Elfenzeit 5: Trugwandel. Uschi ZietschЧитать онлайн книгу.
ihm, sodass er noch grotesker aussah. Immerhin besagte seine Meckerei, dass er dabei war, sich zu erholen.
»Und wenn wir einfach gehen?«, fing der Kau plötzlich wieder an.
»Was meinst du damit?«
»Na ja, weil, die anderen sind auch abgehauen. Warum tun wir das nicht? Jetzt ist doch der Auftrag beendet, die Königin ist frei.«
Der Spriggans schüttelte sich, dass die Tropfen nur so davonsprühten und einen zweiten Schauer über den Kau ergossen. »Woher weißt du, dass die Königin frei ist?«
Der Kau machte einmal den Mund auf und zu. Seine langen Ohren, die neben der Kappe hervorstanden, hingen schlaff herunter. »Er hat’s doch gesagt!«, stieß er schließlich hervor.
»Auch der Getreue kann sich mal irren«, knurrte Cor.
»Aber … dann wäre doch alles umsonst! Auf keinen Fall, das kann nicht sein.« Nun schüttelte sich der Kau. »Die Königin ist frei. Und weißt du, warum? Ich bin nicht mehr an sie gebunden. Ich kann es ganz genau spüren! Ich bin nämlich auch frei!« Als begriffe er selbst jetzt erst, was er da sagte, sprang er plötzlich auf und hüpfte mit spindeldürren Beinen durch den nassen Lavasand. »Ich bin frei, hurra! Seit … seit … ach, ich kann gar nicht mehr so weit zurückdenken. Seit sie mir den Auftrag gab, das Schattenland auf sie vorzubereiten …«
»Krieg dich ein!«, keifte Cor. »Setz dich und erklär erst mal: Wieso solltest du das Schattenland auf sie vorbereiten? Das höre ich ja zum ersten Mal!«
Der Kau musste zuerst noch ein wenig herumspringen, bevor er wieder seinen Platz einnahm. Er strahlte, der Regen schien ihm nicht mehr das Geringste auszumachen. »Sie hatte damals so etwas wie eine Vision, das war noch vor dem Krieg, und schickte mich als Späher voraus. Und dann kam sie tatsächlich und baute ihre neue Residenz … den Rest kennst du von da ab selbst.«
Die Augen des Spriggans leuchteten in fahlem Gelb, als er das haarige Gesicht dem Gefährten zuwandte. »Und du meinst also, damit wäre deine Pflicht erfüllt und du kannst jetzt gehen.«
»Ja, wieso nicht?«, sagte der Kau eifrig. »Der Getreue kann mich nicht dran hindern. Und wenn er wieder aufwacht, bin ich schon weit weg, und er hat anderes zu tun als mich zu suchen. Und dich! Du bist doch überhaupt nicht gebunden, also gehst du mit!«
»Und wohin?«
»Egal! Die Menschenwelt ist groß, und wir könnten eine Menge Spaß haben! Bis die Zeit uns einholt …«
Die Stimme des Kau wurde leiser und erstarb schließlich, als er sah, dass der Spriggans nicht dazu bereit war.
»Ich gehe nirgendwohin«, erwiderte er. »Mein Platz ist bei Bandorchu.«
»Aber … aber …«, stammelte der dünne Elf verzweifelt.
»Ich war lange genug in der Verbannung!«, schrie Cor ihn mit schriller Stimme an. »Ich gehe in keine zweite! Und das wäre der Fall, wenn wir jetzt fliehen. Wir könnten nirgends mehr hin, wären selbst in der Menschenwelt ständig auf der Flucht, und die Heimat wäre uns für immer verschlossen!« Er wies um sich. »Denkst du, das hier will ich bis ans Ende meiner Tage? Oder dass ich so ende wie dieser Fiomha, in Scham und Schande, und als Mensch? Ich will endlich nach Hause!«
Die Ohren des Kau zitterten. »Aber du hasst ihn doch auch …«
»Natürlich hasse ich ihn, und ich fürchte die Königin, aber durch sie kann ich nach Hause zurück. Dann erst bin ich frei, verstehst du das nicht? Er würde es uns sowieso nie verzeihen, wenn wir verschwinden. Und eines Tages würde er uns finden, verlass dich drauf. Er vergisst niemals. Und du weißt, was mit all denen geschehen ist, die glaubten, er würde sich nicht mehr an sie erinnern.« Cor hob entschieden die Hand. »Geh, wenn du willst, ich halte dich nicht auf. Aber ich werde dich nicht schützen, wenn er nach dir fragt.«
Der Kau zog die Knie an, schlang die Arme darum, verbarg den Kopf darin und weinte bitterlich.
Cor klopfte Wasser aus seinen Ohrmuscheln. »Du bist ein hirnloser Trottel«, urteilte er abschließend. »Zuerst willst du die Kapuze lüften, dann willst du kneifen. Wie kam Bandorchu nur jemals darauf, ausgerechnet dir einen Auftrag zu geben?«
»W-w-weil …«, heulte der Kau.
»Ach, hör schon auf, ich will’s gar nicht wissen.« Cor unternahm einen ersten Versuch, sich aufzublasen, woraufhin ein weiterer Schwall Wasser aus seinen Ohren kam. Also noch ein wenig warten.
Irgendwie schleppten sie den verhüllten Hünen weiter, während ein grauer Tag anbrach. Wenigstens ließ der Regen endlich nach. Kurz vor der Baumgrenze, an einem Steilhang, fanden sie das Portal. Es war leichter zu erkennen als früher, bevor der Stab gesetzt worden war.
Der Spriggans war wieder am Ende seiner Kräfte, und sie fielen ein zweites Mal hin. Beim Getreuen veränderte sich dadurch nichts. Sein Fleisch war nicht tot, denn es fühlte sich nachgiebig und warm an. Aber sein Geist schien den Körper vollständig verlassen zu haben. Vielleicht für immer.
Ab und zu sahen die beiden Elfen sich furchtsam um, ob nicht doch die Königin von Luft und Dunkelheit erschien und sie erneut in den Bann der Gefangenschaft schickte. Sie wären jetzt völlig hilflos. Aber vielleicht hatte Morgana ebenso unter Schwäche zu leiden, schließlich hatte sie sich im Kampf gegen den Getreuen verausgabt und sich dann um den Schutz der anderen gekümmert.
Während Cor als zusammengeschrumpelter wirrer, handtellergroßer Fellball dahockte und japste, suchte der Kau einen Weg, das Portal zu öffnen – und zwar ins Schattenland. »Wenn die Königin das Tor auf ihrer Seite bereits geöffnet hat, muss es auch von dieser Seite aus funktionieren!«, fistelte er. Über den Wunsch zu fliehen hatten beide nicht mehr gesprochen. Der Kau tat so, als habe er es nie erwähnt. Er mühte sich ab, das Portal zu öffnen, aber es gelang ihm nicht. Ratlos, ruhelos wanderte er auf und ab.
Der Tag verging ohne Veränderung. Zum Glück kamen keine Menschen hier herauf. Das Wetter hatte sich beruhigt, der Berg grummelte nur noch ein bisschen.
»Ich habe Hunger«, klagte der Kau.
»Ich bin schon so schwach, dass ich nicht einmal mehr die Haare aufstellen kann«, stimmte der Spriggans zu.
Dicht aneinandergedrängt verbrachten sie eine weitere elende Nacht, und der Kau merkte, dass Cor allmählich Zweifel kamen, ob es überhaupt einen Sinn hatte, hier weiter zu warten. Vielleicht konnte er ihn doch überreden …
Der nächste Morgen brach an. Die beiden kleinen Elfen hatten unruhig gedöst, als sie unvermittelt erschrocken hochfuhren.
Übergangslos setzte Kälte ein und der Getreue sich auf. Mit fließenden Bewegungen kam er auf die Beine und klopfte sich feucht klebenden und halb angetrockneten Lavasand ab.
Seine beiden Gehilfen starrten verstört zu ihm hoch. »M-Meister …«, begann Cor schließlich, da der Kau keinen Ton herausbrachte.
»Ja?«, grollte der Verhüllte unwirsch und kurz angebunden wie stets.
»Ist … alles in Ordnung?«
»Was soll diese dumme Frage?«
Der Kau räusperte sich. »Na ja, wir waren nicht sicher, ob Ihr je wieder …«, fing er an und jaulte auf, als der Getreue ihn an den Ohren packte, mit der anderen Hand den Spriggans ergriff und beide mit sich nahm, auf das Portal zu. Unsanft setzte er die zwei kurz davor ab. »Ihr wartet hier, während ich ins Schattenland gehe und die Königin hole«, befahl er. »Ihr haltet die Stellung, egal was passiert, verstanden?«
Beide beeilten sich zu versichern, dass sie den Befehl befolgen würden, und wie dankbar sie seien, dass er wieder unter ihnen weilte.
Einen kurzen Moment verharrte der Verhüllte, und sein verborgener Blick musterte sie so eindringlich, dass die Elfen vor Kälte schlotterten. »Und verschafft euch ein anständiges Äußeres, es ist eine Schande, wie ihr ausseht!«
»S-selbstverständlich, Meister«, stammelten sie wiederum im Chor.
»Und,