Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2). Perry RhodanЧитать онлайн книгу.
aber natürlich hatte man die junge Wissenschaftlerin nicht einfach ihrem Schicksal überlassen wollen. Deshalb trugen sie nun alle eines dieser Teufelsdinger, von denen niemand wusste, wie lange sie noch funktionieren würden – nicht mal die Experten am Lakeside Institute, das Marshall immerhin leitete.
»Nun erzähl schon!«, drängte sie ihn. »Weshalb wolltest du uns unbedingt sehen?«
»Das werdet ihr noch früh genug merken«, gab er zurück, dann hob er warnend einen Zeigefinger vor Marshalls Gesicht. »Wage es nicht! Es soll eine Überraschung sein.«
»Natürlich«, beteuerte der Telepath höflich.
Bull führte sie durch eine Reihe von Korridoren, die wie alle Flure in der Lunar Research Area aussahen: eine unangenehme Mischung aus Verwaltungs- und Krankenhausflair.
»Wie geht es Noah?«, erkundigte er sich, um nicht über die Überraschung – die Überraschung, die Überraschung! – nachzudenken, denn er traute Marshall in dieser Hinsicht fast genauso wenig wie Gucky.
»Gut«, sagte McGraw. »Er geht völlig in seinem Studium auf.« Bull erinnerte sich: Der Sohn von John Marshall und Belle McGraw studierte mittlerweile Musik an der Akademia Terrania. Bull konnte sich bloß nie merken, welches Instrument Noah spielte. »Aber irgendwie sehen wir uns kaum noch. Ist das nicht traurig? Wir leben und arbeiten in der gleichen Stadt und haben trotzdem keine Zeit für die Familie.«
»Kenn ich«, brummte Bull.
Sie gelangten zu den Fahrstühlen und traten in eine Kabine.
»Und wie geht es Perry?«, fragte Marshall, während sie nach unten fuhren.
Sie fragen nicht nach meinen Töchtern, registrierte Bull. Sondern nach Perry. Ein schöner Vater bin ich.
»Er steht unter Arrest. Ich bin mir noch nicht sicher, wie ernst sie es damit meinen. Wir hatten bislang kaum Gelegenheit zu reden.«
Marshall machte ein besorgtes Gesicht. Bull musste kein Gedankenleser sein, um zu wissen, was dem Mutanten durch den Kopf ging; Marshall war ebenso in den Diebstahl der FANTASY verstrickt gewesen wie Bull selbst. Perry Rhodan hatte den Kopf für sie hingehalten. Ohne ihn stünden sie wohl längst alle unter Arrest und hätten ihre Jobs verloren. Stattdessen saß die Besatzung der FANTASY zur Stunde noch in Sicherheitsverwahrung und musste endlose Fragen über sich ergehen lassen.
»Ich bin noch etwas geblieben, um hier aufzuräumen«, fügte Bull hinzu. »Perry hat mich darum gebeten.«
Sie erreichten die Etage, wo die wracke FANTASY in ihrem Hangar ruhte, verließen den Lift und passierten einige Wissenschaftler und Techniker, die mit trübsinnigen Gesichtern ihre Gerätschaften umhertrugen. Es war deprimierend. Das einst so stolze Raumschiff war nur noch ein Schrotthaufen, eine Fallstudie, eine Sackgasse der Antriebstechnik.
»Wir sind da.« Bull blieb vor einer geschlossenen Sicherheitstür stehen. »Seid ihr so weit?« Er gab seinen Sicherheitscode ein, dann warf er einen prüfenden Blick in die Gesichter seiner Begleiter.
»Nun mach's nicht so spannend!«, protestierte McGraw. »Diese Geheimniskrämerei ist ja kaum ...«
Bull hieb auf den Öffner. Das Schott glitt zur Seite, das Licht ging an.
»... auszuhalten«, hauchte McGraw.
Im Innern des gesicherten Raums, von zahlreichen Sensoren und Instrumenten bewacht, ruhte der Kreellblock, den die FANTASY von ihrem Flug mitgebracht hatte.
Und eingeschlossen in dem bläulich-transparenten Material wie im Tableau eines verrückten Bildhauers, angestrahlt von gleißend weißen Scheinwerfern unter- wie oberhalb des Blocks, standen Belle McGraws alte Freunde: Eric Leyden, Luan Perparim und Abha Prajapati.
»Ich habe es erst selbst kaum glauben wollen«, gestand Bull, während Marshall und McGraw mit offenen Mündern um den Block wanderten. »Das hat Gucky schon probiert«, schickte er nach, als Marshall vorsichtig die Hand auf das Kreell legte. Wahrscheinlich versuchte er, telepathisch zu den Eingeschlossenen vorzudringen.
»Sie sind älter geworden«, sagte McGraw mit tonloser Stimme und studierte die nur verschwommen erkennbaren Gesichter. »Wie ist das möglich?«
»Wir wissen es nicht«, antwortete Bull. »Aber du denkst vielleicht an das Gleiche wie ich?«
»Tuire Sitareh«, bejahte McGraw. Auch der Aulore war in einem Kreellblock eingeschlossen gewesen und in diesem Zustand um etwa dreißig Jahre gealtert – trotz seines Zellaktivators. Sie sah Marshall an. »Wieso sind immer alle Menschen, die mir lieb und teuer sind, in irgendwas eingeschlossen?«
»In meinem Fall war es kein Kreell«, verteidigte sich Marshall.
»Aber Fremdmaterie!«
Er gab ihr einen Kuss. »Ich verspreche dir, es nie wieder zu tun.«
Sie studierte weiter den Block. »Mit diesem Kreell stimmt etwas nicht. Diese dunklen Stellen da ...«
»Dunkelleben«, erläuterte Bull. »Der Block ist damit infiziert.«
»Wir müssen sie rausholen!«, rief McGraw. »Haben wir nicht irgendwo noch etwas Katlyk übrig?«
Bull schüttelte bedauernd den Kopf. Das seltene Enzym, mit dem sich Kreell zersetzen ließ, konnte nur von den Blues zur Verfügung gestellt werden. Und seit diese von ihrer tödlichen Seuche geheilt worden waren, hatte eine Bevölkerungsexplosion zu neuen Feindseligkeiten zwischen den verschiedenen Gelegen geführt. »Nachrichten aus der Eastside sind derzeit noch spärlicher als aus dem Großen Imperium. Es kann eine Weile dauern, bis wir jemanden finden, der uns noch Katlyk verkauft – falls überhaupt.« Zumal die Entfernungen dorthin gewaltig waren.
»Es stellt sich auch die Frage, ob sie es überleben würden, wenn wir sie befreien«, gab Marshall zu bedenken. »Eure Zelldusche liegt länger als dreiunddreißig Jahre zurück ...«
»Und jetzt sind sie älter als ich«, begriff McGraw. »Sie sollten entweder überhaupt nicht gealtert oder gestorben sein! Nicht ... so. Außerdem hat Tuire es auch überlebt ...« Dann machte sie große Augen und ging in die Hocke. »Da unten ist ja sogar Hermes!«
Reginald Bull lächelte schwach. Es war grotesk, es war grandios, es war zum Heulen. Er hatte ja lange seine Differenzen mit Eric Leyden gehabt, aber er hatte nie die Genialität des Wissenschaftlers und seines Teams angezweifelt. Nachdem sie vor über dreißig Jahren spurlos verschwunden waren, hatte er irgendwann seinen Frieden damit gemacht, sie wohl nie wiederzusehen. Dass sie nun alle doch noch einmal zueinanderfanden, und unter diesen Bedingungen ... Es war wie ein Gruß aus der Vergangenheit.
»Habe ich zu viel versprochen?«, fragte er.
»Nein«, sagte Belle McGraw. »Ich danke dir.« Sie tauschte Blicke mit John Marshall. »Ich würde sagen, es gibt die nächsten Wochen eine Menge zu tun, oder?«
3.
Kondolenzbesuch
Perry Rhodan saß in seinem Büro im fünfzigsten Stock des Stardust Towers und blickte durch die bodentiefen Panoramafenster auf die Stadt an den Ufern des glitzernden Salzsees hinab. Es waren dieselben Räumlichkeiten, die vor sehr langer Zeit Homer G. Adams und danach Maui John Ngata gedient hatten. Einst war von diesem Ort aus das Schicksal Terranias und der ganzen Erde gelenkt worden, ehe die Regierungsbehörden Gebäude im neu errichteten Stadtviertel Government Garden bezogen hatten. Es war ein Raum, der Geschichte geatmet hatte. Mittlerweile war er fast ohne Bedeutung.
Rhodan wusste nicht, weshalb man ihm ausgerechnet dieses Büro zugewiesen hatte, aber es ließ sich nicht ausschließen, dass es mit Absicht geschehen war. Er stand auf dem Abstellgleis, sagte ihm dieser Raum. Er besaß keine Befehlsgewalt mehr, und wenn es schlecht für ihn lief, würde er noch viel mehr verlieren.
Doch Perry Rhodan gab nicht auf. Wenn schon nicht um seinetwillen, dann seiner Familie wegen. Deshalb verbrachte er seine Zeit, statt nach Hause zu gehen und in seinem leeren Haus auf die Vorladung durch den Rat der Terranischen Union zu warten, mit dem Studium der Berichte, die ihm sein Mitarbeiterstab und Reginald Bull