Das beste von Nikolai Gogol. Nikolai GogolЧитать онлайн книгу.
Was ist das? Da scheint etwas nicht zu stimmen!« Nun tat der Großvater die Karten heimlich unter den Tisch und schlug ein Kreuz über sie; auf einmal hat er ein Trumpfas, einen Trumpfkönig und einen Trumpfbuben, und statt der Sechs hat er eine Dame ausgespielt. »Was war ich doch für ein Narr! Trumpfkönig! Was, kannst du ihn stechen? Was, du Katzenbrut? Willst du vielleicht ein As? As! Bube! …« Ein Donner dröhnte durch die ganze Hölle; die Hexe bekam Krämpfe, und plötzlich flog die Mütze dem Großvater gerade ins Gesicht. »Nein, das ist mir zu wenig!« schrie der Großvater, nachdem er sich die Mütze aufgesetzt hatte, neuen Mut fassend: »Wenn mein tapferes Pferd nicht auf der Stelle vor mir erscheint, so soll mich hier an diesem unreinen Ort der Donner treffen, wenn ich nicht über euch alle das heilige Kreuz schlage!« Schon hob er die Hand, als vor ihm plötzlich Pferdegebeine klapperten.
»Da hast du dein Pferd!«
Der Ärmste weinte wie ein törichtes Kind, als er die Gebeine sah. »Gebt mir doch irgendein Pferd, damit ich aus eurem Nest herauskomme!« Der Teufel knallte mit der Peitsche, ein Pferd fuhr wie eine Flamme vor ihm auf, und der Großvater flog wie ein Vogel empor.
Aber es wurde ihm unheimlich zumute, als das Pferd, ohne auf seine Schreie und auf die Zügel zu achten, über Gräben und Abgründe dahinsprengte. Er kam bei diesem Ritt an solche Orte, daß einen das Zittern überkam, wenn er davon erzählte. Er blickt vor sich hinab und erschrickt noch mehr: ein Abgrund mit steilem Rand! Das Teufelsvieh macht sich aber nichts draus und springt einfach über den Abgrund. Der Großvater versucht sich festzuhalten, aber es gelingt ihm nicht. Über Baumstrünke und Erdbuckel flog er Hals über Kopf in den Abgrund und schlug sich unten am Boden so fest an, daß es ihm vorkam, als gebe er den Geist auf. Jedenfalls wußte er nicht mehr, was mit ihm in dieser Zeit geschah; und als er ein wenig zu sich kam und sich umsah, da war es schon ganz hell geworden. Er unterschied eine ihm bekannte Gegend, und er lag auf dem Dache seines eigenen Hauses.
Der Großvater bekreuzigte sich, als er heruntergeklettert war. So ein Teufelsspuk! Was für Wunder ein Mensch erleben kann! Er sieht seine Hände an, die Hände sind voll Blut; er blickt in das Wasserfaß – auch sein Gesicht ist voll Blut. Er wäscht sich ordentlich, um die Kinder nicht zu erschrecken, und tritt leise in die Stube; die Kinder kommen ihm rücklings entgegen und sagen: »Schau, schau, die Mutter springt wie verrückt!« Und in der Tat: sein Weib schläft vor dem Flachskamm, hält die Spindel in der Hand und springt im Schlafe auf der Bank auf und nieder. Der Großvater nahm sie still bei der Hand und weckte sie, »Guten Tag, Frau! Bist du ganz wohl?« Jene glotzte ihn lange an; endlich erkannte sie den Großvater und erzählte ihm, es hätte ihr geträumt, der Ofen sei in der Stube herumgefahren und habe mit der Schaufel alle Töpfe und Schüsseln hinausgejagt … und weiß der Teufel was noch alles. »Nun«, sagte der Großvater, »du hast es geträumt, ich aber sah den Teufelsspuk im Wachen. Ich sehe, wir müssen unser Haus mit Weihwasser besprengen. Jetzt darf ich aber nicht länger säumen.« Nachdem er dies gesagt und ein wenig ausgeruht hatte, holte er das Pferd aus dem Stall und machte nicht eher halt, weder bei Tag noch bei Nacht, als bis er sein Ziel erreicht und den Brief der Zarin selbst eingehändigt hatte. Dort sah der Großvater solche Wunderdinge, daß er noch lange davon erzählen konnte: wie man ihn in einen Palast führte, der so hoch war, daß man zehn Häuser übereinanderstellen könnte, und das hätte noch nicht gereicht; wie er erst in ein Zimmer hineinblickte – niemand drin; in ein anderes – niemand drin; in ein drittes niemand drin; selbst im vierten war niemand drin; erst im fünften Zimmer sitzt sie selbst mit goldener Krone, in einem nagelneuen grauen Kittel und roten Stiefeln und ißt goldene Klöße; wie sie ihm die ganze Mütze mit blauen Scheinen vollstopfen ließ; wie … er konnte sich an alles gar nicht mehr erinnern! An seine Plage mit den Teufeln dachte der Großvater nicht mehr, und wenn ihn manchmal jemand daran erinnerte, so schwieg er, als ginge es ihn nichts an, und es kostete große Mühe, ihn zu bewegen, alles zu erzählen. Und wohl zur Strafe dafür, daß er sich damals nicht beeilt hatte, das Haus mit Weihwasser zu besprengen, geschah mit seiner Frau jedes Jahr um dieselbe Zeit das Wunder, daß sie immerzu tanzen mußte. Was sie auch anfangen mochte, die Füße zuckten ganz von selbst, und etwas stieß sie, einen richtigen Tanz aufzuführen.
Die Nacht vor Weihnachten
Der letzte Tag vor Weihnachten war zu Ende. Eine klare Winternacht brach an; die Sterne erstrahlten am Himmel; der Mond erhob sich majestätisch, um den guten Menschen und der ganzen Welt zu leuchten, damit jeder recht lustig die Koljadalieder singe und den Heiland preise.
Der Frost hatte seit dem Morgen zugenommen; dafür war es aber so still, daß man das Knirschen des gefrorenen Schnees unter den Stiefeln eine halbe Werst weit hören konnte. Noch war keine einzige Gesellschaft von Burschen unter den Fenstern erschienen; nur der Mond allein blickte verstohlen in die Stuben, als wolle er die sich putzenden Mädchen rufen, damit sie schneller auf den knirschenden Schnee hinauslaufen. Da stieg aus dem Schornstein eines Hauses eine dichte Rauchwolke empor, und zugleich mit dem Rauch fuhr eine Hexe auf einem Besenstiel in die Höhe.
Wäre um diese Zeit der Assessor von Ssorotschinzy mit einer Troika von Bürgerpferden, in seiner mit Lammfell besetzten, nach Muster der Ulanenmützen gearbeiteten Mütze, in seinem blauen, mit schwarzem Schaffell gefütterten Pelz, mit seiner teuflisch geflochtenen Peitsche, mit der er seinen Kutscher anzutreiben pflegte, vorübergefahren, so hätte er sie ganz gewiß bemerkt, denn dem Assessor von Ssorotschinzy kann keine Hexe in der Welt entgehen. Er weiß ganz genau, wie viele Ferkel das Schwein einer jeden Frau wirft, wieviel Leinwand sie in der Truhe liegen hat und welche Kleidungs-oder Wirtschaftsgegenstände der brave Mann am Sonntag in der Schenke versetzt. Aber der Assessor von Ssorotschinzy kam nicht vorbei; was gehen ihn auch fremde Angelegenheiten an: er hat ja seinen eigenen Bezirk. Die Hexe stieg indessen so hoch hinauf, daß sie nur noch als ein kleiner schwarzer Fleck zu sehen war. Wo sich aber dieser Fleck nur zeigte, dort verschwand ein Stern nach dem anderen. Die Hexe hatte bald ihrer einen ganzen Ärmel voll. Drei oder vier funkelten noch am Himmel. Plötzlich zeigte sich an der entgegengesetzten Seite ein anderes Fleckchen; es wurde größer, nahm an Breite zu und war bald kein bloßer Fleck mehr. Ein Kurzsichtiger hätte sogar die Räder vom Kommissärswagen statt einer Brille auf die Nase setzen können, aber auch dann würde er nicht erkennen, was das war. Von vorn besehen, sah es ganz wie ein Deutsche aus: eine schmale Schnauze, die sich fortwährend bewegte und alles beschnüffelte, worauf sie stieß, lief wie bei unseren Schweinen in ein rundes Fünfkopekenstück aus; die Beine waren so dünn, daß der Amtmann von Jareskow sie schon beim ersten Sprunge im Kosakentanz gebrochen haben würde, wenn er sie hätte. Von rückwärts sah es dafür ganz wie der Gouvernementsanwalt in Uniform aus, denn es hatte hinten einen spitzen und langen Schwanz hängen, wie ihn ein moderner Uniformfrack hat; nur an dem Bocksbart unter der Schnauze, an den kleinen Hörnchen auf dem Kopfe und daran, daß es nicht weißer war als ein Schornsteinfeger, könnte man erkennen, daß es weder ein Deutscher noch der Gouvernementsanwalt, sondern einfach der Teufel war, dem nur diese letzte Nacht blieb, in der er sich auf der Welt herumtreiben und die guten Menschen zur Sünde verführen durfte. Morgen schon mußte er beim ersten Glockenschlage der Frühmesse mit eingezogenem Schwanz schleunigst in sein Loch fahren.
Der Teufel schlich sich indessen leise an den Mond heran und streckte schon die Hand aus, um ihn zu packen, zog sie aber gleich wieder zurück, als ob er sich verbrannt hätte, sog an den Fingern und zappelte mit einem Bein. Dann lief er an den Mond von einer anderen Seite heran, sprang aber wieder weg und zog die Hand zurück. Trotz dieser Mißerfolge ließ der schlaue Teufel von seinen Streichen nicht ab. Er lief wieder an den Mond heran, packte ihn mit beiden Händen zugleich und warf ihn, wie ein Bauer, der Feuer für seine Pfeife mit bloßen Händen holt, Grimassen schneidend und fortwährend blasend, aus der einen Hand in die andere; schließlich steckte er ihn schnell in die Tasche und rannte weiter, als wäre nichts geschehen.
In Dikanjka merkte niemand, daß der Teufel den Mond gestohlen hatte. Allerdings hatte der Gemeindeschreiber, als er auf allen vieren aus der Schenke kam, gesehen, daß der Mond am Himmel plötzlich tanzte, was er auch unter Schwüren dem ganzen Dorfe versicherte; aber die Bürger schüttelten die Köpfe und lachten ihn sogar aus. Was mochte aber den Teufel zu so einer gesetzwidrigen Tat bewogen haben? Das hatte folgenden Grund: er wußte, daß der reiche Kosak Tschub vom Küster zu Kutja eingeladen war, welchem Schmause außerdem der Amtmann, ein mit dem Küster verwandter bischöflicher Chorsänger, der einen blauen Rock