Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
obwohl ihm das schwerfallen mochte.
»Sie haben schon bei uns angerufen, Herr Doktor«, begann er stockend. »Entschuldigen Sie bitte, dass ich erst heute komme, aber ich war auswärts.«
Er sah sehr angegriffen aus, aber das wunderte Dr. Norden nicht. Die Blutsenkung war katatrophal, die übrigen Befunde ließen Schlimmes ahnen. Aber Dr. Norden wollte ganz sichergehen.
»Nun, was ist?«, fragte Martin Kraft ungeduldig. »Wahrscheinlich viel Lärm um nichts. Meine Frau hat sich hinter Jochen gesteckt und …«
»Das war richtig so«, sagte Dr. Norden, als er eine Atempause einlegte, die doch eine geheime Angst verriet. »Ich bin für eine klinische Untersuchung, Herr Kraft.«
»Noch mal untersuchen?«, fragte der andere erregt. »Sie haben mir doch schon genügend Blut abgezapft. Ganz schwach habe ich mich danach gefühlt.«
Ein deutlicher Vorwurf lag in seiner Stimme, aber darüber hörte Daniel hinweg. Er kannte auch solche Reaktionen zur Genüge.
»Ein Zeichen, dass Sie nicht so gesund sind, wie Sie meinen«, erwiderte er.
Er wollte Martin Kraft keinen Schrecken einjagen, aber als gewissenhafter Arzt musste er ihm deutlich vor Augen führen, wie bedenklich sein Zustand war.
»Ich kann mir einfach nicht leisten, mich ewig in eine Klinik zu legen!«, begehrte der Patient auf.
»Nicht ewig, drei Tage«, sagte Daniel, obgleich er starke Zweifel hegte, ob es damit abgetan sein würde.
»In meinem Beruf muss man am Drücker bleiben, Herr Doktor. So einfach ist das nicht. Mein Sohn studiert noch, und auf unserm Haus liegt eine Menge Belastungen. Es muss doch ein Mittel gegen diese Schmerzen geben, das wirklich hilft.«
»Mittel gibt es viele, die Schmerzen betäuben, aber wenn eine Krankheit in ihren Wurzeln bekämpft werden soll, muss ihre Auswirkung beobachtet werden. Das kann ich nicht, wenn Sie nur ab und zu mal eine Stippvisite bei mir machen.«
»Ein braves Pferd stirbt in den Sielen«, äußerte Martin Kraft leichthin.
»Und was wird dann mit dem Studium Ihres Sohnes und den Abzahlungen für das Haus?«, fragte Dr. Norden nun sehr direkt.
Martin Kraft sah ihn erschrocken
an.
»Das sollte eigentlich nur ein Scherz sein«, brummte er.
»Mir ist nicht zum Spaßen. Ich kann noch keine endgültige Diagnose stellen, aber die Schmerzen, die Sie haben, kommen nicht von einer chronischen Gastritis, wie Sie meinen.«
»Wie auch unser früherer Arzt meinte.« Es klang ungehalten.
»Jeder Arzt kann sich täuschen. Es ist menschlich. Sicher sprechen manche Symptome für eine Gastritis, und früher hatten Sie diese Schmerzen doch auch nicht so häufig, wie Ihr Sohn mir sagte. Ich denke, Sie würden den Weg des geringeren Übels wählen, wenn Sie möglichst bald in eine Klinik gehen würden. Zwingen kann ich Sie nicht, ich kann es Ihnen nur eindringlich raten.«
»Dann sagen Sie mir wenigstens die Wahrheit.«
»Das wäre voreilig. Ich möchte Sie gern zu Professor Wiese schicken. Er ist Spezialist für Nierenerkrankungen.«
»Ach was, Nieren, das ist die Bandscheibe«, widersprach Martin Kraft.
»Wenn Sie es besser wissen, ist Ihnen nicht zu helfen. Ich sage, es ist nicht die Bandscheibe und keine Gastritits, sondern es sind die Nieren.«
Dr. Norden konnte auch energisch werden. Sein Patient senkte den Blick.
»Gut, wenn Sie es sagen. Sie haben ja Medizin studiert. Aber wenn es nicht die Nieren sind und ich umsonst meine Zeit in der Klinik vertrödele, haben Sie einen Patienten weniger!«
»Daran werde ich nicht sterben«, erwiderte Daniel mit hintergründiger Betonung, die sein Gegenüber aber doch wohl verstand. Sein Gesicht wurde noch blasser.
»Na, schön, dann beiße ich eben in den sauren Apfel. Soll ich vorher noch mein Testament machen?«
»Das können Sie, aber besser wäre es, wenn Sie den Tatsachen ins Auge blicken und den Willen haben würden, gesund zu werden, Herr Kraft. Werden Sie Ihrem Namen gerecht.«
»So schnell bringt mich nichts um. Ich will ganz gern noch leben.«
»Das höre ich gern. Dann melde ich Sie bei Professor Wiese an und gebe Ihnen Bescheid, wann ein Bett frei ist.«
»Wenn schon, dann so bald wie nur möglich. Nächsten Monat will sich unser Jochen verloben, da möchte ich dabeisein und das Essen genießen können. Die Eltern seiner Braut haben nämlich eine Landwirtschaft.«
Hoffentlich kann er noch dabeisein, dachte Daniel.
Trotz dieser langen Unterhaltung hatte er nun eine kurze Ruhepause. Der nächste Patient war erst in einer Viertelstunde fällig.
»Ich fahre schnell mal raus in die Wohnung«, sagte Daniel zu Helga Moll. »Lenchen musste heute Mittag vergeblich auf mich warten. Ich habe mit Behnisch gegessen.«
»Wie geht es Uli?«, fragte sie. Endlich kam sie dazu.
»Hoffen wir das Beste. Sein Vater ist auch zusammengeklappt.«
»Kein Wunder bei der Frau. Sie kann einem den letzten Nerv töten. «
Molly, wie Dr. Norden sie nannte, weil sein Vater sie schon so gerufen hatte, konnte sich solche Bemerkungen erlauben. Sie war nicht gehässig. Sie war ehrlich.
»Nun wird sie sich wieder hysterisch in Szene setzen«, bemerkte Molly noch.
»Sie ist weit vom Schuss und amüsiert sich wahrscheinlich. Also, bis gleich.«
*
Er fuhr nicht nur hinauf in seine Penthouse-Wohnung, um Lenchen zu versöhnen, sondern auch um mit Fee zu telefonieren.
Molly brauchte ja nicht unbedingt zu wissen, dass dies jeden Tag sein musste.
Heute Abend war die Übertragung eines Fußballspiels im Fernsehen, die er sich ungern entgehen lassen wollte.
Fee kannte seine jungenhafte Begeisterung dafür, wie sie gleich zu erkennen gab, als er sie an der Strippe hatte.
Er lauschte so gern ihrer warmen, weichen Stimme, diesem leisen Lachen, das noch so lange in seinen Ohren nachklang.
»Ich hätte dich heute Abend schon nicht gestört«, sagte sie neckend.
»Oh, von dir würde ich mich gern stören lassen, Liebes. Kannst du nicht schnell mal kommen?«
»Wir haben Hochbetrieb, Daniel. Acht Neuzugänge.«
»Könnt ihr denn alle unterbringen?«
»Jetzt sind wir voll belegt.«
»Und keine Schwierigkeiten?«
»Mit denen muss man fertig werden. Paps hat ja die Ruhe weg. Isabel hat gestern abend ihre Zelte hier abgebrochen. Hat sie sich noch nicht bei dir gemeldet?«
Klang da nicht doch ein wenig Eifersucht durch?
»Sie wird Besseres zu tun haben«, erwiderte Daniel. »Denk du lieber an mich.«
»Das tue ich ja.«
»Dann vergiss nicht, dass du die einzige Frau in meinem Leben bist.«
Zum Abschied hauchte Fee einen Kuss in die Muschel, und dann ließ sie ihre schmale, schöne Hand auf dem Hörer ruhen.
»Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was man leidet«, sagte die tiefe, ruhige Stimme ihres Vaters hinter ihr.
Errötend wandte sie ihm ihr bezauberndes Gesicht zu.
»Ich leide nicht, Paps«, sagte sie.
»Aber Sehnsucht hast du, das sehe ich dir doch an«, meinte er liebevoll. »Muss ich dich mal wieder nach München schicken?«
»Das