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Gesammelte Erzählungen von Anatole France. Anatole FranceЧитать онлайн книгу.

Gesammelte Erzählungen von Anatole France - Anatole France


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      »Frau Cornouiller ward das Opfer eines weiteren Diebstahls, der noch frecher ausgeführt war, als der erste … Man stahl aus ihrem Büfett drei kleine, silberne Löffel.

      »Sie glaubte, daß Putois seine Hand dabei im Spiel gehabt habe, ließ an ihrer Tür eine Kette anbringen und konnte nicht mehr schlafen.

      III.

      Gegen zehn Uhr abends, nachdem Pauline auf ihr Zimmer gegangen war, sagte Fräulein Bergeret zu ihrem Bruder:

      »Vergiß nicht den Vorfall, Lucien, daß Putois die Köchin der Frau Cornouiller verführte.«

      »Ich habe schon daran gedacht, liebe Schwester, das ist ja das beste von der ganzen Geschichte. Aber alles der Reihe nach. Putois wurde eifrig von der Justiz gesucht, sie konnte ihn aber nicht ausfindig machen. Als man erfuhr, daß er nicht zu entdecken sei, setzte jedermann seine Ehre darein, ihn aufzufinden. Den Männern gelang es auch. Und da es viele Männer in St. Omer und in der Umgegend gab, so wurde Putois gleichzeitig auf der Straße, auf den Feldern und im Walde gesehen. Es wurde ihm daher eine weitere Eigentümlichkeit beigelegt. Man verlieh ihm die Gabe, überall zu sein, die so viele populäre Helden besitzen. Ein Wesen, das imstande sein soll, in einem Augenblick weite Entfernungen zu durchmessen und das plötzlich da auftaucht, wo man es am wenigsten vermutete, jagt gerechten Schrecken ein. Putois wurde der Schrecken von St. Omer. Frau Cornouiller war überzeugt, daß Putois die drei Melonen und die drei kleinen, silbernen Löffel gestohlen habe. Sie lebte in steter Angst vor ihm und verbarrikadierte sich in Monplaisir. Aber Riegel, Schlösser, Gitter und Ketten vermochten sie nicht zu beruhigen. Putois war für sie ein Wesen, von Entsetzen erregender Subtilität, das durch Türen hindurchdringen konnte. Dazu kam ein häusliches Ereignis, das ihre Angst noch verdoppelte. Ihre Köchin war verführt worden, der Augenblick kam, da sie ihren Fehltritt nicht mehr verbergen konnte, aber sie weigerte sich hartnäckig, ihren Verführer zu nennen.

      »Sie hieß Gudule,« sagte Fräulein Bergeret.

      »Ja, Gudule hieß sie, und man glaubte, sie sei gegen die Gefahren der Liebe durch einen langen gabelförmigen Bart, den sie am Kinn trug, geschützt. Ein plötzlich entstandener Bart beschützte weiland die Jungfräulichkeit jener heiligen Königstochter, die in Prag verehrt wird. Gudules Bart, der sich keineswegs mehr im Anfangsstadium befand, hatte aber doch nicht ausgereicht, ihre Tugend zu verteidigen. Frau Cornouiller drang in Gudule, daß sie ihr den Menschen nenne, der sie mißbraucht und dann in der Not verlassen hatte. Gudule brach in Tränen aus, aber sie schwieg. Bitten und Drohungen blieben erfolglos. Frau Cornouiller stellte eine lange, eingehende Untersuchung an. Sie fragte in geschickter Weise ihre Nachbarn aus, die umwohnenden Weiber, die Lieferanten, den Gärtner, den Chausseewärter, die Gendarmen, doch nichts brachte sie auf die Spur des Schuldigen. Aufs neue versuchte sie, von Gudule ein Geständnis zu erlangen. ›Sagen Sie mir doch in Ihrem eigenen Interesse, Gudule, wer es ist?‹ Gudule blieb stumm. Plötzlich wie ein Lichtstrahl kam Frau Cornouiller der Gedanke: ›Putois ist es gewesen!‹ Die Köchin heulte und antwortete nicht. ›Es ist Putois! das hätte ich mir gleich denken können! Natürlich er ist es und kein anderer! O, du Unglückselige!‹«

      »Frau Cornouiller blieb steif und fest bei ihrer Überzeugung, daß das Kind ihrer Köchin von Putois stamme. Jedermann in St. Omer, vom Gerichtspräsidenten bis herab zum Laternenanzünder, kannte Gudule und ihren Korb. Bei der Neuigkeit, daß Putois Gudule verführt habe, war die ganze Stadt voller Überraschung, Verwunderung und Heiterkeit. Putois wurde wie ein Held gefeiert. Auf sehr leichte Indizien hin schrieb man ihm die Vaterschaft von fünf oder sechs anderen Kindern zu, die in jenem Jahr zur Welt kamen und die besser getan hätten, fern zu bleiben, in Anbetracht des Vergnügens, das ihrer dort wartete, und mit Rücksicht auf die Freude, die sie ihren Müttern bereiteten.

      ›Welch ein Ungeheuer, dieser Putois!‹ riefen die Gevatterinnen.

      »So bedrohte dieser unsichtbare Satyr mit nicht wieder gut zu machendem Unheil die weibliche Jugend unserer Stadt, in der man, wie die ältesten Leute sagten, die jungen Mädchen seit Menschengedenken stets in Ruhe gelassen hatte.

      »Während er so in der Stadt und Umgegend sein Spiel trieb, war er mit unserem Hause durch tausend feine Bande verknüpft. Man hatte ihn vor unserer Tür gesehen und glaubte, daß er zuweilen über die Gartenmauer kletterte. Niemand hat ihm je ins Gesicht gesehen, aber jeden Augenblick erkannten wir seinen Schatten, seine Stimme und die Spuren seiner Schritte. Mehr als einmal glaubten wir in der Dämmerung bei einer Krümmung eines Weges seinen Rücken zu erblicken. Mir und meiner Schwester gegenüber änderte er seinen Charakter ein wenig. Schlecht und bösartig blieb er, aber er wurde knabenhaft und naiv. Er gab sich weniger realistisch, ich kann wohl sagen, mehr poetisch. Er trat in den Kreis unserer treuherzigen, kindlichen Traditionen. Er wurde zum Schreckgespenst, zum Buhmann und zum Sandmann, der abends den Kindern die Augen schließt. Er machte den Puppen meiner Schwester Schnurrbärte mit Tinte, und von unseren Betten aus hörten wir ihn vorm Einschlafen: er heulte auf den Dächern mit den Katzen, bellte mit den Hunden, stöhnte in den Rauchfängen und ahmte auf der Straße den trunkenen Gesang später Zecher nach.

      »Was uns Putois stets gegenwärtig und vertraut machte, war, daß die Erinnerung an ihn sich mit allen Dingen verknüpfte, die uns umgaben. Zoës Puppen, meine Schulhefte, in denen er so oft die Seiten zerknitterte und beschmutzte, die Gartenmauer, über die er im Dunkeln mit seinen roten Augen spähte, der blaue Fayencetopf, den er im Winter zerbrach, wenn es nicht etwa der Frost getan hatte, die Bäume, Straßen, Bänke, alles erinnerte an Putois, unseren Putois, den Putois der Kinder, ein ortsangehöriges, mythisches Wesen. An Grazie und Poesie durfte er sich nicht mit dem dicken Faun von Thessalien oder Sizilien messen, aber er war doch ein Halbgott.

      »Für unsern Vater hatte er einen ganz besonderen Charakter. Er war ihm ein Rätsel und Gegenstand philosophischer Betrachtungen. Unser Vater hatte viel Mitleid mit den Menschen. Er hielt sie für nicht allzu vernünftig; ihre Irrtümer, wenn sie nicht auf Grausamkeit hinausliefen, amüsierten ihn und brachten ihn zum Lachen. Der Glaube an Putois interessierte ihn wie ein Auszug aus dem Lehrbuch über den menschlichen Glauben. Da er eine Neigung zur Ironie hatte und sich gern ein bißchen lustig machte, so sprach er von Putois wie von einem wirklichen Wesen. Er legte bisweilen so viel Gewicht darauf und hob einzelne Umstände so scharf hervor, daß meine Mutter ganz überrascht darüber war und in ihrer Aufrichtigkeit wohl zu ihm sagte: ›Fast sollte man glauben, daß du im Ernst sprächest, mein Lieber, aber du weißt doch …‹

      »Dann antwortete er gelassen:

      ›Ganz St. Omer glaubt an Putois. Wie wäre ich ein guter Bürger, wenn ich ihn verleugnen wollte! Man muß es sich zweimal überlegen, ehe man einen allgemeinen Glaubenssatz verwirft.‹

      »Nur ein ganz ehrlicher Sinn kann solche Skrupeln hegen. Mein Vater pflegte stets seine eigene Meinung in Einklang mit der allgemeinen Meinung zu bringen, er glaubte daher wie die Bewohner von St. Omer an die Existenz von Putois, aber er gab nicht zu, daß er direkt an dem Melonendiebstahl oder an der Verführung von Köchinnen beteiligt sei. Er bekannte sich zu dem Glauben an die Existenz von Putois als ein richtiger Einwohner von St. Omer, aber er brauchte Putois nicht, um die Begebenheiten zu erklären, die sich in der Stadt zutrugen. So war er in dieser Beziehung wie in jeder anderen ein vortrefflicher, verständiger Mann.

      »Was unsere Mutter betrifft, so warf sie sich ein wenig Putois’ Entstehung vor und nicht ohne Grund. Denn Putois war aus einer Lüge unserer Mutter geboren, wie Caliban aus der Lüge des Dichters. Gewiß war das Unrecht nicht dasselbe und meine Mutter viel unschuldiger als Shakespeare, aber sie war doch erschrocken und verwirrt, als sie sah, daß ihre harmlose Lüge ins Ungeheure angewachsen war und welch lebhafte Wirkung ihre leichtfertige Vorspiegelung hatte, die schier kein Ende nehmen wollte, sich bereits über die ganze Stadt verbreitet hatte und drohte, sich über die ganze Welt zu erstrecken. Eines Tages erbleichte sie vor Schreck und dachte nicht anders, als daß ihre Lüge Fleisch und Blut angenommen habe. An jenem Tage kam das Dienstmädchen, das erst vor kurzem im Hause und in der Gegend war, zu meiner Mutter und sagte, es sei ein Mann da, der sie sprechen möchte.

      ›Was für ein Mann?‹ fragte sie.

      ›Ein


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