Potsdam MM-City Reiseführer Michael Müller Verlag. Michael BussmannЧитать онлайн книгу.
die Initialen Friedrich Wilhelms I. Das → Rechenzentrum aus DDR-Zeiten, heute ein Kunst- und Kreativhaus, erstreckt sich in Teilen auf dem Areal der früheren Garnisonkirche und wird im Falle eines kompletten Wiederaufbaus der Kirche abgerissen.
Weiter geht es auf der Breiten Straße, die ihrem Namen alle Ehre macht und leider nicht zu den schönsten Straßen unter der Potsdamer Sonne gehört. Barock trifft Platte trifft Zweckbauten der Nachwendezeit. Wir überqueren die Dortustraße. Benannt wurde sie nach dem Potsdamer Revoluzzer Max Dortu, einem der führenden Aktivisten der 1848er-Revolution, die bürgerliche Rechte einforderte. Am 31. Juli 1849 wurde er im Alter von 22 Jahren wegen Hochverrats hingerichtet, Friedrich Wilhelm IV., der die Meinung vertrat: „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“, hatte ein Gnadengesuch abgelehnt.
100 m weiter folgt rechter Hand das → Naturkundemuseum im ehemaligen „Haus der Landstände der Havelländischen und Zauchischen Kreise“ aus dem 18. Jh.
Das passt ja: Zuckertortenhäuser in der Bäckerstraße
Straßen in Pastell
Direkt hinter dem Naturkundemuseum biegen wir in die Lindenstraße ab, eine Straße wie aus dem Bilderbuch - hier könnte man Historienfilme drehen. Gleich rechter Hand befindet sich der Eingang zum → ehemaligen Militärwaisenhaus, einem mächtigen Karree mit großem Innenhof. Kopf in den Nacken: Vom Monopteros des Barocktempels grüßt eine golden glänzende Caritas - ein Wahrzeichen Potsdams.
In der Lindenstraße verdienen zwei weitere Gebäude unsere Beachtung: zum einen das frühere Lazarett der Leibgarde aus dem Jahr 1772, das sich einst in dem stattlichen rosafarbenen Gebäude mit der heutigen Hausnr. 25 befand, zum anderen schräg gegenüber die Alte Wache (1797 erbaut). In dem klassizistischen Arkadengebäude, das fast wie ein Fremdkörper in der barocken Lindenstraße wirkt, hat es sich heute die Commerzbank gemütlich gemacht.
Vor der Wache geht es rechts in die pastellfarbene Bäckerstraße. An deren Ende halten wir uns rechts, dann links - und schon steht man in der Yorckstraße vor dem meist trockenen Stadtkanal. Ja, der Kanal ... Wieder so eine Potsdamer Sache, die irgendwann verschwand und wieder „auferstehen“ soll (→ Kasten).
Von der Yorckstraße sollte man unbedingt einmal in die Wilhelm-Staab-Straße spitzen. Diese bildhübsche Kopfsteinpflasterstraße wurde nach dem Krieg als „Barockstraße der DDR“ fast komplett wieder aufgebaut. Hinter den historischen Fassaden verbirgt sich der Zeitgeist der 1950er-Jahre. In der Straße befindet sich mit dem Nikolaisaal auch eine architektonisch spannende Konzert- und Veranstaltungsstätte (→ Kultur).
Am Ende der Yorckstraße queren wir die Friedrich-Ebert-Straße. Das grüne Rechteck links voraus ist der Platz der Einheit, Endpunkt dieses Spaziergangs und Ausgangspunkt des nächsten (→ Tour 2). Falls Sie zurück zum Alten Markt wollen, können Sie die Friedrich-Ebert-Straße Richtung Stadtschloss hinabgehen. In diesem Fall passieren Sie einen zartgelben Stuckaltbau auf der rechten Seite (Hausnr. 121). Hier lebte Heinrich Heine im Jahr 1829 für wenige Monate zur Untermiete und arbeitete am dritten Teil seiner Reisebilder. „Hätt’ er gelernt was Rechtes, müsst er nicht schreiben Bücher“, soll sein Onkel Salomon einst über ihn gesagt haben. Klingt uns vertraut.
Projekt Stadtkanal: Klein-Amsterdam an der Havel
Alles in Reih und Glied: am historischen Stadtkanal
Es war einmal ein Potsdam, das hatte eine Gracht. Der ca. 2 km lange Kanal verlief vom damaligen Alten Wassertor gegenüber den Planitzinseln bis zum Kellertor. Heute zeichnen die Dortustraße, die Yorckstraße und die Straße Am Kanal den Verlauf nach. Der Kanal war aus einem Entwässerungsgraben hervorgegangen, den der hollandverliebte Soldatenkönig ab 1722 grachtartig anlegen ließ und schiffbar machte. Er ließ ihn mit Brücken überwölben und mit Bäumen an seinen Ufern verschönern. Das große Problem jedoch: Aufgrund mangelnden Wasseraustauschs stank es abschnittsweise fürchterlich kloakig, weswegen Teile des Kanals bereits 1889 wieder zugeschüttet wurden. Vom Kellertor aber konnten die Fischer noch bis ins 20. Jh. zum Wilhelmplatz (heute Platz der Einheit) rudern, um dort ihren Fang zu verkaufen.
Der Aufbau eines sozialistischen Zentrums in den 1960er-Jahren machte dem Kanal schließlich den Garaus. Nach der Wende hörte man die ersten Rufe nach einer Rekonstruktion. Sie führten zur Bildung eines Fördervereins - alles andere würde wundern in der Stadt der Bürgervereine. 2001 konnte ein erstes 130 m langes Teilstück des Kanals an der Yorckstraße wiederhergestellt werden, das allerdings bis heute nur zu besonderen Veranstaltungen geflutet wird. Bis zur Fertigstellung des gesamten Kanals wird mindestens noch ein Vierteljahrhundert ins Land ziehen.
Tipp: An der ebenfalls rekonstruierten Kellertorwache am Havelzulauf stehen Infotafeln mit historischen Fotografien, die einen heute-damals-Vergleich ermöglichen.
Sehenswertes
Ein Tempel Gottes
Nikolaikirche
Niedergang und Wiederaufbau ist die ewige Konstante Potsdams, so auch im Hinblick auf die Nikolaikirche. Nachdem der barocke Vorgänger 1795 abgebrannt war, wurde das Gotteshaus zwischen 1830 und 1850 in zwei Phasen wieder aufgebaut. Beteiligt waren die größten Baumeister ihrer Zeit: Die Entwürfe kamen von Schinkel, die Ausführung übernahm dessen Schüler Persius, und die Fertigstellung erfolgte, nachdem Persius an Typhus verstorben war, durch Stüler. Das Ergebnis: ein neoklassizistischer Portikus mit Giebeldreieck, der einem antiken Tempel gleicht. Der Kirchenbau selbst besteht aus einem kubischen Unterbau mit vier von Engeln bewachten Ecktürmchen. Darauf sitzt eine mächtige Kuppel wie die der St. Paul’s Cathedral in London.
Den Krieg überstand das Gebäude schwer beschädigt. Die Wiederherstellung dauerte Jahrzehnte - erst 1981 wurde die Kirche wieder geweiht. Das Innere kommt heute recht nüchtern daher, u. a. wurde beispielsweise auf eine erneute Ausmalung der Kuppel verzichtet. Das soll aber niemanden von einem Besuch abhalten - gerade diese Andersartigkeit macht die Kirche auch sehr spannend.
Zu Füßen der Kuppel, auf dem Säulenrund des Tambours, gibt es eine Aussichtsplattform auf 42 m Höhe. Über einen Lift und enge Wendeltreppen mit Ampelschaltung gelangt man hinauf. Wir haben 216 Stufen gezählt - überprüfen Sie es!
Di-Sa 11-19 Uhr, So ab 11.30 Uhr, Mo geschl. Turmbesteigung 5 € (Tickets am Automaten auf der Seitenempore). Am Alten Markt, www.nikolai-potsdam.de. Tram 91, 92, 93, 96, 98 bis Alter Markt/Landtag.
Alter Markt: Die Grandezza ist zurück
Geschichte einer Stadt
Potsdam Museum
Das Museumsgebäude besteht aus drei Teilen: dem Alten Rathaus, das zwischen 1753 und 1755 in Anlehnung an italienische Palazzi samt Säulen und Kuppel entstand (Architekten: Jan Bouman und Christian Ludwig Hildebrandt), dem kieselgrauen sog. Knobelsdorff-Haus, das in den 1960er-Jahren originalgetreu wieder aufgebaut wurde, und einem Glasdurchgang, der an der Stelle eines völlig zerstörten Hauses errichtet wurde und beide Gebäude verbindet. Als Kulturhaus Hans Marchwitza war der Gebäudekomplex zu DDR-Zeiten einer der Dreh-