Tod in Amsterdam. Ben KossekЧитать онлайн книгу.
worden, erinnerte sich Werner Stamm. Keiner von ihnen außer Loose kannte die Niederländer von einem vorangegangenen Auftrag. Auch gab es keinerlei Referenzen über die Spedition und das Personal. Stamm hoffte insgeheim, dass hier nichts schief ging, denn das käme einer Katastrophe gleich. Als hätte Brunnhausen Werner Stamms Gedanken gelesen, sagte er ziemlich ungehalten:
„Warum beruhigt mich das nicht? Wir müssen Kleinschmidt finden, egal wie! Versuche es weiter, auch bei seiner Familie. Vielleicht taucht er ja zuhause irgendwann noch auf, hat mal eine Nacht über die Stränge geschlagen oder dergleichen. Aber wir brauchen den Mann, Werner! Wir können uns die Ungewissheit über den Verbleib seiner Person nicht leisten. “ Ludger Brunnhausen wusste Kleinschmidts Loyalität und Professionalität sehr wohl zu schätzen. Vielleicht machte er sich gerade deshalb große Sorgen um den Vermissten.
„Mensch, Ludger, er ist wohl dafür bekannt, mal ab und an einen über den Durst zu trinken, aber nicht dafür, am nächsten Tag nicht im Büro zu erscheinen. Und seine Weibergeschichten sind seine Privatangelegenheit …“
„Solange er den Mund hält …“
„Kleinschmidt hätte eine ganze Bar leeren können, ohne auch nur ein Sterbenswörtchen über seinen Job zu verlieren und vor allem hätte er am nächsten Morgen hier in seinem verdammten Bürostuhl gesessen und seine Arbeit gewissenhaft erledigt! Das weißt du. Er hat noch nie auch nur einen einzigen Tag gefehlt. Kleinschmidt hätte selbst betrunken noch besser funktioniert als andere nüchtern, und er hat sich in all den Jahren noch nie einen Fehler erlaubt! Sonst wäre er mit Sicherheit schon lange nicht mehr in dieser Abteilung. Ich habe ein verdammt ungutes Gefühl bei dieser Sache.“
„Bleib´ einfach dran und informiere mich sofort, wenn du etwas hörst, klar? Ich werde jetzt Brüggemann in Kenntnis setzen. Der müsste inzwischen wieder zurück sein.“
Natürlich musste auch der zweite Geschäftsführer schnellstens über den Vorfall und die verzwickte Lage in der Firma informiert werden. Ludger Brunnhausen verließ den Raum mit der gleichen schlechten Laune, mit der er vor ein paar Minuten gekommen war und ließ Werner Stamm mit der gleichen Ungewissheit zurück, die diesen schon während des gesamten Vormittags geplagt hatte!
5.
„Die Kollegen sagen, der Anruf kam heute um kurz vor zehn Uhr. Die Frau heißt Fiona Kleinschmidt, sie hat ihren Mann als vermisst gemeldet. Sie gab an, dass Robert Kleinschmidt heute Nacht nicht nach Hause gekommen und auch nicht an sein Handy gegangen ist. Für eine Vermisstenmeldung ist es zwar noch recht früh, er ist nur ein paar Stunden überfällig, aber die Frau klang sehr aufgeregt. Ansonsten liegt nichts vor“, rief Chris Dahlmann, einer der jungen Kollegen aus der Recherche, als er seinen Kopf zu Bergers und Scheuers Büro hereinstreckte. Sie hatten ihn beauftragt, bei den umliegenden Polizeistationen nachzufragen, ob in den letzten Stunden irgendwo Meldungen über vermisste Personen eingegangen waren.
„Haben wir eine Adresse?“ fragte Scheuer ungeduldig. Wenn er erst mal in Fahrt gekommen war, hielt ihn nichts mehr zurück. Jan war keiner, der unnötig Zeit verlieren wollte.
„Ja. Steht alles hier.“ Chris Dahlmann hatte einen Zettel in der Hand, den er jetzt hochhielt.
„Dann mal los.“ Scheuer hatte bereits die Jacke an und nahm mal eben im Vorbeigehen dem verdutzten Dahlmann den Zettel aus der Hand. Alex Berger versuchte, selbst erst mit einem Arm in seiner Jacke, dem ehrgeizigen Kollegen zu folgen. Schnell griff er noch nach einem Foto des Mannes, dessen Leiche sie heute Morgen im Deutzer Hafen gefunden hatten. Ein Kollege der Spurensicherung hatte es bereits vor gut einer Stunde vorbeigebracht.
„Dann wollen wir doch mal sehen, ob der Vermisste, dieser Robert Kleinschmidt, unser Toter vom Hafen ist.“ Jan Scheuer war schon ordentlich bei der Sache, als sie in ihren Dienstwagen im Hof stiegen.
„Ist zumindest naheliegend, wenn wir sonst keine Meldungen vorliegen haben“, erwiderte Berger nun mit einem vielsagendem Schulterzucken. Beide schwiegen bedrückt, denn das bedeutete, dass ihnen ein unangenehmer Besuch bevorstand.
Einige Minuten später gingen die beiden Kommissare die gepflasterte Einfahrt zu einem gut gepflegten Einfamilienhaus in Köln-Rodenkirchen hinauf. Scheuer betätigte den Klingelknopf neben der Eingangstür, aber es verging eine kleine Ewigkeit, bis eine Frau um die dreißig etwas verstört und mit fragendem Blick die Tür öffnete.
„Guten Tag. Sind Sie Fiona Kleinschmidt?“ fragte Alex Berger. Ihm war nicht wohl bei dem Gedanken, was diesen Besuch anging.
„Ja, um was geht es bitte?“
„Hauptkommissar Berger ist mein Name, das ist mein Kollege Scheuer. Wir sind von der Mordkommission Köln. Dürfen wir einen kurzen Augenblick reinkommen, wir haben ein paar Fragen an Sie.“ Unbeholfen hantierte er mit seinem Dienstausweis vor dem Gesicht der Frau herum, bevor er ihn wieder mit einer recht unbeholfenen Bewegung in den Tiefen seiner Jackentasche verschwinden ließ.
Wortlos und etwas benommen trat die Frau einen Schritt zur Seite und ließ die Beamten eintreten. Es dauerte einen Moment, bis sie begriff, wer da vor ihr stand.
„Sie sind von der Mordkommission?“
„Ja, Frau Kleinschmidt. Es geht um ihre Vermisstenmeldung von heute Morgen.“ Im Hintergrund hörte Berger Kinderstimmen aus einem der Zimmer. Im Wohnzimmer rechts neben der Tür standen zwei große schwarze Koffer, fertig gepackt.
„Sie kommen wegen Robert, richtig? Mein Gott, was ist mit meinem Mann?“ Die Veränderung in ihrer Stimme ließ darauf schließen, dass sie genau verstanden hatte, weshalb die beiden Kommissare gekommen waren.
„Bitte setzen Sie sich doch erst einmal, Frau Kleinschmidt.“ Alex Berger wartete nun geduldig, bis Fiona Kleinschmidt etwas umständlich auf ihrem Sofa im Wohnzimmer Platz genommen hatte. Jan Scheuer und er blieben erst einmal stehen. Ängstlichen Blickes schaute sie von Berger zu Scheuer und zurück. Der Besuch der beiden Beamten konnte nur mit dem Verschwinden ihres Mannes zu tun haben, dessen war sie sicher. Und Mordkommission, das konnte nichts Gutes bedeuten. Sie schaffte es kaum noch, die Tränen zurückhalten, schien aber dennoch ziemlich gefasst. „Leider haben wir wohl keine guten Nachrichten für Sie, Frau Kleinschmidt. Wir gehen derzeit der Vermutung nach, dass Ihr Mann Robert in der vergangenen Nacht einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen sein könnte.“
Alex Berger wartete. Fiona Kleinschmidt setzte zu sprechen an, aber die Stimme versagte ihr den Dienst. Während die junge Frau wie betäubt den Kopf schüttelte, als wolle sie sich weigern, diese Aussage Bergers zur Kenntnis zu nehmen, begann sie leise zu weinen. Es dauerte nun einige Zeit, bis sie sich etwas beruhigt hatte. Dann blickte sie zu Berger auf und in ihren Augen spiegelte sich eine tiefe, schmerzvolle Trauer, die keinen Platz für andere Gedanken ließ.
„Das kann nicht sein … mein Mann …wie …“ Ihre Stimme versagte erneut. Wieder vergingen einige endlose Sekunden. Berger und Scheuer warteten. Dann richtete sie sich langsam etwas auf und sah Berger ins Gesicht.
„Und wie ist er gestorben?“ fragte sie mit einem seltsam entrückten Ton in der Stimme, als würde sie nicht wirklich eine Antwort erwarten. Ihre Augen jedoch sagten das Gegenteil. Das war fast immer die erste Frage auf eine solche Ankündigung, dachte Berger. Das war immer das, was Hinterbliebene zuerst wissen wollten. Wie ist er oder sie gestorben! Nicht wann und wo oder weshalb, sondern immer wie!
Ihre Stimme klang kraftlos und leer und immer noch entrückt. Offenbar hatte sie die Worte des Beamten zwar vernommen, aber deren tieferer Sinn war noch nicht vollends in ihr Bewusstsein eingedrungen. Berger überging geflissentlich die Frage und zog stattdessen das Foto des Ermordeten aus der Innentasche seines Jacketts.
„Dürfen wir Ihnen zuerst dieses Foto zeigen?“ Vorsichtig legte er das Bild auf den Tisch und schob es zu ihr hinüber. Er war froh, dass die Gerichtsmedizin den Mann zumindest etwas hergerichtet hatte, bevor die Aufnahmen angefertigt wurden! Nun bemühte sich Berger, seiner Stimme einen ruhigen Tonfall zu verleihen, als er die Frage stellte.
„Ist das auf dem Foto ihr Mann Robert, Frau Kleinschmidt?“
Wie zur Salzsäule erstarrt