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Dr. Norden Box 10 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.

Dr. Norden Box 10 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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näherten, straffte sich seine Haltung. Er hatte Dési ein paar Verbandpäckchen in den Mund gesteckt und die Schere zur Seite gelegt. Jetzt griff er wieder danach und drückte ihr das kalte Metall an die Kehle. Mit weit aufgerissenen Augen lag die Arzttochter auf der Liege. Die Schritte waren verstummt.

      »Können Sie mich hören, Herr Hansen?«, fragte Kommissar Huber mit lauter Stimme.

      »Wer bist du und was willst du?«

      Erich dachte kurz nach.

      »Ich bin der Bankdirektor«, schwindelte er dann.

      »Und ich der Osterhase.« Urs lachte hämisch. Er drückte die Klinge noch fester an Désis Hals und sah auf die Uhr über der Tür. »Ihr habt noch genau einunddreißig Minuten.«

      Erich Huber dachte kurz nach.

      »Vielleich brauchen wir ein bisschen länger. So viel Geld haben wir nicht in der Filiale. Der Transporter ist unterwegs, steckt aber im Stau.«

      Die Worte klangen plausibel, und Urs wurde nervös.

      »Wenn die Frist vorbei ist, schneide ich ihr die Kehle durch!«

      Der Nachhall seiner Worte hing noch in der Luft, als sich Daniel Norden auf die Tür stürzen wollte. Danny, der hinter seinem Vater stand, bemerkte es und hielt ihn gerade noch rechtzeitig zurück. Er nahm ihn an den Schultern und schob ihn zur Seite. Einen Moment verharrte er vor der Tür. Dann drückte er die Klinke herunter und trat mit erhobenen Händen ein.

      »Tu ihr nichts. Ich will dir einen Vorschlag machen.«

      Urs beobachtete ihn aus schmalen Augen.

      »Ich warne dich…« Die Schere in Urs’ Hand zitterte, und Dési auf der Liege hielt die Luft an.

      Langsam ließ Danny die Arme sinken und trat ans Fußende der Liege. Um seine Schwester zu beruhigen, legte er die Hand auf ihr Schienbein.

      Ohne ihn aus den Augen zu lassen, ließ Urs ihn gewähren. Seine Neugier war geweckt.

      »Raus mit der Sprache! Was willst du mir vorschlagen?«

      Danny schluckte. Er wusste nicht, ob sein Plan aufgehen würde. Doch einen Versuch war es wert. Das war er seiner kleinen Schwester schuldig.

      »Ziemlich schwierige Lage, in die du dich da reinmanövriert hast, findest du nicht?«

      »Das ist meine Sache.«

      Keine vielversprechende Antwort, wie Danny insgeheim befand. Trotzdem fuhr er fort.

      »Wenn sie dich kriegen, bist du erledigt.«

      Urs wurde ungeduldig.

      »Komm auf den Punkt, Mann!«, knurrte er und ließ die Klinge aufblitzen. »Was willst du von mir?«

      Danny räusperte sich.

      »Wenn wir dir eine vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit attestieren, hat das alles hier keine Konsequenzen für dich«, versuchte er, Urs zur Aufgabe zu bewegen.

      In seinen Augen war das ein verlockendes Angebot. Doch sein Kontrahent wurde wütend.

      »Soll das ein Witz sein?«, fauchte Urs und drückte die Klinge so fest an Désis Hals, dass ihre Tränen wieder zu laufen begannen. »Ich geh nicht zurück in den Knast. Du hast noch fünfundzwanzig Minuten. Mach was draus. Und jetzt raus mit dir!«

      »So eine Chance bekommst du nie wieder!«

      »Raus! Hier! Sofort!«

      Der junge Arzt zögerte, musste dann aber einsehen, dass seine Idee nicht von Erfolg gekrönt sein würde. Mit hängendem Kopf trat er den Rückzug an und verließ das Zimmer.

      Daniel, der die Szene mit den anderen durch die halb geöffnete Tür verfolgt hatte, klopfte seinem Sohn auf den Rücken.

      »Einen Versuch war’s wert.«

      Er hatte noch nicht ausgesprochen, als sich Wendy an ihnen vorbei drängte und ins Zimmer trat.

      Als Urs sie sah, verdrehte er die Augen.

      »Was ist denn jetzt schon wieder?«

      Dr. Nordens Assistentin zitterte am ganzen Körper, blieb aber trotzdem tapfer stehen. Sie hatte die Hände gefaltet und rieb und knetete sie vor Aufregung.

      »Nehmen Sie mich als Geisel.« Es kostete Wendy eine schier übermenschliche Anstrengung, nicht zu weinen. Doch sie gab der Versuchung nicht nach. Um jeden Preis wollte sie das Ihre dazutun, um Dési zu beschützen. »Lassen Sie die Kleine laufen. Sie hat doch noch ihr ganzes Leben vor sich.«

      Urs’ Augen blitzten auf.

      »Das macht es doch gerade so lustig!«, lachte er. »Bei einer alten Schachtel wie dir macht es nur halb so viel Spaß!«

      Wendy sah Dési an, die weinend auf der Liege lag und nur hin und wieder leise schluchzte. Sie hatte alles versucht. Und trotzdem verloren.

      »Jetzt weiß ich auch nicht weiter«, flüsterte sie, als sie an Daniel Norden, Danny, dem Kommissar und Janine vorbei den Flur hinunter Richtung Empfang ging. Dort angekommen setzte sie sich an ihren Schreibtisch und stützte die Hände in den Kopf.

      *

      »Und jetzt?« Daniel, Danny und der Kommissar hatten sich zur Beratung in Daniels Sprechzimmer zurückgezogen.

      Der Arzt warf einen fragenden Blick in die Runde.

      »Jetzt bleibt uns nur übrig abzuwarten und darauf zu hoffen, dass er irgendwann eine Schwäche zeigt«, gestand Erich Huber.

      »Sie vergessen, dass wir noch genau eine Viertelstunde haben.« Daniel starrte auf seine Armbanduhr, einem Geschenk von Fee zum Hochzeitstag. Wann immer er sie betrachtete, zauberte sie ein Lächeln auf sein Gesicht. Doch nicht an diesem Abend. Plötzlich war sie sein Feind, zählte sie doch unerbittlich und unaufhaltsam die Zeit. Fünfzehn Minuten, die über ein ganzes Leben entschieden. »Wir dürfen es nicht so weit kommen lassen, dass er Dési was antut.« Allein der Gedanke daran raubte Dr. Norden den Atem.

      »Sobald sich die Lage zuspitzt, müssen wir das Zimmer stürmen und die Geiselnahme beenden«, erklärte der Kommissar.

      Auch er wirkte mitgenommen. Sein Gesicht war blass, und der Schatten um sein Kinn zeugte davon, dass er an diesem Tag schon einiges hinter sich hatte.

      »Eine Stürmung wird Dési nicht überleben«, sprach Danny laut das aus, was alle anderen insgeheim befürchteten.

      »Wir müssen es trotzdem versuchen. Hansen lässt uns keine Wahl.«

      Eine Weile saßen die drei Männer schweigend am Tisch und sahen der Zeit dabei zu, wie sie verrann. Plötzlich setzte sich Daniel kerzengerade auf. Er hatte die Stimme seiner Frau gehört. Leise zwar, aber unverkennbar.

      »Fee!« Für den Bruchteil einer Sekunde erhellte sich sein Gesicht.

      Er sprang vom Stuhl auf und lief aus dem Zimmer und den Flur hinab Richtung Eingang.

      »Sie können hier nicht durch!« Zwei Polizisten versperrten Felicitas Norden den Weg, als sie die Praxis betreten wollte.

      »Aber ich muss da rein!«, rief sie außer sich vor Empörung und war nahe dran, sich gewaltsam Zutritt zur Praxis zu verschaffen. Ein letzter Rest Beherrschung hielt sie davon ab. »Da drin ist der Typ, der meine Tochter als Geisel genommen hat. Ich muss mit ihm reden. Ich habe Einfluss auf ihn«, beteuerte sie.

      In diesem Moment entdeckte Fee ihren Mann, der drinnen auf sie wartete.

      »Dan!«

      Einer der Beamten sah sich nach dem Arzt um.

      »Das ist Ihr Mann?«

      »Welchen Beweis wollen Sie denn noch? Unsere Heiratsurkunde?«, fauchte Felicitas.

      Endlich trat der pflichtbewusste Mann zur Seite und ließ sie vorbei. Nur wenige Sekunden später flog sie in Daniels Arme und vergrub ihr Gesicht an seinem Hals. Die Versuchung war groß, sich einfach in dieser


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