Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
krank ist?«
Svenja zuckte mit den Schultern.
»Zumindest stimmt etwas nicht mit ihr. Und ich wüsste wirklich gern, was das ist. Immerhin ist Mama der einzige Mensch, den ich habe.«
Eine Weile sagte keiner ein Wort. Das Geschirrgeklapper von nebenan zeugte davon, dass Lenni noch voll in Aktion war.
»Ich könnte versuchen, deine Mutter zu einer Untersuchung zu überreden«, sagte Daniel nach einer gefühlten Ewigkeit.
Svenjas Miene erhellte sich. Damit sprach er genau das aus, worüber sie die ganze Zeit schon nachdachte.
»Das wäre wirklich toll.« Sie legte das Geschirrtuch auf den Tisch und stand auf. »Ich gehe dann auch mal ins Bett.« Sie zögerte, eine Hand auf der Lehne des Stuhls. »Wissen Sie etwas über meinen Vater? Oder warum die beiden sich getrennt haben?«
»Leider nein.« Daniel schüttelte den Kopf. »Daraus hat Viola schon immer ein großes Geheimnis gemacht«, musste er zu seinem Bedauern gestehen. »Ich weiß nur, dass sie überglücklich über dich war. Und offenbar immer noch ist.« Ein warmes Lächeln begleitete seine Worte.
Svenja schnitt eine Grimasse.
»Das ist ja immerhin schon etwas«, erwiderte sie, ehe sie sich für diesen Abend endgültig verabschiedete. Ratlos und sichtlich gerührt blieb das Ehepaar Norden zurück.
*
Die kleine Bar, die der Stadtrat Karl Schmiedle als Treffpunkt vorgeschlagen hatte, lag in einer ruhigen Ecke der Stadt. Um ein Haar hätte Dieter Fuchs den Eingang gar nicht gefunden. Er drückte die Tür auf und trat ein. Es dauerte ein paar Minuten, bis sich seine Augen an das schummrige Halbdunkel gewöhnt hatten.
»Na, endlich!«
Fuchs zuckte zusammen und wirbelte herum.
»Müssen Sie mich so erschrecken!«, fuhr er den Stadtrat an, der hinter ihm stand.
»Müssen Sie mich so lange warten lassen?«, folgte die Gegenfrage auf dem Fuß. »Im Gegensatz zu Ihnen habe ich noch andere Verpflichtungen.«
»Was wissen Sie schon von meiner Arbeit!«, erwiderte Dieter Fuchs beleidigt und schob sich auf einen der Barhocker, die am Tresen standen.
Spielautomaten in einer Ecke dudelten die immer gleiche Melodie. Aus den Lautsprechern tönten blechern Schlagermelodien.
»Nicht viel. Außer, dass Sie diesem Despoten Norden offenbar hilflos ausgeliefert sind.«
»Aber … aber …« Händeringend suchte Fuchs nach einer Ausrede.
Milde lächelnd unterbrach Karl Schmiedle ihn.
»Geben Sie sich keine Mühe. Sie haben Ihre Chance vertan. Das Spiel ist aus.« Das Lächeln auf seinen Lippen erstarb. Er griff nach dem einsamen Pilsglas auf dem Tresen und genehmigte sich einen tiefen Zug.
Dieter Fuchs rang um seine Fassung.
»Wie meinen Sie das? Neulich sprachen Sie noch von vierzehn Tagen. Das bekommen wir hin. Sie dürfen den kleinen Rückschlag nicht überbewerten«, verlangte er hastig.
Schmiedle schüttelte den Kopf.
»Leider haben mir die Stadträte einen Strich durch die Rechnung gemacht. Sie haben Wind bekommen von meiner Beteiligung an der Investorengemeinschaft. Ein Untersuchungsausschuss wird sich der Sache annehmen.« Mit dem Glas in der Hand stand er da und dachte über seine unsichere Zukunft nach. »Ich sehe stürmischen Zeiten entgegen.« Wieder trank er einen Schluck Pils. »Wenn die Sache mit dem Zusammenschluss schon über die Bühne wäre, könnte niemand mehr daran rütteln. Aber so.« Er maß Dieter Fuchs mit nachdenklichem Blick. »Es ist vorbei.«
Damit hatte Dieter Fuchs schon die ganze Zeit halbwegs gerechnet. Aber nicht so schnell. Noch hatte er die Hoffnung gehabt, den einen oder anderen Vorteil aus der Angelegenheit zu ziehen. Diese Hoffnung zerplatzte wie eine Seifenblase.
»Das ist wirklich sehr schade.« Er sah auf die Uhr und rutschte vom Barhocker. Zeit war Geld. Und hier gab es nichts mehr zu holen. Egal, wie lange er noch in dieser Spelunke sitzen würde. »Aber offenbar nicht zu ändern. Ich wünsche Ihnen viel Glück.« Er wandte sich zum Gehen.
»Ihnen auch. Sie können es brauchen«, rief Karl Schmiedle ihm nach.
Fuchs erschrak.
»Wie meinen Sie das?«
Ein süffisantes Lächeln spielte um die Lippen des Stadtrats.
»Nun ja, immerhin taucht Ihr Name als möglicher Verwaltungsdirektor in den Protokollen der Investoren-Gruppe auf. Der Untersuchungsausschuss wird ein paar Fragen an Sie haben.«
Dieter Fuchs wurde es heiß und kalt.
»Wer ist dafür verantwortlich?«, fragte er scharf.
»Sie selbst. Oder wollen Sie leugnen, dass Sie auf diesen Posten spekuliert hatten, als Sie mir versprachen, Norden von seinem Thron zu stoßen.« Diesmal war es Karl Schmiedle, der auf die Uhr sah. »Leider muss ich mich jetzt verabschieden. Noch einmal: Alles Gute!« Er nickte Dieter zu, ehe er das leere Glas auf den Tresen stellte und das Etablissement verließ.
Der Verwaltungschef der Behnisch-Klinik stand da und sah ihm nach. War das die Rache dafür, dass es ihm nicht gelungen war, den Plan in die Tat umzusetzen? Ein Bluff? Oder schwebte er wirklich in Gefahr? Dieter Fuchs wusste es nicht. Und es blieb ihm nichts anderes übrig als abzuwarten.
*
Matthias lag in den Kissen und ließ den Zeigefinger versonnen über Sandras perfekte Schulterlinie gleiten. Schon lange hatte er nicht mehr so einen Frieden, eine Seligkeit und Glück gespürt wie mit dieser Frau. Er segelte immer noch auf einer flaumigen Wattewolke, als plötzlich Bewegung in Sandra kam. Sie wickelte die Bettdecke um sich und setzte sich auf. Ehe Matthias begriff, was los war, suchte sie im Schein des Kerzenlichts ihre Siebensachen zusammen.
»Was tust du da?«, fragte er matt und sah ihr nach, wie sie in Richtung Bad verschwand.
»Wonach sieht es denn aus?«, fragte sie ungeniert zurück.
Eine kalte Dusche hätte nicht effektiver sein können. Die Wattewolke löste sich auf, und unsanft landete Matthias auf dem harten Boden der Realität.
»Stimmt was nicht? Habe ich etwas falsch gemacht?«, fragte er zutiefst verunsichert.
»Wenn du jetzt von mir hören willst, wie toll du warst, muss ich dich leider enttäuschen.« Ihre Stimme hallte von den Fliesen wider. »Diese Sorte Komplimente habe ich nicht im Angebot.«
Inzwischen war Matthias in Boxershorts und T-Shirt geschlüpft und saß auf der Bettkante. Er verstand die Welt nicht mehr.
Fix und fertig angezogen, kam Sandra ein paar Minuten später aus dem Bad. Als sie ihn dort sitzen sah, lachte sie.
»Jetzt schau mich doch nicht mit diesem Hundeblick an!«, verlangte sie. Als sie an ihm vorbei ging, um ihr Armkettchen zu holen, wuschelte sie ihm durch das Haar. »Es war sehr schön mit dir. Nachdem wir aber noch nicht verheiratet sind, nehme ich mir die Freiheit, jetzt zu gehen. Ich muss dringend noch etwas erledigen.«
»Um diese Uhrzeit?«
»Für einen Arzt sind solche Zeiten völlig normal. Das solltest du doch am besten wissen.« Sie beugte sich über ihn und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. »Wir sehen uns morgen in der Klinik. Ich habe Spätdienst.«
Im nächsten Moment war sie verschwunden.
Matthias hörte das eilige Tappen ihrer Schritte im Flur, die Wohnungstür fiel ins Schloss. Rumpelnd setzte sich der Aufzug in Bewegung, kurz darauf fiel unten die Haustür ins Schloss. Dann war alles still. Wie betäubt saß Matthias auf dem Bett und starrte Löcher in den Boden. Hin und wieder zerriss ein vorbeifahrendes Auto die Stille. Irgendwann sah er auf den Wecker. Es war nach elf Uhr.
»Was zum Kuckuck muss sie um diese Uhrzeit erledigen?«, murmelte er mit einem Anflug von Ärger.
Ermattet