Butler Parker Paket 3 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
war das schon eine Beleidigung. Ein Künstler meines Formats gestattet sich Empfindungen. Was mit Ihnen geschehen wird, weiß ich jetzt wirklich nicht. Das hängt von meiner Stimmung ab, Kleine, von einer Stimmung, die Sie beeinflussen können.“
„Und was muß ich dazu tun?“
„Seien Sie mein Modell, Kindchen. Entsprechen Sie meinen Vorstellungen, haben Sie echte Chancen! Aber Sie werden sich ungeheuer anstrengen müssen, ich bin sehr verwöhnt …“
Während sie sich mit dem empfindsamen Künstler unterhielt, der ununterbrochen um sie herumschritt und maß, hielt Kathy Ausschau nach den beiden Killern. Sie schienen das Atelier tatsächlich verlassen zu haben.
Bot sich hier eine Chance?
Er war ein aufmerksamer Beobachter.
„Die beiden Rauhbeine warten draußen“, sagte er und lächelte amüsiert. „Sie würden meine inneren Schwingungen doch nur stören. Kommen Sie, Kindchen, machen wir uns an die Arbeit!“
Er drohte nicht und warnte nicht.
Er schnürte die breiten Lederriemen auf, die ihre Arme an den Sessellehnen festhielten, trat zurück und richtete dann die fahrbaren Stative der Scheinwerfer so ein, daß sie den weißen Rundhorizont ausleuchteten. Er hantierte mit Gazeblenden und Vorsatzfiltern und schien ihre Anwesenheit vergessen zu haben.
Kathy besaß einen feinen Instinkt.
Dieser Mann war ungemein gefährlich. Hinter seinen Redensarten war nichts anderes als Grausamkeit. Er glich einer geschmeidigen Katze, die mit der Maus spielt, bevor sie getötet wird. Er genoß die Atmosphäre der Angst, die er verbreitete und wußte um sie.
Waren ihre Chancen wirklich gut?
Draußen vor dem Atelier befanden sich die beiden Killer, die dieses grausame Spiel wahrscheinlich bis in die letzte Einzelheit kannten. Zudem war der Mann in seiner koketten Aufmachung bestimmt kein Weichling, was seinen Körper anbetraf. Wenn es darauf ankam, wußte er sich bestimmt nachdrücklich zu wehren.
Nein, sie mußte seine Wachsamkeit erst mal gründlich einschläfern und dieses Spiel mitspielen. Er mußte den Eindruck gewinnen, daß er es wirklich mit einer Unschuld vom Lande zu tun hatte.
„Worauf warten Sie noch, Kind?“ Er drehte sich zu ihr um und deutete auf den weißen Rundhorizont. „Dorthin, Kleine! Üben wir einige Positionen ein, ich hoffe, Sie werden mich beflügeln.“
Kathy beflügelte ihn also.
Sie trat vor den weißen Rundhorizont und bemühte sich um eine Mischung von Scham und Unbeholfenheit, aus natürlicher Koketterie und Neugier.
Sie traf seinen Punkt.
Der Mann war begeistert.
Er hielt eine japanische Spiegelreflexkamera in den Händen und dirigierte sie mit kurzen Zurufen und halblauten Kommandos. Er kniete, legte sich vor ihr auf den Boden, stieg auf einen Hocker und kreiste um sie herum.
Er schoß eine Aufnahme nach der anderen und war ununterbrochen in Aktion. Wie Kathy, die seinen Kommandos folgte und wechselnde Positionen einnahm. Sie legte von Aufnahme zu Aufnahme immer mehr von ihrer gespielten Unbeholfenheit ab und verwandelte sich in ein Fotomodell nach seinen Wünschen.
„Machen wir eine kleine schöpferische Pause“, sagte er endlich und legte die Kamera aus der Hand. Er klatschte in die Hände wie ein indischer Filmnabob, worauf sich prompt die Tür zum Atelier öffnete und Herbert hereinkam.
Auf einem Tablett trug er zwei knapp bis zum Rand gefüllte Longdrink-Gläser und setzte es auf einem Hocker ab. Er ging, ohne mit seinem Chef auch nur ein Wort zu wechseln.
Kathy trank gierig.
Das heiße Licht hatte sie durstig gemacht, in dem Atelier herrschte eine Temperatur einer bestens funktionierenden Sauna. Wovon dem Mann allerdings überhaupt nichts anzusehen war. Er wirkte kühl und beherrscht.
Als sie das Glas geleert hatte, wußte Kathy, daß sie in eine Falle gegangen war. Sie spürte einen leicht bitteren Nachgeschmack, der ihr sagte, daß der Drink präpariert worden war …
*
Lady Agatha Simpson marschierte auf ihren stämmigen Beinen im Salon ihrer Stadtwohnung umher und warf fordernde und ungeduldige Blicke auf Chefinspektor Sounders, den sie seit Jahren kannte.
Sounders, einem riesigen Bernhardiner gleich, saß tief in einem Sessel und labte sich an dem Whisky, den Parker gerade serviert hatte. Detektiv-Sergeant Morrison, sein ständiger Begleiter und Blitzableiter, wirkte verschlafen wie immer, was ihn jedoch nicht hinderte, dem Whisky zuzusprechen.
„Sie trinken meinen Whisky, Sounders, aber Sie produzieren keine Ideen“, grollte Lady Agatha schließlich. „Sagen Sie endlich, wie wir dem armen Kind helfen können.“
„Ich lasse Ihrem Butler gern den Vortritt“, wich Sounders aus.
„Bis zum gesetzten Zeitpunkt verbleiben uns noch etwas über acht Stunden, Mylady.“
„Die Zeit ablesen kann ich auch!“ Sie funkelte den Butler an. „Woher nehmen wir bis dahin einen Burt Lister?“
„Eben“, stellte Sounders fest und nahm einen ausgiebigen Schluck.
„Und wo soll er dann anrufen?“ fragte Morrison vorsichtig, denn er war es gewohnt, von einem Chefinspektor angeblasen zu werden.
„Junger Mann!“ Lady Agatha baute sich vor ihm auf. Morrison zog hastig den Kopf ein und rutschte noch tiefer in den Sessel.
„Junger Mann“, wiederholte Lady Agatha und … nickte beifällig, „endlich mal ein kluges Wort. Diese Tatsache dürften wir alle übersehen haben!“
Morrison schob sich wieder etwas höher aus dem Sessel heraus und errötete vor Stolz.
„Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn“, stellte Sounders gereizt fest.
„Oft läßt sich ein Wald vor lauter Bäumen nicht sehen“, zitierte der Butler eine Spruchweisheit.
„Ich weiß nun, was wir zu tun haben“, entschied Lady Simpson, deren Wangen zu glühen begannen. „In meinem Spionageroman würde ich die Tatsache des Todes von diesem Lister in alle Welt hinausschreien. Begreifen Sie?“
„Dann ist Kathy Porter im gleichen Moment geliefert“, behauptete Sounders und schüttelte den Kopf.
„Eben nicht!“ Lady Agatha verbiß sich in der Vorstellung, die sie von dem Fall hatte. „Wenn offiziell bekanntgemacht wird, daß Lister tot ist, steigt Kathys Wert.“
„Das müssen Sie mir erst mal erklären“, bat Sounders, während Parker aufmerksam zuhörte.
„In meinem Kriminalroman geht es um Spionage“, schickte Lady Simpson voraus. „Spionage, das heißt für mich, daß irgendwelche geheimen Dinge verraten werden. Spionage würde in meinem Thriller bedeuten, daß es um Fotokopien von technischen Unterlagen geht, verstehen Sie? Auf Mikrofilm natürlich.“
„Das hier ist kein Kriminalroman, sonder harte Realität“, begehrte Sounders auf.
„Papperlapapp“, fauchte Lady Agatha ihn an, „das Leben schreibt immer die besten Romane, oder wollen Sie das etwa bestreiten? Seien Sie still, Sounders, unterbrechen Sie nicht meinen Gedankenfluß. Erfahren die Killer also, daß Lister tot ist, wissen sie, daß sie auf normalem Weg nicht mehr an die Mikroaufnahmen herankommen. Es bleiben dann nur zwei Möglichkeiten.“
„Da bin ich aber mächtig gespannt Mylady.“
„Entweder stehlen sie sich ins Leichenschauhaus, um Listers Kleidung zu durchsuchen, oder aber sie hoffen über Kathy zusätzliche Informationen zu bekommen.“
„Klingt nicht schlecht“, räumte Sounders widerwillig ein. Josuah Parker verhielt sich ruhig. Er sah Lady Simpson allerdings aufmerksam an.
„Kathy würde also wertvolle Zeit gewinnen“, begeisterte Lady Agatha sich weiter.