Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2). Hans KneifelЧитать онлайн книгу.
»Ich weiß nicht, wie ich mich in diesem Fall entschieden hätte«, gestand Mrothyr. »Ich gebe zu, dass mir kein Urteil zusteht.«
»Wer bist du?«
Er nannte seinen Namen, und die Augen Doyrirkhras weiteten sich.
»Das bist du?«, staunte er. »Ich habe viel von dir gehört. Auf der Insel wird viel von deinen Taten gesprochen. Wusstest du, dass man dich dort verehrt?«
»Die Wonko haben schon immer etwas übertrieben.«
Der Priester lachte.
»Du gefällst mir. Zusammen mit dir werde ich von hier fliehen, wenn du willst.«
Er erklärte, dass zwei weitere Zyrpher mitmachen wollten, und dass diese ihre Lethargie nur vorgetäuscht hatten, da sie gefürchtet hatten, es mit einem Spitzel zu tun zu haben.
»Hast du einen Plan?«, fragte Mrothyr. »Weißt du, wie wir fliehen können?«
»Leider nicht. Wir haben keinerlei Informationen über das, was außerhalb dieses Raumes vorgeht. Wir werden grundsätzlich nicht nach draußen geführt. Ein Robotwagen bringt uns das Essen. Er wird stets von dem gleichen Kaytaber begleitet. Diesen müssen wir überwinden. Aber das wird schwer. Er ist auf der Hut, und er schießt sofort, wenn er sich in Gefahr glaubt. Ich habe gesehen, dass er einen Mann erschossen hat, der sich nach seinem Löffel bückte, als ihm dieser heruntergefallen war. Offenbar glaubte er an einen Trick.«
»Ich habe in dieser Hinsicht einige Erfahrung«, lächelte Mrothyr. »Ich werde mir ansehen, was abläuft, wenn das Essen gebracht wird. Und dann werde ich mir etwas ausdenken.«
»Es ist gleich soweit. Nur noch wenige Minuten. Siehst du? Viele stehen schon auf.«
Mrothyr erhob sich und ging bis in die Nähe der Tür. Als er noch etwa zehn Schritte davon entfernt war, glitt sie zur Seite, und ein etwa anderthalb Meter hoher Metallkasten rollte herein. In der offenen Tür richtete sich der Kaytaber auf. Er hielt einen schweren Kombitraf in der Hand und zielte damit auf den Freiheitskämpfer.
»Ich weiß, was in deinem Kopf vorgeht«, erklärte er. »Vergiss das lieber. Es ist besser für dich. Vor allem lebst du länger, wenn du auf einen solchen Unsinn verzichtest.«
»Ich habe Hunger. Das ist alles«, erwiderte der Zyrpher.
Das bärenähnliche Wesen lachte schrill.
»Die Neuen sind alle gleich«, behauptete er. »Es wäre besser, wenn du schlafen würdest. Lange schlafen!«
Sei vorsichtig, klangen die Gedanken von Zwiswurs in ihm auf. Der Kerl ist in einer grauenhaften Stimmung. Er sucht nur nach einem Vorwand, um einen von uns zu erschießen. Wenn du dich nicht vorsiehst, bist du sein Opfer.
Danke, antwortete Mrothyr. Er zog sich einige Schritte weit zurück und wartete ab, bis sich die meisten ein Essen geholt hatten. Dann erst stellte er sich an und ließ sich von dem Roboter eine Schale mit einer dampfenden Flüssigkeit reichen.
Plötzlich wusste er, was er tun musste.
3.
»Hast du dich nie umgehört?«, fragte Mrothyr den dailanischen Phasenmutanten. »Hast du nie versucht, auf telepathischem Weg herauszufinden, ob noch mehr Wachen vorhanden sind?«
»Ich habe es versucht«, erwiderte Zwiswurs, »aber es ist mir nicht gelungen.«
»Also gut.« Mrothyr streckte ihm die Hand entgegen, und er ergriff sie. »Du willst uns wirklich nicht begleiten?«
»Es tut mir leid«, sagte Zwiswurs und blickte beschämt zu Boden. »Ich habe nicht den Mut für derartige Dinge.«
Mrothyr schüttelte den Kopf. Er blickte den Daila lächelnd an.
»Du bist kein Feigling«, sagte er. »Und der Tag wird kommen, an dem du begreifen wirst, dass du es nicht bist.«
»Vielleicht in meinem nächsten Leben«, scherzte Zwiswurs. Dann wurde er ernst und fuhr mahnend fort: »Du musst dich beeilen.«
Mrothyr verabschiedete sich von ihm und ging zur Tür. Dort standen Doyrirkhra, und die beiden Zyrpher Troatä und Kreymor. Sie wollten zusammen mit ihm fliehen.
Die Tür öffnete sich, und der kastenförmige Roboter schob sich herein. Hinter ihm erhob sich der Kaytaber auf seine Füße. Er fuchtelte drohend mit seiner Waffe.
Die vier Zyrpher waren die ersten, die eine Suppe erhielten. Sie dampfte vor Hitze. Als sie sie in den Händen hielten, griffen sie an. Ein Schwall heißer Suppe schwappte dem bärenähnlichen Wesen entgegen. Er kam völlig überraschend für den Kaytaber, der instinktiv die Arme ausstreckte. Die Flüssigkeit ergoss sich über ihn und verbrühte ihn. Schreiend fuhr er zurück. Im nächsten Moment war Mrothyr auch schon über ihm und entriss ihm den Kombitraf.
»Los! Beeilt euch«, rief der Freiheitskämpfer den anderen Zyrphern zu. In seinen Augen brannte ein leidenschaftliches Feuer.
Die Zyrpher sprangen über den am Boden liegenden Kaytaber hinweg und stürmten zusammen mit Mrothyr die Treppe hinauf in die Halle. Keiner der anderen Gefangenen folgte ihnen. Entweder kam die Flucht zu überraschend für sie, oder sie waren zu lethargisch, um sich zu einem solchen Unternehmen aufraffen zu können.
Der Kaytaber begann zu schreien. Er sprang auf und schloss die Tür.
»Jetzt wird sich zeigen, wie viele Kaytaber es hier noch gibt«, rief Doyrirkhra.
In der Halle war es nach wie vor still. Die Maschine, die Zwiswurs als Psisintrant bezeichnet hatte, arbeitete nicht. Nirgendwo waren Stahlmänner zu sehen. Es schien tatsächlich so, als sei der Kaytaber der einzige, der in dieser Anlage beschäftigt war. Ungehindert durchquerten Mrothyr und die drei anderen Zyrpher die Halle. Sie erreichten die Parknische, in der Mrothyr mit dem Gleiter angekommen war, und die Maschine stand auch jetzt noch dort.
»Wir müssen diesen Gleiter wohl nehmen, obwohl er ferngesteuert werden kann«, sagte der Freiheitskämpfer. »Wir müssen sehen, dass wir die Fernsteuerung so schnell wie möglich ausschalten.«
»Das ist kein Problem«, entgegnete Kreymor. Er war technisch besonders versiert. Er öffnete eine Klappe am Heck der Maschine und holte gleich darauf eine kleine, positronische Schalteinheit daraus hervor. Achtlos warf er sie zur Seite.
»Übernimm das Steuer«, befahl Mrothyr ihm. »Wenn weitere Probleme auftauchen, wirst du am besten damit fertig.«
Kreymor nickte. Er stieg in die Maschine und setzte sich an das Steuer. Mrothyr glitt neben ihn, während Doyrirkhra und Troatä hinter ihnen Platz nahmen. Gleich darauf stieg die Maschine auf. Sie flog an der Flanke des Gebäudes entlang.
»Niemand zu sehen«, stellte Doyrirkhra verwundert fest. »Vielleicht sollten wir hier bleiben. Es könnte sein, dass wir in diesen Gebäuden sicherer sind als im Dschungel.«
»Ganz bestimmt nicht«, widersprach Mrothyr. »Außerdem haben wir nicht vor, im Dschungel zu landen und dort zu bleiben. Wir wollen einen Raumhafen erreichen und zu einem anderen Planeten fliegen. Möglichst nach Zyrph.«
»Natürlich«, erwiderte der Wonko.
Rote Nebelschleier wehten ihnen entgegen. Kreymor zog den Gleiter in die Höhe und verließ das erschlossene Gelände. Er flog jetzt über den Wipfeln der Bäume. Mrothyr blickte zurück. Auch jetzt konnte er niemand außerhalb der Hallen entdecken. Es schien, als habe man ihre Flucht noch nicht bemerkt.
Der Himmel öffnete seine Schleusen, und ein wolkenbruchartiger Regen stürzte herab. Die Sicht verschlechterte sich innerhalb von wenigen Sekunden so sehr, dass Mrothyr die Hallen nicht mehr sehen konnte.
Doyrirkhra deutete auf den winzigen Radarschirm am Armaturenbrett.
»Niemand folgt uns. Entweder sie sind sicher, dass sie uns an anderer Stelle erwischen, oder sie sind nicht in der Lage, unsere Flucht zu verhindern.«
»Sie können uns nicht aufhalten«, triumphierte Troatä.