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Gesammelte Erzählungen von Anatole France. Anatole FranceЧитать онлайн книгу.

Gesammelte Erzählungen von Anatole France - Anatole France


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sich ihm leise und sagte mit zögernder schwacher Stimme:

      »Verfluchter Polyp.«

      Dann wartete er auf die Wirkung dieser berüchtigten Worte. Aber die Wirkung blieb aus. Der Schutzmann blieb stumm und unbeweglich mit untergeschlagenen Armen stehen.

      Aus seinen großen, weit geöffneten Augen, die im Dunkel leuchteten, blickte er auf Crainquebille voll Traurigkeit, Wachsamkeit und Verachtung.

      Crainquebille war ganz verwundert, aber mit einem Rest von Energie stammelte er:

      »Verfluchter Polyp – das gilt Ihnen.«

      Ein langes Schweigen folgte. Um die Laterne tropfte der rötliche, feine Regen, ringsumher lag ein eisiger tiefer Schatten.

      Endlich sprach der alte Soldat:

      »Das müssen Sie nicht sagen … wahr und gewiß, das müssen Sie nicht sagen. Wenn man so alt ist, wie Sie, sollte man vernünftiger sein. Gehen Sie Ihrer Wege.«

      »Warum arretieren Sie mich nicht?« fragte Crainquebille.

      Der Schutzmann schüttelte den Kopf unter seiner nassen Kapuze:

      »Wenn wir all die Krakehler einstecken wollten,« sagte er, »die sagen, was sie nicht sagen dürfen, dann hätten wir viel zu tun!… Und was hätte das wohl für einen Zweck?«

      Crainquebille knickte zusammen bei dieser ungeheuren Verachtung. Betäubt und stumm blieb er lange Zeit im Rinnstein stehen. Ehe er weiterging, versuchte er eine Erklärung:

      »Es war auch nicht für Sie, daß ich »Verfluchter Polyp« gesagt habe, und auch für keinen andern – es war nur so eine Idee.«

      »Das ist ganz einerlei, warum Sie es gesagt haben«, erwiderte der Schutzmann mit herber Sanftmut. »Aber das muß man nicht sagen, denn wenn ein Mensch seine Pflicht tut und viele Strapazen ausstehen muß, so soll man ihn nicht durch müßige Worte beleidigen. Ich wiederhole Ihnen noch einmal, gehen Sie ihrer Wege.«

      Crainquebille senkte den Kopf und wankte langsam mit hängenden Armen durch den Regen in die finstere Nacht hinein.

      Putois

       Inhaltsverzeichnis

      I.

      »Der Garten unserer Kindheit,« sagte Herr Bergert, »den man mit wenigen Schritten durcheilen konnte, war doch für uns eine unermeßliche Welt voll Lust und Schrecken.«

      »Lucien, erinnerst du dich noch an Putois«, fragte Zoë und neigte mit dem ihr eigenen Lächeln, wobei sie die Lippen fest zu schließen pflegte, ihr Gesicht über ihre Nadelarbeit.

      »Natürlich erinnere ich mich an Putois!… Von allen Gestalten, die mir in meiner Kindheit vor die Augen gekommen sind, ist Putois mir am lebhaftesten im Gedächtnis geblieben. Ich besinne mich noch auf alle Züge seines Gesichts und seines Charakters. Er hatte einen spitz zulaufenden Schädel…«

      »Eine niedrige Stirn,« fügte Zoë hinzu.

      Die Geschwister sagten nun abwechselnd mit monotoner Stimme und wunderlich ernster Miene alle Einzelheiten einer Art von Signelament her:

      »Niedere Stirn.«

      »Gläserne Augen.« »Unstäter Blick.«

      »Krähenfüße an der Schläfe.«

      »Hervortretende, rote, glänzende Backenknochen.«

      »Die Ohren hatten keine Ränder.«

      »Die Gesichtszüge waren ohne allen Ausdruck.«

      »Die Hände waren in steter Bewegung und verrieten seine Gedanken.«

      »Er war mager, etwas gebeugt und anscheinend schwächlich.«

      »Sein Daumen war riesig groß.«

      »Seine Stimme schleppend.«

      »Seine Redeweise süßlich.«

      Plötzlich rief Herr Bergeret lebhaft:

      »Eins haben wir noch vergessen, Zoë! die gelbliche Haarfarbe und das dünne Haar. Wir wollen es noch einmal wiederholen.«

      Mit Erstaunen hatte Pauline dieser seltsamen Aufzählung von Putois’ Eigenschaften zugehört und fragte nun ihren Vater und ihre Tante, wie sie dazu kämen, dies Prosastück auswendig zu wissen und wie eine Litanei herzusagen. Herr Bergeret erwiderte ernst:

      »Pauline, was du soeben vernommen hast, ist ein geheiligter, ich darf wohl sagen, liturgischer Text für den Privatgebrauch der Familie Bergeret. Es geziemt sich, daß er dir überliefert werde, damit er nicht dereinst mit deiner Tante und mir untergehe.

      »Dein Großvater, mein liebes Kind, dein Großvater Eloi Bergeret, ein Mann, der an nichtigen Dingen keinen Gefallen fand, schätzte dieses Stück hoch, besonders in Anbetracht seines Ursprungs. Er nannte es ›die Anatomie von Putois‹. Auch pflegte er zu sagen, erziehe in gewisser Weise die Anatomie von Putois der Anatomie von Quaresmeprenant vor. ›Wenn die Beschreibung, die Xenomanes davon machte,‹ sagte er, ›auch wissenschaftlich bedeutender ist und reicher an seltenen und vorzüglichen Ausdrücken, so wird sie doch durch Gedankenklarheit und Flüssigkeit des Stils von der Beschreibung des Putois übertroffen.‹ Er urteilte so, weil der Doktor Ledouble von Tours damals noch nicht seine Erklärung über die Kapitel 30 – 32 des vierten Buches von Rabelais gegeben hatte.« »Von alledem verstehe ich kein Wort,« sagte Pauline.

      »Das kommt daher, weil du Putois nicht kennst, liebe Tochter. Du mußt wissen, daß Putois für mich und Tante Zoë die bekannteste Figur aus unserer Kinderzeit war. Im Hause deines Großvaters Bergeret wurde unaufhörlich von Putois geredet. Jeder glaubte, ihn gesehen zu haben.«

      »Wer war denn eigentlich Putois?« fragte Pauline.

      Statt zu antworten begann Herr Bergeret zu lachen, und seine Schwester lachte gleichfalls mit fest geschlossenen Lippen.

      Pauline ließ ihre Blicke von einem zum andern wandern. Sie fand es wunderbar, daß ihre Tante so von Herzen lachte, und noch wunderbarer, daß sie so in voller Übereinstimmung und Sympathie mit ihrem Bruder lachte. Es war auch in der Tat auffallend, denn Bruder und Schwester waren selten einer Meinung.

      »Papa, sag’ mir doch, wer war Putois? Du willst ja, daß ich es wissen soll, so sag es mir doch.« Putois, liebe Tochter, war ein Gärtner. Er war ein Sohn achtbarer Kunstgärtnersleute und hatte in St. Omer eine Baumschule eingerichtet. Aber seine Kundschaft war nicht zufrieden mit ihm, er machte schlimme Streiche. Sein Geschäft hatte er aufgegeben und ging auf Tagesarbeit aus, und die Leute, die ihn beschäftigten, hatten nicht immer Ursache ihn zu loben. Bei diesen Worten sagte Fräulein Bergeret noch immer lachend:

      »Erinnerst du dich wohl noch, Lucien, wenn unser Vater auf seinem Schreibtisch sein Tintenfaß, seine Federn, seinen Siegellack, seine Schere oder – was es immer sei – vermißte, so pflegte er zu sagen: ›Ich vermute, daß Putois hier gewesen ist‹.«

      »Ja,« erwiderte Herr Bergeret, »Putois stand in keinem guten Ruf.«

      »Ist das alles?« fragte Pauline.

      »Nein, liebe Tochter. Putois hatte die Eigentümlichkeit, daß er uns bekannt und vertraut war, und daß er dennoch gar nicht…«

      »Garnicht existierte!« rief Zoë. Herr Bergeret warf seiner Schwester einen vorwurfsvollen Blick zu:

      »Welch ein Ausdruck, Zoë! Warum so den Zauber brechen! Putois hätte gar nicht existiert! Wagst du das wirklich zu sagen, Zoë? Kannst du das begründen? Hast du die Existenzbedingungen, die Art und Weise des Daseins ausreichend geprüft, um wirklich behaupten zu wollen, Putois habe nie existiert, sei gar nie dagewesen? Sicherlich existierte Putois, liebe Schwester, aber es ist wahr, er führte ein eigenartiges


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