Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2). Hans KneifelЧитать онлайн книгу.
»Man hat mich entführt. Von Zyrph. Aber das war schon vor längerer Zeit.«
»Was heißt das: Längere Zeit?«
Der andere zuckte nur gleichmütig mit den Schultern. Mrothyr wandte sich den anderen Zyrphern zu, hatte bei ihnen jedoch auch nicht mehr Erfolg. Sie waren lethargisch und zeigten nicht das geringste Interesse. Darin unterschieden sie sich nicht von den anderen Gefangenen, ganz gleich, welchem Volk diese entstammten. Wer hier unten war, schien jeden Lebensmut verloren zu haben.
Schließlich fiel ihm ein Daila auf, der spöttisch lächelnd an der Wand lehnte und die Arme vor der Brust verschränkte.
»Wer bist du?«, fragte er und setzte sich zu ihm auf das Liegegestell.
»Zwiswurs«, antwortete der Daila. »Du bist bemerkenswert aktiv, aber das gibt sich.«
»Das glaube ich kaum.«
»Wir waren alle so wie du. In den ersten Stunden unserer Gefangenschaft waren wir alle aktiv, unruhig und voller Ungeduld. Sobald dir aber bewusst wird, dass du nichts anderes tun kannst als warten, wirst auch du ruhig werden.«
»Wie lange wartest du schon?«
»Ich habe die Tage nicht gezählt, aber es werden ungefähr hundert sein. Viele von uns sind schon länger hier:«
»Und worauf wartet ihr?«
»Dass etwas geschieht.«
»Aber bis jetzt ist nichts geschehen?«
»Nein.«
»Was ist das für eine Maschine da oben?«
»Sie nennen es das Psisintrant.«
»Und was ist ein Psisintrant?«
»Das weiß niemand von uns.«
»Du bist wirklich bemerkenswert, Zwiswurs. Könntest du mir auch mal eine Information geben, ohne dass ich dich danach fragen muss?«
»Ich weiß nichts, was wichtig für dich sein könnte.«
»Wie viele Wachen gibt es? Haben wir es nur mit Kaytabern zu tun? Wieso sind Ligriden und ein Naldrynne unter den Gefangenen? Habt ihr schon mal versucht, auszubrechen? Du siehst, es gibt eine Menge von Fragen.«
»Von denen ich dir keine beantworten kann, weil ich selbst zu wenig weiß. Aber vielleicht interessiert dich, dass ich ein Mutant bin?«
»Und das hat dir nicht geholfen?«
»Ich habe immer wieder Phasen, in denen meine besonderen Fähigkeiten versagen. Aber es gibt auch Phasen, in denen ich sehr stark bin. Es hat keinen Sinn, auszubrechen. Ich habe es versucht, als ich stark war, aber dann folgte sogleich wieder eine Schwächephase, und alles war vorbei.«
Er lächelte, als sei ihm ein überraschender Gedanke gekommen.
»Ich warte eigentlich nur noch auf meinen Tod«, gestand er. »Darin unterscheide ich mich nicht von den anderen.«
»Ihr müsst doch wissen, welchen Sinn eure Gefangenschaft hat«, drängte der Zyrpher. »Wieso entführt man euch von anderen Planeten hierher, wenn danach nichts geschieht?«
»Das ist eben das Rätsel, das bisher noch niemand lösen konnte.«
Zwiswurs lächelte erneut.
»Es hat Spaß gemacht, sich mit dir zu unterhalten«, sagte er dann und schloss die Augen. Damit gab er Mrothyr zu verstehen, dass ihr Gespräch nun zu Ende war. Der Zyrpher erkannte, dass er nichts mehr erfahren würde. Er ging zu einem freien Liegegestell, ließ sich darauf sinken und schlief gleich darauf ein.
*
Mrothyr erwachte, als sich ein Zyrpher über ihn beugte und die Hand nach ihm ausstreckte. Er packte die Hand und hielt sie fest. Drohend leuchtete es in seinen gelben Augen auf.
Erschrocken fuhr der andere zurück.
»Keine Angst«, sagte er hastig. »Ich hatte nicht vor, dir irgend etwas wegzunehmen.«
»Dann solltest du dich nicht an mich heranschleichen, wenn ich schlafe.«
»Alle neuen Gefangenen legen sich zum Schlafen hin, und wenn sie nach etwa zehn Stunden wieder aufwachen, ist ihre Lebenskraft gebrochen. Sie sind lethargisch und ohne Mut.«
»Wie lange habe ich geschlafen?«
»Nur eine Stunde.«
Mrothyr setzte sich aufrecht. Er fühlte sich müde und zerschlagen, und er hätte sich am liebsten wieder hingelegt, um weiterzuschlafen.
»Du scheinst deine Lethargie überwunden zu haben.«
»Meine Freunde haben mich nicht schlafen lassen. Jedenfalls in den ersten Tagen nicht. Und ich bin noch nicht lange hier. Höchstens vier Wochen. Ich war vor dir der letzte Gefangene, der hierher gebracht wurde.«
Er legte beide Hände auf die Oberschenkel und schloss die Augen.
»Mein Name ist Doyrirkhra.«
»Du bist ein Wonko, nicht wahr? Du kommst aus dem fernen Nordosten von Zyrph.«
Der Wonko lächelte.
»Das ist deine Sicht«, antwortete er. »Wir Wonko sehen das anders. Für uns ist die Insel, auf der wir leben, der Pol, um den die Sonne kreist, der Mittelpunkt des Universums.«
Er setzte sich neben Mrothyr auf die Liege und beugte sich zu diesem hinüber.
Du kannst ihm vertrauen, klang ein Gedanke in dem Freiheitskämpfer auf. Verwundert blickte er auf. Er sah, dass Zwiswurs, der Daila, auf seinem Bett stand, beide Hände gegen den Kopf gelegt hatte und zu ihm hinüber lächelte.
Du?
Ja, ich, antwortete der Mutant. Ich habe eine Aktivphase. Und ich wiederhole: Du kannst ihm vertrauen. Er meint es ehrlich, und er ist mutig.
Danke.
»Du hörst mir ja gar nicht zu«, sagte Doyrirkhra.
»Verzeih mir«, entgegnete Mrothyr. »Ich war eben mit meinen Gedanken woanders. Bitte, wiederhole deine Worte. Sie interessieren mich wirklich.«
»Ich habe nicht vor zu warten, bis es zu spät für mich ist«, erklärte der Wonko. Mrothyr sah, dass er auf den oberen Lidern jeweils drei helle Striche hatte. Es war das Zeichen der Apahava-Priester, jener Religionsführer, die länger als alle anderen für die Freiheit Zyrphs und gegen die Naldrynnen gekämpft hatten, bis man ihnen endlich einen Sonderstatus eingeräumt hatte. Mrothyr hatte nie verstanden, dass sie sich mit diesem Sonderstatus zufriedengegeben und ihren Kampf um Zyrph eingestellt hatten. Er hätte niemals auf halber Strecke aufgegeben.
»Das überrascht mich nicht«, erwiderte er. »Wenn das rote Einhorn auf der Kuppe des Berges im Licht der Morgensonne erscheint, erheben sich die Helden, um die Nebel zu teilen.«
Doyrirkhra blickte ihn überrascht an.
»Du kennst die Eratharka, die große Dichtung unseres Volkes?«
»Jeden Vers.«
Der Wonko streckte ihm spontan die Hand entgegen.
»Vielleicht habe ich dich falsch eingeschätzt«, sagte er. »Vorhin, als du aus dem Schlaf aufschrecktest, dachte ich, dass du abgrundtief böse bist. Als du mich angesehen hast, glaubte ich, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Jetzt weiß ich, dass du auch ein Mann des Geistes bist. Wer die Eratharka vollständig gelesen hat, muss ein Mann von großer Einfühlsamkeit sein.«
»Das Lied deines Volkes preist die Männer, die nicht aufgeben«, bemerkte Mrothyr.
Die Augen Doyrirkhra verdunkelten sich.
»Ich verstehe dich«, sagte er. »Du verurteilst uns, weil wir uns mit den Naldrynnen arrangiert haben.«
»Diese Lösung entsprach nicht ganz dem Geist der Eratharka.«
»Ich