespannt. Auch der Fahrer des BMW öffnete die Fahrertür. Der Mann trug einen olivgrünen Parka und hatte, wohl zum Schutz gegen den stärker werdenden Regen, die Kapuze übergezogen. Nun gab ihm der Unbekannte mit einer knappen Kopfbewegung zu verstehen, dass er zu ihm herüberkommen solle, bevor er wieder einstieg und die Wagentür schloss.
Brandstetter verschloss seinen Passat und zog sich die Jacke noch enger um die Schultern. Eilig ging er quer über den Parkplatz zu dem BMW, der an einer etwas weniger beleuchteten Stelle parkte. Als er nur noch wenige Schritte vom Fahrzeug entfernt war, öffnete der Mann das Seitenfenster und rief leise:
„Hierher!“ Als Brandstetter an der Fahrerseite angekommen war, fragte der Mann, wohl um sicher zu gehen:
„Wie ist ihr Name?“
„Ich heiße Heino Brandstetter.“ Das Gesicht des Mannes entspannte sich ein wenig. Offenbar erging es ihm gerade nicht anders als ihm selbst. Irgendwie beruhigt mich das doch ein wenig, dachte Brandstetter.
„Gut, steigen Sie drüben ein.“ Erneut deutete er durch eine knappe Kopfbewegung an, dass Brandstetter zur Beifahrerseite kommen sollte. „Aber machen Sie schnell.“
Brandstetter beeilte sich, der Aufforderung nachzukommen, bemerkte aber bei seinem Gegenüber die gleiche Nervosität, die ihn gerade umtrieb. Nachdem er die Wagentür hinter sich geschlossen hatte, streifte der Fremde die Kapuze ab und fuhr sich mit einer fahrigen Bewegung über das lichte Haar. Der Mann mochte etwa Mitte sechzig sein, etwas korpulent. Er wirkte allerdings sehr beweglich, und seine wachen, flinken Augen musterten Brandstetter eingehend.
„Sie sind also Heino Brandstetter“, sagte er, wie zur Bestätigung dessen, dass er sich den Journalisten genauso oder zumindest so ähnlich vorgestellt hatte. „Ihr Ruf eilt Ihnen ja meilenweit voraus! Aber das wissen Sie wohl selbst am besten.“ Wie beiläufig zwinkerte er Brandstetter zu.
„Danke ja, und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?“ Brandstetter versuchte, sich den Anschein der Gelassenheit zu geben. Nachdem er den Mann eingehend in Augenschein genommen hatte, glaubte er nicht mehr, dass von ihm so etwas wie eine Bedrohung ausgehen konnte, zumal auch der andere unruhig und auf Vorsicht bedacht schien. Aber er wollte sich keine unnötige Blöße geben.
„Mein Name tut erst einmal nichts zur Sache“, wiegelte der Mann sofort ab. „Die Frage ist doch, ob Sie wirklich interessiert sind an einem ganz dicken Fisch. Ich habe Erkundigungen über Sie eingeholt, Brandstetter. Sie sind mit der beste Investigativ-Journalisten. Ich weiß nicht so genau warum, aber ich vertraue Ihnen. Deshalb habe ich Sie kontaktiert. Sein Gesicht blieb zwar ernst, aber ein vielsagendes Augenzwinkern begleitete seine letzten Worte.
„Sie sind Privatdetektiv, richtig?“
„Gut erkannt, ja. Ein Schnüffler, ein Trüffelschwein wie Sie“, lachte er trocken, während er durch die Regentropfen auf der Windschutzscheibe die Umgebung im Auge behielt. „Wir sind beide immer auf der Jagd, aber bisweilen werden wir auch ganz leicht zum Gejagten.“
„Sind Sie denn im Augenblick ein Gejagter?“
„In gewisser Weise schon. Deshalb vertraue ich gerade Ihnen meine Story an.“ Der Fremde lächelte, aber es war ein Lächeln, als hätte er Zahnschmerzen.
„Wenn Sie mir vertrauen – warum sagen Sie mir dann nicht, wer Sie sind?“ Brandstetter startete noch einmal einen Versuch, den Namen des Mannes zu erfahren.
„Immer mit der Ruhe. Wir kennen uns noch nicht gut genug. Und außerdem ist es besser so – für mich. Also, Brandstetter, sind Sie interessiert?“
„Okay. Was haben Sie?“ fragte Heino Brandstetter, der seine Neugier kaum noch zügeln konnte. Warum rückte der Kerl nicht einfach raus mit der Sprache? Und überhaupt: Was verbarg sich hinter seiner Bemerkung, dass er ein Gejagter sei? Auf was ließ er, der Journalist, sich da gerade ein?
Der Mann blickte nun etwas unsicher durch das beschlagene Seitenfenster seines Wagens nach draußen. Die aufschlagenden Regentropfen hämmerten nun deutlich lauter gegen die Windschutzscheibe. Offenbar regnete es jetzt doch wieder stärker als noch vor wenigen Minuten.
„Hören Sie, Brandstetter, ich will erst gar nicht versuchen, Ihnen etwas vorzumachen. Im Klartext: Die Sache ist nicht ganz ungefährlich. Ich kann also gut verstehen, wenn Sie ein vorsichtiger Mensch sind, an Ihrem Leben hängen und aus diesem Grund jetzt den Rückzug antreten wollen. Kein Problem.“
„Wird es mich gleich das Leben kosten, wenn ich ja sage?“
„Ich glaube, erfahren zu haben, dass Sie kein Angsthase sind. Genau deshalb habe ich zu Ihnen Kontakt gesucht und nicht zu irgendeinem ihrer geschätzten Kollegen. Nur, bevor ich Ihnen meine Informationen weitergebe, brauche ich ein Stück weit die Gewissheit, dass ich mich in Ihnen nicht getäuscht habe. Verstehen Sie mich nicht falsch, aber bei dieser Sache geht es einfach um zu viel. Sind Sie sicher, dass Sie auch dann noch mitziehen, wenn es ungemütlich werden sollte?“
Spätestens jetzt war Heino Brandstetters Neugier vollends geweckt! „Verdammt, das klingt ja ziemlich dramatisch. Aber gut, wenn es nun mal so ist – ja, ich bin dabei!“ In diesem Moment dachte er daran, was er Elsa gesagt hatte. Er würde sich den Mann mal anschauen, dann könne er ja immer noch ablehnen. Nun, so konnte man sich täuschen! Er sah zu dem Fremden zu seiner Linken hinüber. „Also, um