Tod in Amsterdam. Ben KossekЧитать онлайн книгу.
schlecht gelang. Sie nahm das Foto vorsichtig in die Hand, als wolle sie vermeiden, ihrem Mann wehzutun. Die Verletzungen in seinem Gesicht konnten ihr wohl kaum entgangen sein. „Ja, das ist er, das ist Robert, mein Mann“, sagte sie kaum hörbar. „Sagen Sie mir bitte, was mit ihm geschehen ist.“
„Nach allem, was wir bisher wissen, wurde er gestern Abend entführt und danach erschossen. Unsere Untersuchungen sind allerdings noch nicht endgültig abgeschlossen. Können wir etwas für Sie tun, Frau Kleinschmidt? Haben Sie Verwandte, die wir verständigen könnten?“
Sie straffte sich mit einem Mal, als wolle sie den unabwendbaren Tatsachen mutig ins Auge blicken, dem Sturm trotzen, der da mit großer Wucht auf sie zugerast kam. „Nein, danke, es geht schon. Meine Eltern wohnen nicht weit von hier. Ich wollte mit den Kindern heute dorthin fahren.“ Sie unterbrach kurz, um sich mit einem Taschentuch die Tränen aus den Augen zu wischen. Dann erklärte sie unumwunden: „Zwischen meinem Mann und mir gab es schon seit längerer Zeit große Schwierigkeiten. Wegen seiner Trinkerei und so. Ich habe mich dazu entschlossen, ihn zu verlassen …“
„Deshalb also die gepackten Koffer?“ Mit einer Hand deutete Alex Berger auf die beiden großen schwarzen Koffer, die neben der Wohnzimmertür standen und offenbar nur darauf warteten, hinausgetragen zu werden.
„Ja. Wir waren schon im Aufbruch, als Sie kamen.“
„Hatten Sie vor der Vermisstenmeldung versucht, mit ihrem Mann Kontakt aufzunehmen, Frau Kleinschmidt?“ fragte Jan Scheuer nun dazwischen.
„Ja. Ich habe ihn auf seinem Handy angerufen. Jemand war auch dran, hat jedoch nichts gesagt.“
„Jemand hat abgenommen?“
„Ja. Es wurde dann einfach wieder aufgelegt. Ich habe es noch einmal versucht, bekam aber keine Verbindung mehr.“
„Wann haben Sie ihren Mann das letzte Mal lebend gesehen?“ Jan Scheuer war mit einem Mal hellhörig geworden.
„Gestern Morgen. Er war kurz davor, das Haus zu verlassen, um ins Büro zu fahren. Ich war gerade aufgestanden, um mir einen Kaffee zu machen. Wissen Sie, wir reden nicht viel miteinander. Aber mir fiel sofort auf, dass er seltsam nervös und unkonzentriert war. Er hatte den Autoschlüssel in der Küche vergessen und kam deshalb nochmal zurück, um ihn zu holen. Das kenne ich nicht von ihm.“
„Er fuhr mit dem Wagen zum Büro?“
„Ja, wie jeden Morgen. Ich habe meinen eigenen Wagen in der Garage.“ Berger nahm ihre Antwort mit einem Stirnrunzeln zur Kenntnis.
Scheuer warf Berger einen überraschten Blick zu. Den Wagen Kleinschmidts hatte man noch nicht gefunden, oder besser, sie hatten noch nicht danach gesucht. Aber der konnte ja nun überall abgestellt worden sein. War es vielleicht sogar derselbe Wagen, mit dem Kleinschmidt nachts zum Hafengelände transportiert worden war? Gut möglich. Um das klären zu können, mussten sie das verschwundene Fahrzeug Kleinschmidts so schnell wie möglich finden!
„Was fuhr Ihr Mann für einen Wagen?“
„Warum stellen Sie all diese Fragen?“
„Es tut mir leid. Ich muss es tun.“
„Mein Mann ist tot, das ergibt keinen Sinn.“
„Wir wollen seine Mörder finden, die, die Ihnen und Ihren Kindern das angetan haben. Das ist doch Sinn genug, oder?“
„Einen schwarzen Audi A8.“ Sie stand langsam auf und holte eine Fotografie aus der Schublade einer Anrichte. Es zeigte Robert Kleinschmidt in stolzer Pose vor seinem Audi. Das Kennzeichen war darauf gut zu erkennen. Möglicherweise war das Foto an dem Tag entstanden, als er den Wagen neu bekommen hatte. „Sie können es behalten“, sagte sie. „Ich brauche es nicht. Der Wagen war sein ganzer Stolz, wie man sieht.“ Und um einiges leiser und fast beiläufig klingend fügte sie dann noch hinzu: „Jedenfalls mehr als seine Kinder …“
„Nur noch eine letzte Frage, Frau Kleinschmidt“, meldete sich Scheuer erneut. „Wo hat ihr Mann Robert eigentlich gearbeitet?“
„Was meinen Sie …?“
„Wo ihr Mann gearbeitet hat.“
Sie starrte Jan Scheuer an, wohl erschrocken von der Schärfe seines Tones. Doch gleichzeitig weckte die Stärke und Klarheit in seinen Augen den Wunsch bei ihr, ihm zu vertrauen, auch wenn dies jedem natürlichen Instinkt widersprach.
„Bei der Brunex AG in Bonn-Beuel. Er war Sachbearbeiter in der Logistik.“ Ihr hilfloser Blick ging hinüber zur Tür des Kinderzimmers, die gerade ein wenig geöffnet wurde. Ein kleiner Junge lugte durch den Spalt ins Wohnzimmer und schloss die Tür darauf sofort wieder, als er die fremden Männer sah. „Was soll nun bloß werden? Ich weiß nicht, wie ich es den Kindern beibringen soll … mein Gott! Sie sind doch noch so klein.“ In diesem Augenblick begann sie hemmungslos zu weinen. Jan Scheuer ging sofort in die Küche, um ein Glas Wasser zu holen, während Alex Berger Fiona Kleinschmidt zurück zum Sofa führte, wo sie sich setzte. Sie trank fast mechanisch und mit starrem Blick einige wenige Schlucke Wasser. Dann beruhigte sie sich wieder ein wenig. Geistesabwesend drehte sie das halbvolle Wasserglas in ihren Händen hin und her.
„Hat Ihr Mann Ihnen gegenüber irgendetwas erwähnt, dass ihn beunruhigt hat? Versuchen Sie sich zu erinnern. Es ist wichtig, auch wenn es nur eine Kleinigkeit war“, erkundigte sich Alex Berger, darum bemüht, Verständnis in seine Stimme zu legen.
„Nein, nichts. Er hat kaum mit mir gesprochen.“
Die Frau tat ihm leid, und Berger überlegte, wie er am besten helfen konnte. „Sie sollten jetzt nicht alleine hierbleiben, Frau Kleinschmidt. Wie lautet die Telefonnummer und der Name Ihrer Eltern?“
Fiona Kleinschmidt nahm ihr Handy von der Anrichte, aus der sie zuvor auch das Foto geholt hatte, wählte die Nummer ihrer Eltern und reichte es Berger. „Brüning, Herbert Brüning, mein Vater“, antwortete sie. Sie selbst war wohl nicht mehr in der Lage, jetzt auch noch anzurufen. Eine männliche Stimme meldete sich:
„Hallo Fiona, guten Morgen. Was gibt es?“
„Herr Brüning? Mein Name ist Alexander Berger von der Polizei in Köln. Mein Kollege und ich sind gerade vor Ort bei Ihrer Tochter Fiona Kleinschmidt und möchten Sie bitten, möglichst sofort hierher zu kommen. Es ist wichtig, dass jemand …“
„Polizei? Ist etwas passiert? Mein Gott …“
„Ihrer Tochter und den Kindern geht es soweit gut, Herr Brüning. Aber heute Morgen wurde Ihr Schwiegersohn Robert Kleinschmidt tot aufgefunden. Bitte kommen Sie so schnell wie möglich.“
„Robert tot? Oh, mein Gott, Fiona …. natürlich, ich bin in zehn Minuten da!“ Herr Brüning legte sofort auf.
Alex Berger reichte der Frau das Handy und sagte: „Ihr Vater ist gleich hier. Im Augenblick haben wir keine weiteren Fragen, Frau Kleinschmidt, aber es könnte sein, dass wir uns die Tage noch einmal bei Ihnen melden. Sollte Ihnen noch etwas einfallen oder sollten Sie Hilfe benötigen, zögern Sie nicht, uns anzurufen. Wir sind Tag und Nacht für Sie erreichbar. Bitte bleiben Sie doch sitzen, wir finden alleine hinaus. Unser aufrichtiges Beileid, Frau Kleinschmidt.“
Sie glaubte zu wissen, dass er diese Worte jedes Mal sagte, wenn er eine schlechte Nachricht überbringen musste. Worte, die frei von wirklichem Mitgefühl waren. Sie konnte nicht ahnen, dass sie sich in Berger in diesem Fall täuschte.
Berger und Scheuer verließen das Haus. Sie stiegen in ihren Dienstwagen und warteten noch einige Minuten, bis ein weißer Mercedes älteren Baujahrs eilig die Einfahrt der Kleinschmidts hinauffuhr, dem ein älterer Mann entstieg und dann zur Eingangstür ging. Als diese geöffnet wurde, machten sie sich auf den Rückweg ins Kommissariat. Von unterwegs rief Alex Berger den Kollegen Dahlmann an, um den Audi A8 von Robert Kleinschmidt mit dem Kennzeichen „K-BX 2852“ in die Fahndung zu geben.
6.
Je mehr die Zeit voranschritt, um so unruhiger und aufgeregter wurde Heino Brandstetter. Er hatte den ganzen Tag über an dem neuen