Verdammte Konkurrenz. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
auf dem Dach der Arche Noah gestanden?« fragte sie interessiert.
»Aber nein, das habe ich doch bildlich gemeint, um Ihnen zu zeigen, wie vorsintflutlich und altertümlich Ihre Firma ist. Mr. Maber annonciert ja auch, das stimmt. Ab und zu eine halbe Seite in den vornehmen Zeitschriften. Aber reklametechnisch kommt das doch gar nicht in Frage. Ich nenne das eher Mitteilungen ans Publikum, daß er noch nicht ganz verschieden ist. Und während die Firma Maber & Maber auf der einen Seite der Straße immer mehr zurückgeht, wächst, blüht und gedeiht auf der anderen Seite Atterman, obwohl das Geschäft erst vor acht Jahren gegründet worden ist. Das Haus Maber & Maber kann allerdings auf das beträchtliche Alter von hundertfünfzig Jahren zurückschauen, aber es ist augenblicklich das größte Verkehrshindernis auf dem Weg moderner Geschäftsentwicklung. Mehr möchte ich über diese Angelegenheit nicht mehr sagen.«
»Ach, bitte sprechen Sie doch weiter«, bat sie. »Sie gefallen mir, wenn Sie sich so bilderreich ausdrücken. Wenn ich sage, Sie gefallen mir«, fügte sie schnell hinzu, »dann soll das heißen, daß ich Sie nicht ganz so unausstehlich finde wie sonst. Wir haben es nicht nötig, zu annoncieren. Der Name Maber allein garantiert eben schon für beste Qualität bei unseren Waren.«
»Das wäre ja ganz gut und schön, wenn die Leute nur Ihre Waren kauften!«
»Wir sind ebenso groß wie Atterman.« Sie blieb herausfordernd stehen, runzelte die Stirne und sah ihn kampflustig an.
»Oberflächlich gesehen, haben Sie recht. Ihr Haus ist ebenso groß wie das andere, aber Atterman ist eben ein viel tüchtigerer Geschäftsmann. Die Leute setzen zehnmal soviel um wie Ihre Firma. Als Mensch mag ich Mr. Maber ja sehr gern. Er stammt aus einer guten, alten Familie, und zu Atterman verhält er sich ungefähr wie eine Orchidee zu Blumenkohl.«
Barbara nickte. Sie hielt es nicht für unbedingt notwendig, ihm mitzuteilen, daß Mr. Maber ihr Pate war. Ebensowenig brauchte er zu wissen, wie sehr sie den armen Mann gequält hatte, ihr eine Stellung in London zu besorgen. Nur widerstrebend hatte ihr Mr. Maber den Posten einer Privatsekretärin in seiner eigenen Firma gegeben, aber sie hatte sich schon nach kurzer Zeit durch ihre ungewöhnlichen Fähigkeiten unentbehrlich gemacht.
»Mr. Julius Colesberg, der Juniorpartner, ist für Ihre Firma genau so nutzlos wie ein elektrischer Glühofen für die Sahara.«
Barbara mußte ihm darin recht geben. Sie sah ihn jetzt etwas freundlicher von der Seite an. Er war gut gewachsen und hatte auch eine tadellose Haltung.
»Warum sind Sie eigentlich ein Reklamefachmann? Sie sehen viel mehr wie ein Offizier aus.«
»Ich habe diesen Beruf nun einmal gewählt. Im Krieg war ich ja auch Soldat«, fügte er diplomatisch hinzu. »Schließlich muß man doch seinen Lebensunterhalt auf die eine oder andere Weise verdienen.«
»Aber ist Ihnen denn noch nie der Gedanke gekommen, in die weite Welt hinauszugehen, in Länder, wo ein Mann noch seine vollen Kräfte entfalten kann, wo sich der Energie und Tatkraft noch weite Betätigungsfelder bieten?«
Er nickte.
»Ja. Erst gestern habe ich mit der Siedlungsgesellschaft ›Goldner Westen‹ in Kanada drei ganzseitige Annoncen abgeschlossen. Und dann habe ich mir natürlich ebenso viele Filme angesehen wie Sie. Daraus lernt man die Welt ja auch einigermaßen kennen. Was ich Ihnen noch sagen wollte«, fuhr er plötzlich in ernstem Ton fort, »Atterman hat heute morgen eine Besprechung mit Mr. Maber.«
»Woher wissen Sie denn das?« fragte sie erstaunt.
»Ich weiß alles. Mir bleibt nichts verborgen«, erwiderte er und lächelte geheimnisvoll.
An der Ecke der Marlborough Avenue trennte er sich von ihr. Sie ging an den großen, vornehmen Schaufenstern der Firma Maber & Maber vorüber. Die prachtvollen Auslagen waren so herrlich anzusehen, aber so schwer zu verkaufen. An dem großen Haupteingang mit den Schwingtüren blieb sie stehen und sah nach der strahlendweißen Fassade von Atterman hinüber. Auf dem fünf Stockwerke hohen Gebäude wehten die verschiedensten Flaggen, um anzudeuten, daß es nicht darauf ankam, welcher Nationalität der Käufer angehörte. Mr. Atterman hatte einen gut trainierten Stab von Leuten, die fremde Sprachen beherrschten, und das Geld der Ausländer wurde ebenso gerne genommen wie das der Einheimischen.
Drüben wurden gerade einige Schaufenster neu dekoriert. Die Firma Atterman hatte sich schon mehrfach vor dem Gericht verantworten müssen, weil ihre Ausstellungen Verkehrsstockungen hervorriefen. Und beinahe jeder Autobus, der vorüberfuhr, trug in großen Buchstaben die Reklameaufschrift: »Wer bei Atterman kauft, ist stets vergnügt.«
»Verdammte Konkurrenz!« sagte Barbara wütend, trat durch die Schwingtür und ging zum Büro hinauf.
Mr. Lark, der Chef der Einkaufsabteilung und der Kasse, beobachtete sie, machte eine Pause in der Arbeit und sah ihr mit bissigen, feindseligen Blicken nach.
»Sie kommt schon wieder zehn Minuten zu spät«, sagte er gehässig. »Wenn's nach mir ginge, würde ich diese Person glatt auf die Straße setzen! ›Miß Storr‹, würde ich sagen, ›hier ist Ihr Geld, und nun. machen Sie, daß Sie fortkommen. Ich kann nicht dulden, daß Sie hier herumlaufen und alle Leute mit gnädiger Herablassung behandeln! Suchen Sie sich gefälligst eine andere Stellung.‹«
Seine Stenotypistin, die ihm aufmerksam zugehört hatte, nickte beifällig, um ihre Anerkennung für seinen Mut und seine Energie auszudrücken.
»Ich würde ihr ganz einfach erklären: ›Sie sind entlassen!‹ Was ist denn schon eine Privatsekretärin? Doch weiter nichts als ein Dienstmädchen, das für alle Leute zu laufen und zu springen hat!«
»Ja, es ist wirklich entsetzlich mit ihr«, pflichtete seine Stenotypistin bei.
»Entsetzlich? Das ist noch gar kein Ausdruck für ihr Benehmen. Denken Sie doch nur einmal daran, wie sie mit Mr. Colesberg umgeht. Wie einen Hund behandelt sie den armen Mann! Den Teilhaber der Firma! Aber ich sage es ja immer, die Sozialdemokraten haben überhaupt keine Achtung vor anderen Leuten.«
»Ist sie denn eine Sozialdemokratin?« fragte Miß Leverby interessiert.
»Ich weiß nichts von ihren Privatverhältnissen«, erwiderte er abweisend. »Mit derartigen Menschen komme ich gesellschaftlich nicht zusammen. Wenn ich ihr auf der Straße begegnete, würde ich sie überhaupt nicht grüßen. In der Beziehung ist mit mir nicht zu spaßen. Ich behandle die Leute genau so, wie sie es verdienen.«
Miß Leverbys Hochachtung für diesen tüchtigen Mann stieg mehr und mehr.
»Immer liegt sie dem Chef in den Ohren, daß er mehr annoncieren soll. Sie läßt ihm keine Ruhe. Ich habe selbst gehört, wie sie ihm zugesetzt hat. Glauben Sie vielleicht, der bekommt überhaupt noch ein Bein auf die Erde? Alles weiß sie besser. Und ständig fragt sie, warum wir diesen und jenen Artikel nicht führen. ›Miß Storr‹, habe ich neulich noch zu ihr gesagt, ›wenn die Leute eben nicht kaufen wollen, was wir haben, dann können sie ja in ein anderes Geschäft gehen. ‹Das tun sie auch‹, gibt mir die unverschämte Person zur Antwort. ›Sie gehen zum Beispiel zu Atterman, da bekommen sie alles – von einer Stecknadel bis zu einer komplett ausgestatteten Villa.‹ ›Aber Miß Storr, wir sind eine gediegene Firma‹, erkläre ich ihr. ›Unser Haus besteht seit hundertfünfzig Jahren, und alle Leute kennen uns! Wir haben es weder nötig, zu vulgären Geschäftspraktiken zu greifen, noch irgendwelchen billigen Plunder zu verkaufen!‹ ›Nötig haben Sie es schon‹, sagte sie darauf ganz frech, ›Sie wissen nur nicht, wie Sie es anfangen sollen!‹ Mein Gott, dieses Frauenzimmer tut wirklich, als ob ihr die ganze Firma gehörte, und als ob sie allein alles zu sagen hätte!«
»Ja, das stimmt tatsächlich«, bestätigte die Stenotypistin eifrig.
»Sie muß den Chef irgendwie in der Tasche haben, passen Sie nur auf. Sie werden noch an meine Worte denken. Neulich stand ein ähnlicher Fall in der Sonntagszeitung. Vielleicht haben Sie die Überschrift gelesen: ›Junges Mädchen hat alten Millionär in der Gewalt.‹ Genau so eine ist die auch!«
Eine Verkettung von merkwürdigen Umständen brachte an diesem Morgen Barbaras Abneigung