Das beste von Nikolai Gogol. Nikolai GogolЧитать онлайн книгу.
der Leier, und gleich stemmt er sie in die Hüften, kauert nieder und richtet sich wieder auf, und wirbelt im Tanze, und sein Lied fließt dahin – seine Seele frohlockt! … Nein, diese Zeit ist vorbei, man bekommt keinen Saporoger mehr zu sehen! Ja. So trafen sie sich, ein Wort gab das andere, und die Bekanntschaft war schnell gemacht. Sie redeten und redeten, und mein Großvater hatte seine Reise schon ganz vergessen. Es ging ein Saufen los wie auf einer Hochzeit vor den großen Fasten. Aber sie bekamen es schließlich satt, Töpfe entzweizuschlagen und Geld unter das Volk zu werfen, auch kann man doch nicht ewig auf dem Jahrmarkte bleiben! So verabredeten die neuen Freunde, sich nicht mehr zu trennen und die Reise gemeinsam fortzusetzen. Es war schon längst gegen Abend, als sie in die freie Steppe hinausritten. Die Sonne hatte sich schon zur Ruhe begeben; hie und da glühten noch statt ihrer rötliche Streifen; die Wiesen leuchteten bunt wie die Feiertagsröcke schwarzbrauiger junger Weiber. Unser Saporoger kam furchtbar ins Schwatzen. Mein Großvater und noch ein lustiger Patron, der sich zu ihnen gesellt hatte, glaubten schon, daß er vom Teufel besessen sei. Wo nahm er bloß all das Zeug her, alle die wunderlichen Geschichten und Schnurren, daß mein Großvater sich die Seiten halten mußte und ihm vor Lachen beinahe der Bauch zersprang?! Aber in der Steppe wurde es immer finsterer, und auch die Rede des Burschen wurde immer unzusammenhängender. Endlich verstummte unser Erzähler ganz und begann beim geringsten Geräusch zu zittern.
»He, he, Landsmann! Du scheinst mir wirklich die Eulen zu zählen. Sehnst du dich gar nicht nach deinem Hause und nach dem Ofen?«
»Vor euch will ich nichts verheimlichen«, sagte er, plötzlich stehenbleibend und sie unverwandt anstarrend. »Wißt ihr denn auch, daß ich meine Seele schon längst dem Bösen verschrieben habe?«
»Als ob es ein Wunder wäre! Wer hat nicht schon mit dem Bösen zu tun gehabt? In solchen Fällen muß man auch bummeln, daß es nur so kracht!«
»Ach, Burschen, ich möchte schon bummeln, aber heute nacht läuft der Termin ab! Brüder«, sagte er und packte ihre Hände, »gebt mich nicht preis! Durchwacht diese eine Nacht! Mein Lebtag werde ich euch den Freundschaftsdienst nicht vergessen!«
Warum soll man einem Menschen in solcher Not nicht helfen? Mein Großvater sagte ihm geradeheraus, er würde sich eher seinen Kosakenschopf abscheren lassen, als dulden, daß der Teufel mit seiner Hundeschnauze eine Christenseele beschnüffelt.
Unsere Kosaken wären vielleicht noch weiter geritten, aber der Himmel verdunkelte sich plötzlich so, als wäre er mit einem schwarzen Tuche bedeckt, und auf der Steppe wurde es ebenso finster wie unter einem Schafspelze. In der Ferne blinkte ein Lichtschein, und die Pferde, die die nahe Krippe witterten, eilten vorwärts, die Ohren spitzend und die Augen in die Finsternis bohrend. Der Lichtschein schien ihnen entgegenzueilen, und vor den Kosaken tauchte eine Schenke auf, die so schief stand wie ein Weib auf dem Heimwege von einer lustigen Taufe. Um jene Zeit waren die Schenken ganz anders als jetzt. Man hatte nicht nur keinen Platz, um seine Glieder im Tanze zu recken, man konnte sich nicht mal hinlegen, wenn man einen Rausch hatte und die Füße wunderliche Kringel auf dem Boden beschrieben. Der ganze Hof war mit Frachtwagen vollgepfropft, unter den Dachvorsprüngen, in den Krippen, im Flur schnarchten die Menschen wie die Kater, die einen zusammengekrümmt, die anderen ausgestreckt. Der Schenkwirt saß allein vor einem Lichte und schnitt Kerben in einen Stock, welche besagten, wieviel Quart und halbe Quart die Fuhrleute gesoffen hatten. Mein Großvater ließ sich ein Drittel Eimer Schnaps für alle drei geben und ging in die Scheune. Alle drei legten sich nebeneinander hin. Er hatte sich noch nicht mal umgedreht, als er sah, daß seine Landsleute schon schliefen. Mein Großvater weckte den dritten Kosaken, der sich zu ihnen gesellt hatte, und erinnerte ihn an das Versprechen, das sie dem Kameraden gegeben hatten. Jener richtete sich halb auf, rieb sich die Augen und schlief wieder ein. Es war nichts zu machen, mein Großvater mußte nun allein wachen. Um den Schlaf irgendwie zu verscheuchen, sah er sich alle Wagen an, ging zu den Pferden, steckte sich seine Pfeife an, kam zurück und setzte sich neben die Seinen. Alles war still, nicht mal eine Fliege hörte man summen. Plötzlich war es ihm, als wenn hinter dem nächsten Wagen etwas Graues die Hörner zeige … Da begannen aber seine Augen zuzufallen, so daß er sie mit den Fäusten reiben und mit dem noch übriggebliebenen Schnaps waschen mußte. Sobald sie etwas klarer wurden, verschwand alles wieder. Schließlich zeigte sich nach einer Weile das Ungeheuer wieder hinter dem Wagen… Mein Großvater riß die Augen auf, so weit er konnte; aber die verdammte Schläfrigkeit hüllte alles vor ihm in einen Nebel; seine Arme erstarrten, der Kopf sank auf die Brust, und ihn übermannte ein so fester Schlaf, daß er wie tot umfiel. Lange schlief der Großvater; erst als die Sonne ihm ordentlich auf den rasierten Scheitel brannte, sprang er auf die Beine. Nachdem er sich zweimal gestreckt und sich den Rücken gekratzt hatte, merkte er, daß schon nicht mehr so viele Wagen dastanden wie gestern. Die Fuhrleute waren wohl vor Tagesanbruch weggefahren. Er schaut nach den Seinen: der Kosak schläft, der Saporoger ist aber weg. Er fängt zu fragen an, aber niemand weiß was; nur sein Kittel liegt noch auf dem Platz. Meinen Großvater packte die Angst, und er wurde nachdenklich. Er sah nach den Pferden – keines war mehr da, weder das seine noch das des Saporogers! Was mochte das bedeuten? Wenn den Saporoger der Teufel geholt hat, wer hat dann die Pferde genommen? Nachdem er sich das alles überlegt hatte, kam er zum Schluß, daß der Teufel wohl zu Fuß gekommen sei, da es aber zur Hölle gar nicht so nahe wäre, so hätte er auch sein Pferd gestohlen. Es tat ihm sehr weh, daß er sein Kosakenwort nicht gehalten hatte.
– Nichts zu machen –, sagte er sich, – ich geh’ zu Fuß weiter: vielleicht treffe ich unterwegs einen Pferdehändler, der vom Jahrmarkt fährt, dann kaufe ich mir ein Pferd. – Wie er aber nach seiner Mütze greift, so ist auch die Mütze weg. Der selige Großvater schlug die Hände über dem Kopfe zusammen, denn es fiel ihm ein, daß er gestern mit dem Saporoger die Mütze vertauscht hatte. Wer kann sie gestohlen haben, wenn nicht der Teufel! Einen schönen Lohn kriegt er vom Hetman! Schön hat er den Brief an die Zarin besorgt! Nun fing mein Großvater an, den Teufel mit solchen Namen zu traktieren, daß der in seiner Hölle wohl mehr als einmal niesen mußte. Aber das Schimpfen nützt wenig; und soviel sich der Großvater auch den Nacken kratzte, er konnte sich nichts ausdenken. Was war da zu machen? Nun wandte er sich an fremden Verstand: er versammelte alle guten Leute, alle Fuhrleute und Durchreisenden, die in der Schenke waren, und erzählte ihnen, was für ein Unglück ihm zugestoßen sei. Die Fuhrleute dachten lange nach, das Kinn auf die Peitschenstiele gestützt, schüttelten die Köpfe und sagten, sie hätten noch nie in der Christenwelt von so einem Wunder gehört, daß ein Brief des Hetmans vom Teufel gestohlen worden sei. Andere fügten noch hinzu, daß wenn der Teufel oder ein Moskowiter etwas gestohlen habe, man jede Hoffnung aufgeben müsse. Nur der Schenkwirt allein saß schweigend in seiner Ecke. Mein Großvater machte sich an ihn heran. Wenn ein Mensch schweigt, so weiß er wohl viel. Der Schenkwirt war aber gar nicht gesprächig, und hätte der Großvater nicht fünf Gulden aus der Tasche geholt, so hätte er von ihm nichts herausbekommen.
»Ich will dich lehren, wie du deinen Brief finden kannst«, sagte er, indem er meinen Großvater auf die Seite führte. Dem Großvater fiel ein Stein vom Herzen. »Ich sehe es dir an den Augen an, daß du ein Kosak bist und kein Weib. Also paß auf! Nicht weit von der Schenke führt ein Weg nach rechts in den Wald. Sobald es im Felde dämmert, mache dich bereit. Im Walde leben Zigeuner, und sie kommen in solchen finsteren Nächten, wo nur die Hexen auf ihren Schürhaken herumreiten, aus ihren Löchern gekrochen, um Eisen zu schmieden. Was sie aber in Wirklichkeit treiben, brauchst du nicht zu wissen. Du wirst im Walde hämmern hören, du sollst aber nicht dahin gehen, wo gehämmert wird; du wirst vor dir einen schmalen Pfad sehen, der an einem angebrannten Baumstamm vorbeiführt: diesen Pfad sollst du einschlagen und immer weitergehen … Dornen werden dich stechen, dichtes Haselgebüsch wird dir den Weg versperren, du aber geh immer weiter. Erst wenn du an einen Bach gekommen bist, darfst du stehenbleiben. Dort wirst du das erblicken, was du brauchst. Vergiß auch nicht, dir das in die Taschen zu stopfen, wofür die Taschen gemacht sind … Du verstehst wohl: es ist etwas, was die Teufel und die Menschen gern mögen.« Nach diesen Worten ging der Schenkwirt in seine Kammer und wollte kein Wort mehr sagen.
Man kann von meinem seligen Großvater nicht behaupten, daß er zu den Ängstlichen gehörte; wenn er einem Wolf begegnete, so packte er ihn einfach am Schwanz; wenn er mit den Fäusten durch einen Haufen Kosaken ging, so fielen diese wie die Birnen zu Boden. Und doch überlief es ihn kalt, als er in der finsteren