Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
das ihn zur Eile antrieb und ihn in Richtung der schlafenden, ihm unbekannten Tina zog.
*
Rosel Gerstmair brühte den Kaffee auf. Franz, ihr Mann, betrat die Küche.
»Tina ist fort! Sie hat einen Zettel hingelegt! Hast du heute Nacht etwas gehört?«
Er warf einen Blick auf den Zettel neben seinem Frühstücksbrettchen.
»Naa, ich hab’ nix gehört. Du kennst mich doch, wenn ich mal eingeschlafen bin, dann schlafe ich wie ein Bär. Hast du sie fortgehen gehört?«
»Naa, ich hatte eine Schlaftablette genommen. Des weißt du doch! Ich konnte net einschlafen, nach der Auseinandersetzung mit der Tina. Es geht mir doch sehr nah.«
»Des tut es mir auch, Rosel. Ich hätte nie gedacht, dass sie es so schwer nimmt.«
Er schwenkte den Zettel hin und her.
»Des liest sich fast wie ein Abschied für immer.«
»Franz, mal den Teufel net an die Wand. So etwas darfst net einmal denken. Die Tina ist unser einziges Kind. Was soll denn werden, wenn wir sie verlieren?«
Franz Gerstmair seufzte.
»Ach, Rosel, fast habe ich Angst, dass wir sie schon verloren haben. Ich kann nur hoffen, dass sie in der klaren Bergluft zur Vernunft kommt.«
»Sie hofft, dass wir zur Vernunft kommen.«
»Des, was die Tina für vernünftig hält, Rosel, des ist aber net vernünftig. Des Madl wird uns später dankbar sein. Jetzt ist sie noch zu jung und unerfahren, um des wirklich beurteilen zu können.«
Rosel schaute ihren Mann an. Sie schenkte ihm Kaffee ein. Sie frühstückten. Rosel schwieg. Franz beobachtete sie. Wenn seine liebe Frau sich so in Schweigen hüllte, dann wusste er, dass seine Entscheidungen von ihr nicht gutgeheißen wurden. So war es viele Ehejahre gewesen.
»Rosel, ich dachte, wir wären uns einig? Wir haben uns so viele Gedanken gemacht und uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Es hört sich so einfach an, ich verkaufe den Hof. Aber es ist auch meine Heimat, von der wir uns trennen. Mir tut es auch schon ein bissel weh. Aber es gibt Situationen, da muss man sich dem Schmerz stellen. Da muss man durch und hinterher ist man froh, dass man tapfer gewesen ist.«
»Ich verstehe dich schon, Franz. Wir waren uns auch einig. Allein mir blutet mein Mutterherz, die Tina so unglücklich zu sehen. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob unsere Entscheidung richtig ist.«
»Hoppla, langsam! Willst jetzt doch kein Rückzieher machen, wie?«
»Nein, Franz! Aber mir sind wieder Zweifel gekommen.«
»Denkst, ich habe keine Zweifel? Keiner kann in die Zukunft sehen. Man kann nur alle Vorteile und Nachteile auf die beiden Schalen einer Waage legen und dann zusehen, welche Schale sich senkt, was schwerer wiegt. Also kann man nur Entscheidungen treffen, wie sie im Augenblick, wie sie zu dem gegenwärtigen Zeitpunkt sinnvoll sind und die man so als richtig erachtet.«
Die Bäuerin seufzte tief.
»Ich weiß, Franz. Wir haben abgewogen, aber ohne Tinas schwere Bedenken und Ablehnung zu bedenken und mit in die Waagschale zu werfen. Jetzt hat alles ein neues Gewicht.«
»Rosel, es bleibt dabei! Tina ist kein dummes Madl. Ich bin mir sicher, dass sie einsieht, dass wir es nur gut meinen.«
»Ich hoffe, sie versteht eines Tages unsere Gründe.«
»Rosel, erinnerst du dich, wie des damals war, als sie aus der Schule kam. Da hat sie sich auch mit Händen und Füßen gewehrt, den Beruf der Steuerfachgehilfin zu erlernen. Doch kaum hatte sie mit ihrer Lehre begonnen, war sie sehr froh und fand den Beruf sehr interessant. Erinnerst du dich?«
»Ja, ich erinnere mich, Franz. Sie drohte damit, gleich nach der Volljährigkeit ins Kloster einzutreten.«
Rosel Gerstmair wurde blass. Sie starrte ihren Mann an.
»Was ist, wenn sie jetzt ins Kloster geht?«
Franz überlegte einen Augenblick. Er zuckte mit den Schultern.
»Dann ist es egal, was aus dem Hof wird. Dann lebt sie im Kloster und nicht hier, dann hat sie eine neue Heimat. Dann kann es ihr gleich sein. Wenn sie mich damit unter Druck setzen will, zieht sie den Kürzeren.«
Die Bäuerin seufzte erneut. Ihr war es schwer ums Herz.
»Franz, wir müssen doch nichts überstürzen oder?«
»Naa, des müssen wir nicht. Am Ende finden wir vielleicht erst in Jahren einen Käufer für den Hof. Viele Höfe werden zum Kauf angeboten. So leicht ist es nicht, einen Hof zu verkaufen, auch wenn er wie der unsere preiswert sein wird. Es kann dauern. Deshalb verstehe ich des ganze Theater von der Tina nicht.«
»Aber verkaufen willst du?«
»Ja, wir verkaufen! Wenn ein Käufer kommt und ihn haben will, dann kann er ihn haben. Basta! Darüber waren wir uns doch einig, Rosel, oder?«
»Ja, Franz, wir waren uns einig. Es ist nur so, dass mir nach dem Gespräch mit Tina Zweifel gekommen sind. Verstehst mich?«
»Sicher, Rosel! Aber es ist gut so, wie wir es machen wollen. Daran halten wir fest.«
Franz Gerstmair aß sein Brot zu Ende und trank einen Schluck Kaffee. Er räusperte sich.
»Weißt, ich habe auch nachgedacht. Es ist schlimm, quasi hier auf gepackten Koffer zu sitzen. Außerdem verkauft sich ein Hof, der leersteht besser, als ein Hof, der noch bewohnt ist und erst geräumt werden muss.«
Seine Frau schaute ihn überrascht an.
»Was willst jetzt damit sagen?«, fragte sie.
»Das kannst dir doch denken. Wir haben schon mal drüber gesprochen. Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass es so am Besten ist. Wir warten das Gutachten ab und geben der Maklerin den Auftrag zum Verkauf. Mit dem Wertgutachten bekommen wir sicher von der Bank einen Kredit, um uns jetzt schon im Neubaugebiet das große Haus mit dem Eckgrundstück zu kaufen. Wer weiß, ob es noch zum Verkauf steht, wenn wir warten, bis wir den Hof verkauft haben. Wir ziehen ein und vermieten die restlichen Räume. Hier auf dem Hof vermieten wir weiter an Feriengäste, bis zum Verkauf. Ich habe mir alles genau ausgerechnet. Es wird sich machen lassen. Dann haben wir das, was wir wollen, und Tina kann sich in Ruhe vom Hof lösen. Sie wird sehen, wie schön es ist, in einem Neubau zu wohnen. Am Ende wird sie dem alten Kasten nicht mehr nachtrauern.«
»Wenn die Tina zu uns in den Neubau zieht, Franz …«
»Himmel, wenn sie hier bleiben will, bis sie ausziehen muss, dann soll sie in dreimal Gottesnamen hier bleiben. Sie wird uns besuchen und sehen, wie wir uns schön im Neubau eingerichtet haben und leben.«
»Wenn Tina uns besucht … Ich habe große Zweifel, dass sie einen Fuß in den Neubau setzen wird.«
»Rosel, was redest da für einen Schmarrn? Ich denke, dass meine Idee sehr gut ist. Sie ist gut für uns und gibt Tina genug Zeit, sich vom Hof zu lösen, wenn man es so nennen will.«
Rosel nickte nur stumm. Noch war es nicht soweit. Es würde eine Weile dauern, bis das Gutachten fertig war. Jetzt kam es Rosel Gerstmair nur darauf an, dass Tina wieder kam und sie in Ruhe und alleine mit ihrem Madl reden konnte. Sie hoffte sehr, dass Tina in den Bergen Ruhe fand und alles überdachte. Rosel Gerstmair trennte sich auch nicht leicht vom Hof. Seit ihrer Vermählung vor dreißig Jahren war er auch ihre Heimat geworden. Aber querstellen wollten sie sich nicht. Der Hof war im Grundbuch auf den Namen ihres Mannes eingetragen. Es war sein Erbe. Eine Frau geht dorthin, wo der Mann ist. Damit war sie groß geworden, so war es, und für sie würde es immer so sein, dachte sie. Dabei zerriss es ihr fast das Herz. Es tat ihr weh, Tina Schmerz zuzufügen, aber sie auf der Welt mit so viel Last zurückzulassen, war auch eine große Verantwortung. So ein Erbe kann schnell zum Albtraum werden. Da hat Franz schon recht, dachte sie.
Sie waren mit dem Frühstück fertig. Franz ging hinaus. Rosel nahm eine