Das beste von Nikolai Gogol. Nikolai GogolЧитать онлайн книгу.
wackelten und ihre Blätter trunkene Worte flüsterten. Plötzlich wehte es ihm so kalt entgegen, daß er schon an seinen Schafspelz dachte, und da war es ihm auch, als fingen hundert Hämmer zu klopfen an, so daß es ihm im Kopfe widerhallte. Der ganze Wald wurde für einen Augenblick wie von einem Wetterleuchten erhellt. Mein Großvater erblickte gleich einen Pfad, der sich zwischen niedrigem Gebüsch schlängelte. Da ist auch schon der angebrannte Baumstamm, da sind die Dornenbüsche! Alles war genau so, wie man es ihm gesagt hatte; nein, der Schenkwirt hatte ihn nicht betrogen. Es war aber doch kein Vergnügen, sich durch die stechenden Sträucher durchzuarbeiten; noch nie im Leben hatte er gesehen, daß die verfluchten Dornen und Äste so schmerzhaft stechen können. Allmählich kam er auf einen freien Platz heraus und merkte, daß die Bäume immer weiter voneinander abstanden und so dick waren, wie er sie auch jenseits Polens nicht gesehen hatte. Zwischen den Bäumen schimmerte auch ein Bach, schwarz wie brünierter Stahl. Lange stand der Großvater am Ufer und blickte nach allen Seiten. Am anderen Ufer brennt ein Feuer; bald scheint es verlöschen zu wollen und bald spiegelt es sich wider im Bache, der so aufzuckt wie ein polnischer Schlachtschitz in Kosakentatzen. Da ist auch eine Brücke. »Nun über diese Brücke kann höchstens ein Teufelswagen fahren.« Der Großvater trat aber tapfer auf die Brücke und war schneller, als mancher braucht, um die Schnupftabakdose aus der Tasche zu holen und eine Prise zu nehmen, schon am anderen Ufer. Jetzt erst sah er hier Leute am Feuer sitzen, und diese hatten solche Fratzen, daß er zu einer anderen Zeit Gott weiß was gegeben hätte, um der Bekanntschaft mit ihnen zu entgehen. Aber jetzt mußte er wohl oder übel ihre Bekanntschaft machen. Mein Großvater verbeugte sich tief und sagte: »Gott helfe euch, ihr guten Leute!« Aber auch nicht einer nickte mit dem Kopfe: sie sitzen da und schweigen und werfen etwas ins Feuer. Er sah einen freien Platz und setzte sich ohne Förmlichkeiten zu ihnen. Die Fratzen sagen kein Wort, auch der Großvater sagt kein Wort. Lange saßen sie schweigend da. Das wurde dem Großvater langweilig; er holte aus der Tasche seine Pfeife und sah sich um, aber keiner blickte ihn an. »Euer Gnaden, seid so gut, wie sage ich es Euch …« (mein Großvater hatte viel unter Menschen gelebt und verstand es, höflich zu sprechen, so daß er sich vielleicht auch vor dem Zaren nicht blamiert hätte), »so daß ich beispielsweise weder mich selbst vergesse noch Euch zu nahe trete: eine Pfeife habe ich wohl, aber nichts, um sie anzustecken.« Auf diese Rede sagte niemand ein Wort; nur eine von den Fratzen hielt dem Großvater ein brennendes Scheit gerade vors Gesicht, so daß, hätte er sich nicht gebückt, er wohl dem einen Auge für immer hätte Ade sagen müssen. Als er schließlich sah, daß die Zeit unnütz verging, entschloß er sich, ganz gleich, ob die unsaubere Brut ihm zuhören würde oder nicht die ganze Geschichte zu erzählen. Sie sperrten die Mäuler auf, spitzten die Ohren und streckten die Pfoten aus. Der Großvater merkte, was sie wollten, nahm das ganze Geld, das er bei sich hatte, zusammen und warf es ihnen wie Hunden vor. Kaum hatte er das Geld hingeworfen, als alles vor ihm durcheinandergeriet; die Erde erzitterte, und er – er konnte selbst nicht erklären, wie – in die Hölle geraten war. »Du meine Güte!« schrie der Großvater auf, als er sich ordentlich umsah. Was für Ungeheuer! Was für Fratzen! Eine solche Menge von Hexen wie Schnee vor Weihnachten; aufgeputzt und angemalt wie die Fräulein auf dem Jahrmarkte. Und alle, so viel ihrer da waren, tanzten irgendeinen teuflischen Tanz. Was für ein Staub wirbelte da empor, mein Gott! Jeder Christenmensch müßte beim bloßen Anblick zittern, wie hoch diese Teufelsbrut hopste. Großvater mußte aber trotz seiner Angst lachen, als er sah, wie die Teufel mit Hundeschnauzen auf dünnen Beinchen schweifwedelnd um die Hexen herumscharwenzelten wie die Burschen um hübsche junge Mädchen, und die Musikanten auf ihren eigenen Backen wie auf Pauken mit den Fäusten trommelten und mit den Nasen wie auf Waldhörnern trompeteten. Als sie den Großvater erblickten, stürzte sich die ganze Horde über ihn: Schweineschnauzen, Hundeschnauzen, Bockschnauzen, Gänseschnauzen, Pferdeschnauzen – alle reckten sich, als wollten sie ihn küssen. Der Großvater spuckte vor Ekel aus! Schließlich packten sie ihn und setzten ihn an einen Tisch, der vielleicht so lang war wie die Straße von Konotop nach Baturin. »Nun, das ist nicht so schlimm«, sagte sich der Großvater, als er auf dem Tische Schweinefleisch, Würste, Kraut mit kleingeschnittenen Zwiebeln und viele andere Leckerbissen sah. »Das Teufelsgesindel scheint die Fasten nicht zu halten!« Mein Großvater, müßt ihr wissen, ließ sich nie eine Gelegenheit entgehen, einen guten Bissen zu sich zu nehmen. Der Selige hatte stets guten Appetit, und darum rückte er, ohne viel zu reden, eine Schüssel mit kleingeschnittenem Speck und einen Schinken zu sich heran, ergriff eine Gabel, nicht viel kleiner als die Gabel, mit der der Bauer Heu auflädt, nahm mit ihr ein ordentliches Stück, hielt eine Scheibe Brot darunter und beförderte es … in ein fremdes Maul, das dicht neben seinen eigenen Ohren auftauchte, und er hörte sogar, wie das Maul kaute und mit den Zähnen klapperte, so daß man es am ganzen Tisch hörte. Der Großvater sagte nichts, nahm ein anderes Stück und glaubte es schon mit den Lippen zu berühren, es kam aber wieder in eine fremde Kehle. Auch das dritte Mal erwischte er nichts. Der Großvater wurde wütend; er vergaß seine Angst und in wessen Händen er sich befand, und fiel über die Hexen her: »Ihr wollt euch vielleicht über mich lustig machen, ihr Herodesbrut! Wenn ihr mir nicht sofort meine Kosakenmütze herausgebt, so will ich katholisch sein, wenn ich euch nicht eure Schweineschnauzen in den Nacken drehe!« Noch hatte er die letzten Worte nicht gesprochen, als alle die Ungeheuer die Zähne fletschten und ein solches Gelächter anstimmten, daß es dem Großvater ganz kalt ums Herz wurde.
»Gut!« kreischte eine der Hexen, die der Großvater für die Oberhexe hielt, weil ihre Fratze noch hübscher war als die der anderen. »Wir wollen dir die Mütze herausgeben, aber nicht eher, als bis du mit uns dreimal Schafskopf gespielt hast.«
Was war da zu machen? Ein Kosak soll sich mit Weibern hinsetzen, um Schafskopf zu spielen! Der Großvater weigerte sich lange, setzte sich aber schließlich doch hin. Man brachte Karten, so fettig wie die Karten, die bei uns die Popentöchter schlagen, um aus ihnen etwas über ihre künftigen Bräutigame zu erfahren.
»Hör also!« bellte die Hexe wieder: »Wenn du auch nur einmal gewinnst, so ist die Mütze dein; wenn du aber alle dreimal Schafskopf bleibst, so nimm es nicht übel: dann wirst du nicht nur deine Mütze, sondern vielleicht auch die Welt nicht mehr wiedersehen!«
»Gib die Karten, Hexe! Komme, was kommen mag.«
Die Karten werden verteilt. Der Großvater nimmt die seinen in die Hand: so ein Schund, daß er sie gar nicht anschauen möchte; wenn auch nur zum Spaß ein einziger Trumpf dabei wäre! Eine Zehn ist die höchste Karte, und kein einziges Paar dabei; die Hexe spielt aber immer Fünfer aus. So mußte der Großvater Schafskopf bleiben! Kaum war der Großvater Schafskopf geworden, als die Schnauzen von allen Seiten zu wiehern, zu bellen und zu grunzen anfingen: »Schafskopf, Schafskopf, Schafskopf!«
»Platzen sollt ihr, ihr Teufelsbrut!« schrie der Großvater, indem er sich die Ohren mit den Fingern zustopfte. – Na, – denkt er sich –, die Hexe wird wohl beim Mischen geschwindelt haben, diesmal will ich selbst die Karten geben. – Er verteilte die Karten, gab den Trumpf an und blickte in sein Spiel: die Karten sind gut, auch Trümpfe sind dabei. Anfangs ging die Sache nicht schlecht; aber die Hexe spielte eine Fünf mit allen vier Königen aus! Der Großvater hatte aber lauter Trümpfe. Ohne lange zu überlegen, stach er alle Könige mit den Trümpfen!
»He, he, das ist nicht Kosakenart! Womit stichst du, Landsmann?«
»Was heißt, womit? Mit den Trümpfen!«
»Bei euch sind es vielleicht Trümpfe, bei uns sind es keine.«
Er schaut hin: es ist in der Tat nur eine einfache Farbe. Was für Zauber! So mußte er auch zum zweitenmal Schafskopf bleiben, und die Teufelsbrut schrie wieder aus vollem Halse: »Schafskopf! Schafskopf!« daß der ganze Tisch wackelte und die Karten sprangen. Der Großvater kam ins Feuer und verteilte die Karten zum letztenmal. Alles geht wieder gut. Die Hexe spielt wieder einen Fünfer aus; der Großvater deckt ihn und kauft sich eine ganze Handvoll Trümpfe dazu.
»Trumpf!« schrie er und haute die Karte so auf den Tisch, daß sie sich bog; die Hexe deckte ihn aber, ohne ein Wort zu sagen, mit einer gewöhnlichen Acht. »Womit stichst du denn, alter Teufel?« Die Hexe hob die Karte auf, und unter ihr lag eine einfache Sechs. »Ist das ein Teufelsschwindel!« sagt der Großvater und schlägt aus Leibeskraft mit der Faust auf den Tisch. Zum Glück hat die Hexe schlechte Karten, der Großvater hat aber wie zum Fleiß Paare. Er fängt an, zuzukaufen,