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Der Lügendetektor. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.

Der Lügendetektor - Edgar Wallace


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an diesem Abend verhältnismäßig früh nach Hause gekommen, und man hatte die Sache mit der Zeitungsanzeige auch in der Familie ausgiebig besprochen. Ursprünglich war es Lizzies Gedanke gewesen, die Verlobung der beiden auf diese Weise bekanntzugeben. »Dadurch werden sie fester aneinander gebunden«, hatte sie mit weiblicher Schläue zu ihrer Mutter gesagt.

      Schließlich einigte man sich auf folgenden Wortlaut:

      ›Mr. Ernest Jake Molyneux aus Overdeen, Birmingham, hat sich mit Miss Ena Panton in Brockley verlobt. Die Hochzeit wird in Kürze stattfinden.‹

      Die Wohnung der Pantons in der Friendly Street lag in Deptford, aber Ena hielt Brockley für vornehmer.

      »Haben Sie die Anzeige schon aufgegeben?«

      »Nein, noch nicht«, erwiderte Lizzie, die immer weniger wußte, was sie von dem seltsamen Gast halten sollte. Aber warten Sie doch bitte einen Augenblick, ich werde Ena rufen. Wollen Sie nicht hereinkommen?«

      Er dankte ihr höflich und blieb im Flur stehen.

      Kurz darauf kam Ena, die sich schnell einen Morgenrock übergeworfen hatte, herunter. Sie war ein wenig verstört und verärgert, denn schon Ernie hatte wegen der Verlobungsanzeige alle möglichen Ausflüchte gemacht.

      »Wer sind Sie denn eigentlich?« erkundigte sie sich nicht gerade sehr freundlich.

      »Ich bin Ernies Vormund«, erklärte der Fremde.

      Lizzie sah deutlich, daß er seiner Ungeduld nur mühsam Herr wurde.

      »Meiner Meinung nach ist die Ankündigung Ihrer Verlobung in der Zeitung durchaus nicht notwendig«, fuhr er mit gepreßter Stimme fort. »Wahrscheinlich wissen Sie nicht, daß dadurch Ernies gutes Verhältnis zu einem seiner Onkel getrübt werden könnte. Der alte Herr, der sehr reich ist und Ernie zum Erben eingesetzt hat, wünscht nämlich nicht, daß sich sein Neffe schon verheiratet.«

      Das machte Eindruck auf Ena. Ihr Bräutigam hatte zwar noch nie etwas von diesem Verwandten erwähnt, aber ein Onkel, von dem man etwas erben kann, ist schließlich immer eine große Annehmlichkeit.

      »Nun ja, wenn es sich so verhält, dann zerreiße ich die Annonce eben«, entgegnete sie zögernd. »Eigentlich wollte ich sie morgen früh gleich an die Zeitung schicken, aber wenn Sie wirklich glauben, daß ich es besser nicht tun soll ...«

      »Würden Sie so liebenswürdig sein und mir das Blatt geben, auf das Ernest den Text geschrieben hat?«

      Sie hatte es in ihrem Zimmer, stieg die Treppe hinauf und brachte es herunter.

      Der Fremde bedankte sich höflich, entschuldigte sich nochmals und ging dann.

      Lizzie sah ihm durch das Fester nach, wie er auf der Straße in ein Taxi stieg, das dort offensichtlich auf ihn gewartet hatte.

      »Merkwürdig«, sagte sie kopfschüttelnd.

      »Da hast du recht«, stimmte ihre Schwester zu. »Au!«

      Sie stieß einen Schrei aus und sprang zur Seite.

      »Was hast du denn?«

      »Ich glaube, ich bin gerade auf eine Maus oder so etwas Ähnliches getreten!« rief Ena bestürzt. Sie hatte keine Pantoffeln an.

      »Rede doch keinen Unsinn! Haben wir jemals Mäuse im Haus gehabt? Warte, ich werde nachsehen.«

      Lizzie suchte neugierig den Boden ab und entdeckte, daß neben der Tür tatsächlich etwas Dunkles, Weiches lag. Sie bückte sich und hob es mit spitzen Fingern auf.

      »Um Himmels willen, schau mal her – ein schwarzer Schnurrbart! Den hat dieser Mensch getragen! Es kam mir gleich so vor, als ob er etwas verloren hätte, als er sich beim Abschied verbeugte.«

      Die beiden jungen Mädchen schauten sich erstaunt an und wußten nicht, was sie davon halten sollten.

      »Äußerst merkwürdig«, meinte Lizzie gähnend und schüttelte den Kopf.

      Ena ließ sich nicht so schnell beruhigen. Sie setzte sich sofort hin und schrieb einen Brief an ihren Bräutigam, in dem sie ihn dringend um Aufklärung bat.

      Sie hatte ihm schon häufig geschrieben, aber fast niemals eine Antwort darauf erhalten; er hatte ihr einmal lachend erklärt, daß er kein großer Briefschreiber sei und sich lieber persönlich mit ihr unterhielte. Sie konnte sich nur an eine Ausnahme erinnern, als er ihr unter der Woche eine Nachricht aus Birmingham schickte. Ihre eigenen Briefe richtete sie immer an eine Adresse in der Nähe von Haymarket in London. Sie hatte ihn dort, in seiner Stadtwohnung, noch nie besucht, gelegentlich eines Spazierganges aber festgestellt, daß es sich um ein großes Mietshaus mit vielen Einzelwohnungen handelte.

      Nach diesem sonderbaren Ereignis erhielt Ena noch in der gleichen Woche einen Brief von Ernie, in dem er ihr mitteilte, es wäre alles ein großes Missverständnis, und obwohl er sie über alles liebe, wäre es doch besser für sie und für ihn, wenn sie sich trennten. Er gab ihr keine triftigen Gründe für diesen plötzlichen Entschluss an, sondern bat sie nur, sie möchte alle Geschenke behalten, die er ihr gemacht hatte.

      Ena weinte lange über ihr Pech. Schließlich raffte sie sich auf und ging zu dem Haus in der Nähe von Haymarket; dort erfuhr sie aber nur, daß Mr. Molyneux seine Wohnung aufgegeben hatte. Der Portier konnte ihr nicht sagen, wohin er gezogen war.

      Ena und ihre Schwester waren fassungslos – aber die ganze Sache sollte noch verwickelter und geheimnisvoller werden.

      Ena erhielt einen weiteren Brief, der offensichtlich in größter Eile geschrieben worden war. Ernie versicherte darin, daß er sie immer noch über alles liebe.

      Der Brief war auf dem Hauptpostamt in Birmingham aufgegeben worden, aber Ernie gab keine Adresse an, unter der sie ihn erreichen konnte. Am merkwürdigsten war die Tatsache, daß er auf Papierbogen geschrieben hatte, deren rechte untere Ecke abgetrennt worden war:

      ›Ich liebe Dich über alles ... Ich denke dauernd an Dich – Du allein könntest mich vor diesem furchtbaren Menschen retten, der mir keine Ruhe läßt. Wenn ich Dich doch nur ein einziges Mal sehen und Dir alles erklären könnte – aber er läßt mich ja keine Sekunde aus den Augen! Ständig steht er hinter mir, und dauernd redet er von Petroleum, Petroleum und immer wieder Petroleum ... Manchmal wache ich mitten in der Nacht auf und sage mir, daß es gar nicht wahr ist. Die Zeit vergeht und schreckliche Gedanken quälen mich! –‹

      »Was soll denn das alles heißen? Ich verstehe kein Wort davon«, sagte Ena und schluchzte dabei leise vor sich hin.

      »Eines scheint mir immerhin festzustehen – nämlich, daß er dich liebt«, erwiderte ihre Schwester.

      »Sicher, daran habe ich auch nie gezweifelt«, entgegnete Ena traurig.

      Dieser Brief war das letzte Lebenszeichen von Ernie gewesen. Er ließ daraufhin nichts mehr von sich hören.

      Lizzie, die voll Kummer beobachtete, wie niedergeschlagen ihre Schwester war, sagte sich eines Tages, daß es so nicht weitergehen könne. Sie nahm allen Mut zusammen und brachte Brief und Schnurrbart zu Mr. Reeder.

      Natürlich wartete sie eine günstige Gelegenheit ab, die sich noch am gleichen Abend bot. Mr. Reeder saß in seinem Lehnsessel vor dem Kamin und döste vor sich hin – schöpferische Pause nannte er so etwas.

      »Ich bitte vielmals um Entschuldigung, daß ich störe«, begann sie verlegen. »Dürfte ich Sie etwas fragen?«

      Mr. Reeder blinzelte sie schläfrig an.

      »Was gibt's denn, liebes Kind?« murmelte er freundlich, als er sah, daß Lizzie vor ihm stand.

      »Es handelt sich um meine Schwester«, erklärte Lizzie verlegen. Er richtete sich auf, streckte sich, ging zum Schreibtisch und suchte seinen Klemmer.

      »Na, und was ist mit Ihrer Schwester?«

      Er hatte Menschenkenntnis genug, um zu sehen, daß es sich um eine für Lizzie äußerst wichtige Sache handelte – wenn sie auch an und für sich vielleicht geringfügig sein mochte. Sicher handelte


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