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Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.

Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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wegreden. Ich muss für Dodo sorgen. Sie ist noch so klein. Finanziell ist das Kind gesichert. Aber was nützt Geld, wenn sie keine Liebe hat? Dodo braucht Liebe, sehr viel Liebe. Sie will nicht glauben, dass ihre Mutter nicht mehr zurückkommt. Sie hat die seltsame Vorstellung, dass nur Männer auf See sterben. Krischan hat ihr erzählt, dass der Seemannstod der schönste sei. Die Menschen hier sprechen vom Tod genauso wie vom Leben. Nun ja, sterben muss ein jeder. Und wenn man alt ist –« Er sah Denise durchdringend an. »Versprechen Sie mir, dass Sie Dodo aufnehmen, Frau von Schoenecker?«

      »Ich verspreche es Ihnen«, erwiderte Denise mit belegter Stimme.

      »Und wenn Sie das Kinderheim nun einmal auflösen?«

      »Das wird nie der Fall sein. Mein Sohn Dominik wird es weiterführen, wenn er erwachsen ist.«

      »Sie ist doch noch keine fünf Jahre«, sagte Wilm Brodersen leise. »Und ihre Eltern sind nun schon ein Jahr tot. Jörn hat sich wohl nicht überlegt, dass das Kind eines Tages ganz allein sein wird.«

      Die rätselhafte Bemerkung gab Denise zu denken, aber da Wilm Brodersens Gesicht sich verschloss und seine Augen zum Wasser schauten, ahnte sie, dass er mehr nicht sagen wollte.

      »Sie wird nicht allein sein«, sagte sie leise.

      »Dann werde ich meine Verfügungen treffen«, erklärte er.

      Ein Boot näherte sich, dem ein alter Mann entstieg. Er mochte noch älter sein als Kapitän Brodersen, auch noch älter als Krischan.

      Er legte die Hand an seine Mütze, als er den Kapitän gewahrte. »Er war einmal Maat auf meinem Schiff«, sagte Wilm Brodersen leise. »Er ist nicht ganz richtig im Kopf und ein Spökenkieker. Man darf nicht alles wörtlich nehmen, was er sagt, aber er ist trotzdem ein guter Kerl.«

      »Hinnerk«, rief Dodo laut und lief auf ihn zu. Ein breites Lächeln ging über das Gesicht des alten Mannes.

      »Die kleine Dodo«, brummte er.

      »Warst du weit draußen, Hinnerk?«, fragte Dodo.

      »Ganz weit, Lütte.«

      »Aber Muttichen hast du wohl nicht gesehen?«, fragte Dodo, und Denise rann ein kalter Schauer über den Rücken, obgleich die Sonne heiß herniederbrannte.

      »Wird wohl bald kommen«, sagte Hinnerk. »Wird bald kommen, lütte Deern.« Dann aber blickte er schuldbewusst zu Kapitän Brodersen, legte seine Hand wieder an die Mütze und steckte seine Pfeife in den Mund. So ging er auf steifen Beinen weiter.

      »Hast du es gehört, Großväterchen«, sagte Dodo ganz aufgeregt. »Hinnerk hat gesagt, dass Mutti bestimmt bald kommen wird. Ihn hat die See ja auch zurückgegeben, und er ist ein Mann.«

      Kleine Schweißtropfen erschienen auf Wilm Brodersens Stirn, und sein Atem ging schwer. Während Dodo wieder unbeschwert davonsprang, sagte er zu Denise: »Hinnerk war bei Sturm über Bord gegangen. Er konnte gerettet werden, hatte dann aber sein Gedächtnis verloren. Man muss nachsichtig sein. Der Doktor hat ihn wieder ganz schön hingekriegt. Er ist ein guter Doktor, der Harald, und wenn er eine Frau hätte, würde er Dodo wohl behalten. Aber sie soll etwas lernen. Sie soll nicht immer nur das Meer sehen und warten, vergeblich warten. Es tut nicht gut.«

      *

      Denise nahm sich vor, einmal mit Harald Gottschalk über Kapitän Brodersen zu sprechen, auch über Hinnerk und Dodos Eltern. Aber erst ein paar Tage später bot sich Gelegenheit dazu, denn Dr. Gottschalk war viel unterwegs und kam abends so spät zurück, dass Denise ihn damit nicht auch noch aufhalten wollte.

      Viel Post kam nun in das Doktorhaus, nicht nur von Alexander und Nick, auch von den beiden schon erwachsenen Schoenecker-Kindern Andrea und Sascha. Und auch von den Kindern in Sophienlust.

      An dem Nachmittag des Tages, an dem Denise mehr über Dodos Eltern erfahren sollte, bat Wilm Brodersen sie zum Tee in sein Haus. Zum ersten Mal betrat sie das Zimmer, von dem Henrik soviel zu erzählen wusste, und auch sie konnte sehen, wie viel Schätze es barg.

      Hatten diese für Henrik einen abenteuerlichen, geheimnisvollen Reiz, so sah Denise in erster Linie, welche Kostbarkeiten hier angesammelt waren. Staunend stand sie und fand keine Worte.

      »Suchen Sie sich etwas aus«, sagte Wilm Brodersen. »Ich möchte, dass Sie eine Erinnerung mitnehmen.«

      »Das kann ich nicht«, sagte Denise. »Jedes einzelne Stück ist wertvoll.«

      »Ich möchte es. Ich bitte Sie darum«, erklärte er. »Was Ihnen am meisten gefällt, sollen Sie haben. Nehmen Sie sich Zeit. Ich bereite den Tee.«

      Er bereitete ihn in einem indischen Teekessel. Man konnte es als eine Zeremonie bezeichnen, und der Duft, der den Raum erfüllte, versetzte Denise in eine andere Welt. Ihr Blick fiel auf eine Malachitschale, und immer wieder kehrte er zu dieser zurück, während sie in dem Zimmer umherging.

      Wilm Brodersen musste sie wohl beobachtet haben, denn plötzlich nahm er die Schale und reichte sie ihr.

      »Sie haben eine gute Wahl getroffen«, sagte er, bevor sie sich äußern konnte. »Sehen Sie diese arabischen Schriftzeichen? Sie bedeuten, dass dem Besitzer Glück beschieden sein soll ein Leben lang.«

      »Und das wollen Sie herschenken?«, fragte Denise, sich zu einem leichten Ton zwingend.

      »Ihr Leben wird länger währen als meines«, sagte er. »Der Tee ist fertig, Frau von Schoenecker.«

      Es war der köstlichste Tee, den Denise je in ihrem Leben getrunken hatte, und sie sagte es ihm.

      Ein Lächeln voll Wehmut war in seinen Augen. »Radima hat es mich gelehrt«, sagte er leise. »Sie wurde meine Frau. Sie war die Mutter meines Sohnes. Sie war Inderin. Es ist seltsam, Jörn glich äußerlich nur mir, aber die Seele hatte er von seiner Mutter, und auch Dodo hat etwas von ihr. Ich habe Radima früh verloren.«

      *

      »Großväterchen kocht Tee für deine Mami«, sagte Dodo zu Henrik. »Er hat noch nie für jemand Tee gekocht in dem Kessel, nur für sich allein. Er muss deine Mami sehr gern haben.«

      Henrik fand nichts dabei. Alle Menschen hatten seine Mami gern. Er wusste es nicht anders, und warum sollte ausgerechnet der Kapitän eine Ausnahme machen?

      Er wollte auch gern in dem Zimmer sein, aber Dodo hielt ihn zurück. »Das ist feierlich«, sagte sie, »da darf man nicht stören.«

      »Gehen wir zu Mintje«, schlug er vor. »Die gibt uns etwas zu essen und zu trinken.«

      Damit war Dodo einverstanden. Hannibal hatte den Namen Mintje gehört und rannte schon mit weiten Sprüngen voraus.

      »Was machst du eigentlich den Winter über?«, fragte Henrik Dodo.

      »Ich lerne«, erklärte Dodo.

      »Was lernst du?«, fragte Henrik verblüfft.

      »Lesen und schreiben.«

      »Du gehst doch noch gar nicht zur Schule«, staunte er.

      »Großväterchen lernt mit mir«, erklärte Dodo. »Man kann nicht früh genug damit anfangen. Im Winter gehe ich sicher schon in die Schule. So schlau wie die anderen Kinder bin ich auch.«

      Sie sagte es ohne Überheblichkeit.

      »Nehmen sie dich denn schon? Bei uns gehen die Kinder erst in die Schule, wenn sie sechs Jahre sind. Manchmal auch ein bisschen früher. Na ja, in Sophienlust lernen sie auch schon, aber noch nicht lesen und schreiben.«

      »Warum nicht?«, fragte Dodo.

      »Weil es dann langweilig wird, wenn man in der Klasse sitzen muss.«

      »Mir wird es nicht langweilig, wenn ich lernen kann«, erklärte Dodo. »Ich kann schon deinen Namen schreiben. Willst du es sehen?«

      Sie nahm ein dünnes Stöckchen und schrieb seinen Namen in den Sand. Dann wartete sie einen Augenblick, bis er sich von seinem Staunen erholte und schrieb dahinter ›und Dodo‹.

      Henrik


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