Forschungskreuzer Cimarron. Hubert HaenselЧитать онлайн книгу.
»Wollen Sie, dass sich die Kugeln erneut auf uns stürzen?« Diana warf dem Cheffunker einen giftigen Blick zu. »Sie hatten schon bessere Vorschläge, Serge. Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf: Ignorieren Sie die kosmische Materie, wie dicht sie auch werden mag. Sie ist sowieso nur die geringere Bedrohung für uns.«
»Jede Diskussion darüber ist überflüssig!«, rief Duncan dazwischen. »Die schillernden Blasen nähern sich wieder an.«
»Wie nahe?« Diana fuhr herum.
»Achtzig Meter. Sie kommen langsam, aber sie kommen.«
»Sind Besonderheiten zu erkennen?«
Duncan kratzte sich am Hinterkopf. »Abgesehen von dem Eindruck, dass sie sich heckwärts bewegen – nein.«
Dianas Faust krachte auf die Kommandokonsole. »Da haben wir es! Diese Gebilde, was immer sie sein mögen, werden nicht nur vom Schutzschirm angezogen. Offensichtlich entwickeln sie Interesse für alles an Bord, was energetischer Natur ist. Ich kann mir lebhaft vorstellen, was aus unseren Triebwerken wird, sobald die Kugeln sich im Bereich der Düsen festsetzen.«
»Im ungünstigsten Fall müssen wir uns darauf einstellen, zu Fuß nach Hause zu gehen«, versuchte Lemonde zu scherzen, doch keiner reagierte darauf.
Diana wandte sich an den Waffentechniker. »José, Feuer frei für eine Breitseite. Ich bin gespannt darauf, was geschieht.«
Fünf Laserschüsse fanden ihr Ziel.
»Keine erkennbare Wirkung«, stellte Duncan fest. »Ihre Bewegung geht unverändert Richtung Hecksegment.«
Die getroffenen Kugeln schienen etwas intensiver zu leuchten als vorher. Zudem entstand der Eindruck, dass die schillernden Schlieren auf ihrer Oberfläche kräftigere Farben zeigten.
»Salventakt!«, befahl die Kommandantin.
In steter Folge feuerten die Laserprojektoren. Glühende Lichtfinger standen jeweils für Sekunden in der Schwärze des Alls. In irrlichternden Kaskaden brachen sie sich an den schillernden Kugeln, und dabei entstand der Eindruck, als würden diese alle auftreffende Energie mühelos absorbieren.
»Sie wachsen!«, erkannte Duncan Lemonde. »Wir füttern diese Biester.«
»Dann sollten wir darauf hoffen, dass es so etwas wie eine Sättigungsgrenze gibt, Duncan.«
»Du willst herausfinden, wann diese Grenze erreicht wird?«
»Richtig«, bestätigte die Kommandantin. »José, Punktfeuer. Alle Projektoren jeweils auf eine der Kugeln ausrichten! Nehmen Sie die größte als erstes Ziel!«
Von anfangs fünf bis sechs Metern Durchmesser waren einige auf das Doppelte angewachsen. Auf die geringe Distanz gaben sie ein leicht zu treffendes Ziel ab. Ramirez platzierte die Schüsse auf eine Fläche von wenigen Quadratdezimetern. Und er hielt die Schussfrequenz konstant.
Es dauerte einige Sekunden, dann glühte die getroffene Kugel auf. Sie färbte sich erst fast weiß, dann dunkel ‒ und platzte Augenblicke später in einem wahren Sprühregen aus Licht und Farben auseinander.
»Abschuss!«, triumphierte Ramirez.
In kurzen Abständen folgten drei weitere Explosionen, danach gab es kein Ziel mehr für den Waffentechniker. Die Kugeln wichen blitzschnell nach allen Richtungen zurück. Ramirez stieß eine Verwünschung aus, weil die Zielerfassung nicht schnell genug neu justierte.
»Lassen Sie es gut sein, José«, entschied die Kommandantin. »Wir sind diese Dinger vorerst los. Und wir wissen, dass wir uns erfolgreich zur Wehr setzen können.«
Sie aktivierte den Schutzschirm, der unter den aufprallenden Partikeln fahl leuchtete. Gleichzeitig verstummte das stete Knistern.
»Die Kugeln werden wiederkommen …«, behauptete Duncan Lemonde.
Diana lachte verhalten und schüttelte den Kopf. »Sie haben gelernt«, entgegnete sie und rückte die schillernden Gebilde damit zumindest in die Nähe instinktbegabter Lebewesen. »Uns bleibt jedenfalls Zeit, von hier zu verschwinden.«
Mit flammenden Triebwerksdüsen bahnte sich die CIMARRON ihren Weg durch den Strom der in Bewegung befindlichen Staubmassen.
3.
Stunden waren vergangen, die nichts Neues und Aufregendes gebracht hatten. An Bord war die routinemäßige Geschäftigkeit wieder eingezogen, die ein Raumflug über interstellare Entfernungen eben mit sich brachte.
Diana Rossfeldt hatte den Kreuzer wenige Lichtsekunden außerhalb des dahinfließenden Materiestroms gestoppt, um Gelegenheit für ausführliche Beobachtungen und Messungen zu bekommen. Duncan Lemonde hatte sich während dieser Zeit nicht ein einziges Mal von seinen vielfältigen Instrumenten getrennt und auf Fragen meist ausweichend reagiert. Halb verärgert, halb abwartend ließ die Kommandantin ihm die Ruhe, die er sich offensichtlich wünschte.
Für Diana stand schon weitgehend fest, was der XB-18 zugestoßen sein musste. Mit einem einzigen Lasergeschütz an Bord hatte der Frachter sich gegen die schillernden Kugeln nicht erfolgreich zur Wehr setzen können. Vermutlich war es allen verschollenen Schiffen ähnlich ergangen. Waren sie entführt worden?
An diesem Punkt angelangt, drehten sich Dianas Überlegungen im Kreis. Sie fragte sich, wer ein Interesse daran haben konnte, alte Frachtraumschiffe aufzubringen, deren Ladungen womöglich nicht einmal sonderlich wertvoll waren. Gut, sie wusste nichts über die jeweilige Fracht. Aber hinter einem solchen Anschlag konnte ohnehin nur eine Zivilisation stecken, die der Menschheit zumindest auf technischem Gebiet überlegen war.
Innerlich aufgewühlt, trommelte Diana mit den Fingern auf die Armlehnen ihres Sessels. Ihr Blick taxierte einen der vielen Monitore. Die düstere Umgebung der CIMARRON stimmte schwermütig. Zum ersten Mal war die Kommandantin versucht, Ruttloffs Abneigung gegen Dunkelwolken zu teilen. Irgendwo in der Nähe lauerte eine Gefahr, die sie weder erkennen, geschweige denn einschätzen konnte.
»Es hilft nichts«, murmelte Diana mehr im Selbstgespräch als für die Zentralecrew bestimmt. Sie erhob sich und ging zu einem Wandschrank, in dem nicht nur Datenträger mit Speicherkopien lagerten.
Sie öffnete ein unscheinbares Fach, indem sie kurz gegen die Seitenwand drückte, und entnahm ihm eine dickbauchige Flasche, dazu einen von mehreren Kognakschwenkern. Genießerisch schenkte sie sich ein und nippte daran.
»Will einer von euch ebenfalls den schalen Geschmack der Hilflosigkeit loswerden?«, fragte sie. »Ausnahmsweise gestatte ich ein Minimum an Alkohol, bevor wir unseren Auftrag erledigt haben. Wer weiß …« Sie ließ offen, was sie noch hatte sagen wollen, trank einen Schluck und stellte Glas und Flasche zurück.
Lemonde winkte ab, ohne sich umzudrehen. Ruttloff hatte die Aufforderung ohnehin nicht hören können, weil er die Kopfhörer trug und alle Frequenzen nach Funksignalen absuchte. Lediglich Ramirez war nicht der Mann, der sich einen guten Tropfen entgehen ließ.
»Wer weiß«, der Waffentechniker leckte sich über die Lippen, »vielleicht hatten die Kugeln es auf unseren Brandy abgesehen.«
Diana musterte den Spanier erstaunt und nachdenklich zugleich. Ihr Lachen klang gezwungen.
José Ramirez grinste zurück. »Eines Tages wird ein Kontrolleur unser kleines Versteck aufspüren«, meinte er. »Das dann fällige Donnerwetter möchte ich lieber nicht miterleben. Die Admiralität wird uns einen groben Verstoß gegen die Dienstvorschriften anhängen.«
Diana winkte ab. »Hebung der Dienstmoral«, erklärte sie. »Außerdem sind wir keine Säufer. Ein Schluck Medizin beruhigt die Nerven. Vor allem, weil uns der Schreck vorhin enorm auf den Magen geschlagen ist.«
Mit einem nicht zu überhörenden Aufatmen verließ Duncan seinen Platz. »Fertig«, sagte er. »Du kannst deine Fragen stellen, Diana.«
Die Kommandantin verschränkte die Arme vor dem Oberkörper und fixierte ihren Ersten Offizier.
»Was