Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
»Es wird schön bleiben«, äußerte er hoffnungsvoll.
Er sollte recht behalten. Ein strahlendschöner Morgen erwachte und lockte sie früh aus den Betten.
Lenchen war nicht beleidigt, als sie ihr Vorhaben ankündigten. Sie packte den Picknickkoffer.
Sie erreichten die Autobahn gerade noch, bevor die große Welle des Ausflugsverkehrs einsetzte, und waren schnell am Ziel. Ebenso schnell war das Boot klargemacht.
»Wochenend und Sonnenschein und dann mit dir im Boot allein«, sang Daniel übermütig.
»Im Wald allein, heißt es«, warf Fee lachend ein.
»Wir können am Abend auch noch in den Wald gehen, wenn es dich danach gelüstet«, meinte er. »Du, ich habe mich schon lange nicht mehr so wohl gefühlt, Liebling. Drei Wochen haben wir uns schon nicht gesehen. Eine Ewigkeit.«
»Und was da so alles passieren kann«, bemerkte Fee.
»War bei euch auch was los?«
»Nur Erfreuliches. Bei uns ist jetzt jeden zweiten Tag Tanztee. Wir müssen uns umschauen, dass sich laufend Tanzlehrer bei uns auskurieren wollten, wenn Lissy mit ihrem Maxi in die Staaten geht.«
Jetzt musste sie erzählen, und Daniel hörte ihr lächelnd zu.
»Eine Heiratsvermittlung betreibt ihr nebenbei auch noch«, scherzte er.
»Die wird von den Patienten selbst betrieben. Gott bewahre uns, dass wir uns auf so glattes Parkett begeben. Aber das Klima scheint dafür auf der Insel besonders günstig zu sein.«
»Wir zwei sind ein prächtiger Beweis dafür, oder meinst du nicht?«
Ganz gelöst waren sie, frei vom Alltag, glücklich in ihrer Zweisamkeit.
Der herrliche Tag hatte viele Ausflügler aufs Wasser gelockt. Und nicht nur Segelboote schaukelten auf den Wellen, die nun von einem frischeren Wind schon höher schlugen.
»Das Wetter wird anscheinend doch umschlagen«, stellte Daniel fest.
»Schau mal, Daniel, wie unverantwortlich«, sagte da Fee. »Mit dem Schlauchboot so weit hinauszufahren und dazu noch ein kleines Kind mitzunehmen.«
»Die Dummen sterben nicht aus«, bemerkte er. »Ja, gibt es denn so was! Jetzt schaukeln sie auch noch!«
Und da war es schon geschehen. Etwa zwanzig Meter war das Schlauchboot noch von ihnen entfernt, als es plötzlich von einer Welle erfasst und umgeworfen wurde.
Fee war starr vor Schrecken, als gellende Aufschreie an ihre Ohren klangen.
»Das Kind, mein Gott, das Kind!«, schrie sie auf.
Da fragte Daniel auch bereits: »Wirst du allein mit dem Boot fertig, Fee?«
»Ja, ja doch«, stieß sie hervor, und schon schoss er wie ein Pfeil ins Wasser. »Pass auf, Daniel!«, rief sie ihm zu, bebend vor Angst.
Mit kräftigen Stößen teilte er die Wellen. Er war ein guter Schwimmer, aber leicht war das Vorankommen nicht.
Vom Ufer heulte eine Sirene auf. Das Knattern von Motorbooten drang an sein Ohr. Er sah eine Hand, die sich aus dem Wasser streckte und dann versank. Er sah das blaue Schlauchboot endlich schon nahe.
Ein winzig scheinendes Etwas klammerte sich daran und schrie: »Papa! Mama!«
Daniel konzentrierte sich nur auf das Kind. Endlich hatte er es erreicht, griff nach ihm.
»Stillhalten«, sagte er, »nicht zappeln!«
»Mama! Papa!«, jammerte das Kind.
Aber Daniel hatte jetzt keine Zeit, über den Leichtsinn der Eltern nachzudenken. Ein Motorboot holte ihn und das Kind an Bord.
Er blickte sich um und konnte doch nichts sehen als das treibende Schlauchboot und sein eigenes Boot, das näher kam.
»Das ist mein Boot«, sagte er heiser und schwer atmend. »Setzen Sie mich ab. Suchen Sie die Eltern des Kleinen.«
»Mama! Papa!«, schluchzte der Junge, der höchstens fünf Jahre sein mochte. Und das Ufer schien so fern. Waren seine Eltern unter denen, die jetzt so zahlreich auf die Unglücksstelle zuschwammen?
Daniels Kraft war vorerst erschöpft. Er wusste auch, dass Fee nicht lange allein mit dem Boot fertig werden konnte, da der Wind jetzt noch stärker auffrischte.
Zuerst hoben sie das Kind über die Bootswand. Es kauerte sich gleich am Boden zusammen und schluchzte angstvoll.
Daniel nahm das Steuer. Rein automatisch handelte er, während Fee den Kleinen in eine Decke hüllte. Er murmelte etwas in italienischer Sprache.
Sie konnte es nicht verstehen, da seine Zähne klapperten. Sie flößte ihm warmen Tee mit Zitrone ein.
»Freddo«, sagte er bebend.
»Es wird dir gleich wärmer werden«, meinte Fee.
»Io non capisco«, murmelte der Kleine.
»Io parlo un po’ d’italiano«, erklärte Fee. »Capisco?«
Der Kleine nickte. Fee hatte den Arm um ihn gelegt. Er schmiegte sich an sie.
»Papa! Mama!«, flüsterte er wieder.
Eine Stunde später wussten sie, dass er weder Papa noch Mama wiedersehen würde, und jetzt war es auch zu spät, sich wegen dieses Leichtsinns zu erregen.
Ein Kind stand allein auf der Welt, in einem fremden Land, mit dessen Menschen es sich nicht verständigen konnte. Was sollte nun mit ihm geschehen?
»Wir werden ihn mitnehmen«, sagte Fee entschlossen. »Er kann bei uns bleiben, bis sich Verwandte melden.«
Und das ist unser schönes, geruhsames Wochenende, dachte Daniel. Die Freude am Segeln war ihnen vergangen.
Mit einem kleinen Jungen, der nichts anhatte als eine Badehose und, in eine warme Decke gehüllt, vor Erschöpfung eingeschlafen war, fuhren sie heim.
»So langsam beginne ich an die Sterne zu glauben«, brummte Daniel. »Manchmal müssen sie eine besonders ungünstige Konstellation einnehmen. Eine so turbulente Woche habe ich wahrhaftig noch nicht erlebt.«
*
»Jesses, Jesses!«, sagte Lenchen, als er den Jungen, der noch immer schlief, in die Wohnung trug. »Was gibt es denn nun schon wieder?«
Doch Zetern gab es bei Lenchen nicht, und ihre von Daniel so oft belächelte Sentimentalität sollte sich endlich einmal als nützlich erweisen, denn sie hatte einen ganzen Koffer voll Kinderkleidung von ihm aufbewahrt.
Irgendwelche Vorwürfe gegen die Eltern des kleinen Jungen zu äußern, hätte sie als Lästerung empfunden, denn sie hatten ihren Leichtsinn mit dem Leben bezahlen müssen.
Gedanken, dass es für den Kleinen vielleicht besser gewesen wäre, nicht gerettet zu werden, kamen ihr auch nicht.
Wenn ihr im Nachhinein noch etwas Sorgen bereitete, dann der Gedanke, was ihrem Doktor alles hätte passieren können, den sie doch aufgezogen hatte, als wäre es ihr Kind.
»Wie heißt denn der Kleine?«, fragte sie.
Aber nicht einmal das wussten Fee und Daniel. Sie wünschten sich, dass der Junge möglichst lange schlafen würde, denn sie wussten nicht, wie sie es ihm sagen sollten, dass er seine Eltern verloren hatte.
Fee betrachtete den Kleinen. Er war ein hübsches Kind. Nun wieder durchwärmt und trocken, lockte sich das schwarze Haar um ein schmales Gesichtchen. Lange schwarze Wimpern lagen auf den braunen Wangen.
Die festen kleinen Finger hatten sich in der Bettdecke festgekrallt, als hielte er sich noch immer an dem Schlauchboot fest.
Der Instinkt des Kindes hatte es vor dem Ertrinken bewahrt. Warum hatten sich nicht auch seine Eltern so gerettet? Diese Frage würde wohl niemals eine Antwort finden.
»Nun