Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de MaupassantЧитать онлайн книгу.
nichts. Ich sage Ihnen nur, daß ich Sie liebe.
Sie stammelte:
– Aber, das ist schlecht, nach allem, was Sie mir versprochen haben.
Er that, als nähme er sich auf das Äußerste zusammen, dann begann er mit verhaltener Stimme:
– Sehen Sie, wie ich mich beherrsche und dennoch …. ich möchte Ihnen bloß eins sagen ….. ich liebe Sie, und das möchte ich Ihnen jeden Tag wiederholen …… lassen Sie mich bei Ihnen nur fünf Minuten Ihnen zu Füßen liegen und in Ihr geliebtes Antlitz blicken und immer nur die drei Worte wiederholen …..
Sie hatte ihm ihre Hand überlassen und antwortete stammelnd:
– Nein, ich kann nicht, ich will nicht. Denken Sie doch, was man reden würde. Denken Sie, meine Leute, meine Töchter, nein, das ist ganz unmöglich.
Er begann von neuem:
– Ich kann ohne Sie nicht mehr leben. Ob ich Sie in Ihrem Hause sehe oder wo anders ist mir gleich, ich muß Sie nur sehen und wär’s täglich bloß eine Minute. Ich muß Ihre Hand fühlen, ich muß sehen wie Sie atmen, die Linien Ihres Körpers betrachten und Ihre großen schönen Augen, die mich wahnsinnig machen.
Sie hörte zitternd diese banalen Liebesredensarten an und stammelte:
– Nein, nein, das ist unmöglich, schweigen Sie.
Ganz leise flüsterte er ihr ins Ohr. Er begriff, daß er diese Frau ganz allmählich einfangen mußte. Diese einfache Frau mußte er dahin bringen, ihm ein Stelldichein zu geben. Zuerst wo sie wollte, dann wo es ihm paßte:
– Hören Sie, es muß sein .. ich werde Sie sehen .. ich werde an Ihrer Thür auf Sie warten .. wie ein Bettler, und wenn Sie nicht zu mir herab kommen, komme ich zu Ihnen hinauf. Aber ich werde Sie sehen .. ich werde Sie sehen .. morgen.
Sie wiederholte:
– Nein, nein, kommen Sie nicht. Ich nehme Sie nicht an. Denken Sie an meine Töchter!
– Dann sagen Sie mir, wo ich Sie treffen kann, auf der Straße oder irgendwo, ganz gleich wo. Zu jeder Stunde, wenn Sie wollen. Ich muß Sie nur sehen, Sie grüßen, Ihnen sagen »ich liebe Sie« und dann gehe ich davon.
Sie zögerte, ganz hingerissen; und als der Wagen bei ihr vorfuhr, flüsterte sie schnell:
– Gut, morgen um halb vier gehe ich in die Dreifaltigkeitskirche.
Als sie dann ausgestiegen war, rief sie ihrem Kutscher zu:
– Fahren Sie Herrn Duroy zu seiner Wohnung. Als er zurückkam fragte ihn seine Frau:
– Wo bist Du denn gewesen?
Er antwortete mit gedämpfter Stimme:
– Ich bin auf dem Telegraphenamt gewesen wegen einer dringenden Depesche.
Frau von Marelle näherte sich ihm:
– Nicht wahr, Liebling Sie bringen mich nach Haus? Sie wissen, daß ich nur unter der Bedingung soweit hergekommen bin.
Dann wandte sie sich zu Magdalene:
– Du bist doch nicht eifersüchtig?
Frau Du Roy antwortete langsam:
– Nein, nicht allzusehr!
Die Gäste gingen. Frau Laroche-Mathieu sah aus wie ein kleines Dienstmädchen aus der Provinz. Sie war die Tochter eines Notars, und Laroche hatte sie geheiratet, als er selbst noch ein armer Advokat gewesen.
Frau Rissolin war eine alte Dame und trat mit einer gewissen Prätention auf, sie machte den Eindruck einer ehemaligen Hebamme, die ihre Bildung aus der Leihbibliothek hat.
Die Vicomtesse blickte auf sie herab, ihr »Sammetpfötchen« berührte nur unwillig diese gemeine Hand.
Als Clotilde in Spitzen gehüllt an der Flurthür stand, sagte sie zu Magdalene:
– Dein Diner war reizend. Du wirst bald den ersten Politischen Salon in Paris haben.
Sobald sie mit Georg allein war, umarmte sie ihn:
– Ach mein süßer Liebling, ich liebe Dich täglich mehr.
Die Droschke schwankte wie ein Schiff:
– Ach so wie unser Zimmer ist das nicht.
Er antwortete:
– O nein. – Aber er dachte an Frau Walter.
IV
Der Dreifaltigkeitsplatz lag beinahe menschenleer in der brennenden Julisonne da. Eine drückende Hitze lastete auf Paris, als ob die Luft von dort oben schwer, brennend auf die Stadt herab gefallen wäre, eine dicke kochende Luft, die weh that einzuatmen.
Die Kaskaden vor der Kirche plätscherten nur leise, als wären sie müde zu laufen, auch schlaff und weich und die Flut in dem Bassin, in dem Blätter und Papierfetzen herumschwammen, sah grünlich, dick und schlammig aus.
Ein Hund war über den steinernen Rand gesprungen und badete sich in dem zweifelhaft reinlichen Wasser. Ein paar Leute die auf den Bänken des runden kleinen Gartens saßen, der an dem Portal liegt, sahen dem Tier fast neidisch zu.
Du Roy zog die Uhr. Es war erst drei. Er kam eme halbe Stunde zu früh.
Er lachte als er an das Stelldichein dachte. »Die Kirchen sind bei ihr zu allem gut,« sagte er sich. »Sie trösten sie, daß sie einen Juden geheiratet hat, geben ihr in der politischen Welt das Ansehen, als wehrte sie sich dagegen, heben sie in den Augen der guten Gesellschaft und dienen ihr bei galanten Abenteuern. Sie benutzt die Religion wie einen Entoutcas, bei schönem Wetter dient er als Stock, bei Sonnenschein als Sonnenschirm, wenn es regnet als Regenschirm, und wenn man nicht ausgeht, läßt man ihn im Corridor. Und so giebt es Hunderte die den lieben Gott einen guten Mann sein lassen, aber nicht wollen, daß man ihn lästert, und die ihn bei passender Gelegenheit als Vermittler benutzen. Wenn man sie in eine Chambre-garni-Wohnung lootsen wollte, so fänden sie das empörend, aber ihr Techtel-Mechtel am Fuße des Altars abzumachen, da ist weiter nichts dabei.«
Langsam schritt er am Bassin hin. Dabei sah er wieder nach der Uhr des Kirchturms, die gegen seine zwei Minuten vorging. Es war an ihr drei Uhr fünf Minuten.
Er meinte drinnen wäre es doch noch eine angenehmere Temperatur und trat ein. Die Kühle eines Kellers schlug ihm entgegen. Er atmete erleichtert auf und ging um das Schiff herum, um sich genau zu orientieren.
Ein anderer regelmäßiger Schritt, ab und zu aufhörend und wieder beginnend, klang im Hintergrund des weiten Raumes als Echo seinen eignen Schritten nach, die unter der hohen Wölbung schallten. Er war doch neugierig, wer das sein mochte, und suchte den Spaziergänger. Es war ein dicker Herr mit Glatze, der dahin schritt den Blick zur Decke gerichtet und den Hut in der Hand auf dem Rücken haltend.
Hier und dort kniete ein altes Weib und betete, das Gesicht in den Händen vergraben.
Das Gefühl der Einsamkeit, der Verlassenheit, des Friedens packte einen hier, und das durch die Scheiben fallende gedämpfte Licht that den Augen wohl.
Du Roy fand es hier sehr mollig.
Er kehrte wieder zum Portal zurück und sah von neuem nach der Uhr, aber es war erst ein viertel. Nun setzte er sich an den Haupteingang; er bedauerte nur, nicht rauchen zu können.
Man hörte jetzt nahe am Chor, auf der andern Seite der Kirche, den langsamen Schritt des dicken Herrn.
Jemand trat ein. Georg blickte sich schnell um. Es war eine gewöhnliche Frau in wollenem Kleid, die am ersten Betstuhl in die Kniee sank und unbeweglich, die Hände gefaltet, den Blick emporgerichtet, liegen blieb.
Du Roy betrachtete sie mit Interesse. Er fragte sich, welches Leid, welcher Schmerz, welche