Der Brigant. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
bin ein junger Mann, der eben aus Südafrika zurückgekommen ist und einiges Geld dort verdient hat«, sagte er einfach. »Heute Abend soll ich ihnen fünftausend Pfund zeigen, um meine Vertrauenswürdigkeit nachzuweisen.«
Der Detektiv sah schmunzelnd auf die Brieftasche.
»Aha, nun verstehe ich«, erwiderte er und wandte sich zum Gehen. »Und sollten Sie Unannehmlichkeiten bekommen, so will ich Ihnen auf alle Fälle meine Karte geben.«
Anthony kam zur verabredeten Zeit zu dem Treffpunkt. Der Rechtsanwalt wartete schon auf ihn. Er war in die Lektüre einer Abendzeitung vertieft und hatte ein Glas Absinth vor sich stehen.
»Ein gefährliches Getränk, Mr. Newton«, meinte er. »Aber es wirkt sehr wohltuend. Ich leide an schlechter Verdauung. Haben Sie inzwischen Mr. Frenchan gesehen?«
Anthony schüttelte den Kopf.
»Ein merkwürdiger Mann, aber durchaus glaubwürdig und ehrlich«, sagte der Rechtsanwalt. »Wie er sich bisher vor Verlusten geschützt hat, mag der Himmel wissen. Er vertraut gleich jedem ersten besten, ich möchte fast sagen, jedem hergelaufenen Kerl auf der Straße. Ich hoffe, daß Sie mir nicht böse sind, Mr. Newton, aber ein Rechtsanwalt muß nun einmal scharf vorgehen.«
»Das begreife ich vollkommen«, entgegnete Anthony.
In diesem Augenblick trat Mr. Frenchan ein. Zuerst sprachen sie über ein Ereignis, von dem in allen Zeitungen und Extrablättern berichtet wurde, dann seufzte Mr. Frenchan plötzlich auf.
»Nun wollen wir zum Geschäft kommen und sehen, daß wir möglichst schnell damit fertig werden.«
Er zog eine stattliche Brieftasche heraus und entnahm ihr einen dicken Stoß Banknoten.
»Aber warum in aller Welt haben Sie denn das mitgebracht?« fragte der Rechtsanwalt.
»Weil ich gar nicht einsehe, warum Mr. Newton uns trauen soll, wenn Sie ihm mißtrauen«, sagte Frenchan mit Nachdruck. »Ich vertraue Mr. Newton blindlings.«
»Aber sprechen Sie doch nicht so laut«, warnte der Rechtsanwalt. »Es ist doch gar kein Grund dazu vorhanden, Spektakel zu machen.«
»Mr. Newton traut mir ebenso«, fuhr Mr. Frenchan etwas ruhiger fort.
»Haben Sie das Geld mitgebracht?« wandte sich der Rechtsanwalt geschäftsmäßig an Anthony.
Mr. Newton zog seine Brieftasche heraus.
»Was habe ich Ihnen gesagt?« rief Frenchan. »Das ist ein Mann von Vermögen, ein Mann von Ehre, Whipplewhite. – Wollen Sie mir einen Gefallen tun?« Er lehnte sich über den Tisch zu Anthony.
»Aber natürlich!«
Mr. Frenchan warf ihm seine Brieftasche in den Schoß.
»Nehmen Sie sie, gehen Sie fünf Minuten hinaus und kommen Sie dann wieder zurück.«
»Aber warum denn?« fragte Anthony.
»Ich will damit nur zeigen, daß ich Ihnen traue. Und ich darf dann voraussetzen, daß Sie mir gleiches Vertrauen entgegenbringen.«
»Ganz bestimmt«, sagte Anthony und nahm die Brieftasche an sich. »Aber sie enthält viel Geld, zählen Sie es bitte hier vor meinen Augen nach.«
»Das ist nicht notwendig«, erwiderte Mr. Frenchan überlegen. Aber trotzdem nahm er Anthony die Tasche aus der Hand, öffnete sie, zog ein Paket Banknoten heraus und drehte die beiden ersten Scheine um. Anthony sah, daß es wirklich Banknoten waren, und zwar Hundertpfundnoten. Darunter würden wahrscheinlich Fälschungen stecken, vermutete er. Aber die beiden obersten waren zweifellos echt.
»Ich tue es nicht gerne«, sagte Anthony, als ihm die Brieftasche wieder gereicht wurde. »Sie kennen mich doch nicht genügend.«
»Es wäre gut, wenn Sie den Vorschlag von Mr. Frenchan annähmen«, entgegnete der Rechtsanwalt höflich.
Anthony ließ also die kleine Ledermappe in seine Tasche gleiten und ging langsam aus dem Restaurant. Es fuhr gerade ein Mietauto vorüber.
»Halten Sie nicht!« rief er dem Chauffeur zu, als er auf den langsam fahrenden Wagen sprang. »Bringen Sie mich zum Victoria-Bahnhof!«
Während der Wagen durch die dunklen Straßen fuhr, nahm er die Tasche heraus und untersuchte den Inhalt. Die beiden Hundertpfundnoten waren tatsächlich echt.
In dem Restaurant warteten Mr. Whipplewhite und Mr. Frenchan auf Anthonys Rückkehr.
»Ein gescheiter Gimpel!« sagte Mr. Frenchan.
»Das sind sie doch alle«, erwiderte der andere verächtlich. »Nur die kann man noch leimen!«
Plötzlich fuhr er in die Höhe und sah einem Herrn von militärischem Aussehen ins Gesicht.
»Nun, warten Sie auf ein Opfer?«
»Ich weiß nicht, was Sie wollen, Sergeant. Wir warten hier auf einen Freund«, entgegnete Frenchan.
»Da werden Sie lange warten können«, meinte Sergeant Maud von Scotland Yard. »Ich habe den jungen Mann schon den ganzen Nachmittag beobachtet.«
Er lachte, daß seine Zähne zu sehen waren, und weidete sich an der Bestürzung und dem Schrecken der beiden anderen.
»Bei einer solchen Gelegenheit, lieber Herr, stehen alle früheren Polizisten im Himmel auf und singen Halleluja!«
2. Kapitel
Die Kunst sich einzuführen
Mit vornehmer Höflichkeit ausgeführte Räubereien weichen von den altherkömmlichen Gebräuchen so sehr ab, daß man durch die Neuartigkeit fasziniert ist. Gewöhnliche Verbrecher, die keine Phantasie haben, bleiben noch immer bei der alten Methode, durch Anwendung bloßer Gewalt zu ihrem Ziele zu kommen. Aber die Vertreter der feineren und vornehmeren Richtungen entwickeln bei ihren Plänen ebenso viel Geist und Witz wie große Dichter.
Es gehörte zu der Ausführung eines fein angelegten Tricks, daß sich Mr. Anthony Newton eines Tages in einer peinlichen Situation befand. Die beiden Hinterräder seines Wagens steckten in einem tiefen Graben, und er hatte sich bei dem Unfall nur mit größter Mühe auf seinem Sitz am Steuer behauptet. Die überhängenden Zweige der Hecke bedrängten ihn so sehr, daß er den Kopf auf eine Seite biegen mußte. Trotzdem bewahrte er seine Haltung, und der Blick, mit dem er die junge Dame anschaute, war milde und wenig vorwurfsvoll.
Sie saß starr und aufrecht an dem Steuer ihres schönen luxuriösen Wagens, denn sie war durch das plötzliche Ereignis so erschreckt, daß sie nicht gleich etwas sagen konnte.
»Sie sind auf der falschen Seite gefahren«, erwähnte Anthony Newton höflich.
»Es tut mir furchtbar leid«, erwiderte sie atemlos. »Aber ich habe doch gehupt. Diese elenden Straßen in Sussex sind so unübersichtlich ...«
»Bitte sagen Sie nichts mehr darüber«, entgegnete Anthony. Langsam kletterte er aus dem Wagen heraus, stand dann auf der Straße und schaute ernst auf die Trümmer seines Autos.
»Ich dachte, Sie hätten mich gesehen, als ich die Höhe herunterkam«, sagte sie entschuldigend. »Ich habe Sie sehen können und habe Ihnen doch mit meiner Hupe ein Zeichen gegeben.«
»Ich habe es nicht gehört. Aber das will eigentlich nicht viel sagen. Der Fehler liegt ganz auf meiner Seite. Aber ich fürchte, mein armer Wagen ist vollständig erledigt.«
Jetzt stieg sie auch aus und trat an seine Seite. Der Unfall tat ihr wirklich sehr leid, und sie schaute bedrückt auf die vollständig ruinierte Maschine.
»Wenn ich nicht die Geistesgegenwart gehabt hätte, sofort in den Graben auszubiegen, wäre es ein böser Zusammenstoß geworden.« Es ist ja schließlich besser, daß mein Wagen dabei kaputtging, als daß Ihnen die leichteste Verletzung zugestoßen wäre.«
Sie seufzte.
»Gott sei Dank ist